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Aber mit dem Drachen als Reittier fühlte sich der Nachtelf zumindest ein wenig sicherer.

Als der Drache aufstieg, sah Broll, dass die Fäulnis des Albtraums sich bereits weit über die bekannte Fläche hinaus ausdehnte. Weit und breit waren nur vom Nebel bedeckte Hügel zu sehen.

Nein, da war noch etwas anderes. Praktisch überall – selbst weiter oben – zuckten Blitze aus magischer Energie, die wie ein fantastischer Sturm wirkten. Wieder bebte die Erde. Die Erschütterung war so stark, dass selbst der grüne Drache einen Augenblick lang in der Luft schwankte.

„Was geschieht da?“, rief Broll.

Der Drache wandte den Kopf und blickte ihm tief in die Augen. „Hast du seinen Ruf nicht gehört? Du gehörst doch zu seinem Volk und suchst ihn doch gerade. Hör nur!“

„Seinen...“ Doch gerade als er zu sprechen begann, hörte der Druide den Ruf tatsächlich. Broll hätte allerdings nie damit gerechnet, ausgerechnet ihn hier zu hören.

Insgeheim hatte er jedoch darauf gehofft.

Es war Malfurions Ruf.

Er wurde nicht aus Worten gebildet, und dennoch rief der Erzdruide allen Kämpfern gegen den Albtraum zu, vorsichtig zu sein. Schon bald würde etwas geschehen, etwas Wichtiges.

Es war eindeutig eine Warnung an sie. Malfurion wollte nicht, dass jemand verletzt wurde oder gar starb. Der Erzdruide – wo immer er auch stecken mochte – wusste offensichtlich, dass diese Gefahr nicht nur in seinem Gefängnis lauerte. Sie bedrohte auch alles andere.

„Aber wie kann das sein?“, fragte der Nachtelf. „Und was sollen wir denn dann tun?“

„Erkennst du es denn nicht?“, rief der grüne Drache und schlug fester mit den Flügeln. „Kannst du die Falschheit nicht spüren? Sieh nach vorn... und blicke hinein!“

Broll gehorchte... und im Nebel vor ihm, kaum erkennbar, bildete sich ein Schatten. Der Schatten eines Baumes. Ein derart verderbter Baum, wie ihn die Natur nie hätte hervorbringen können.

„Mein Shan’do ist dort unten“, knurrte der Nachtelf.

„Und der Grund für den Albtraum“, fügte der Drache hinzu.

Von ihrem Standpunkt aus gesehen war der Albtraum eine riesige grau-grüne Masse, die pulsierte, als würde sie leben. Einige Gestalten bewegten sich darin, beunruhigende Gestalten, die man nicht genau erkennen konnte. Dennoch wirkten sie wie etwas, das Broll hätte erkennen müssen. Er fragte sich, warum sie sich versteckten und was geschehen würde, wenn sie sich irgendwann zeigten. Der Druide erschauderte.

Der Albtraum war mit mächtigen Blitzen von Magie erfüllt, die nicht smaragdgrün leuchteten, sondern von einem unreinen Grün waren, vermischt mit einem blutigen Purpurrot und anderen Farben. Broll konnte spüren, dass die smaragdgrünen Blitze von den Verteidigern kamen... die anderen, das konnte er nur vermuten, stammten aus einer düsteren Quelle.

Broll erkannte, dass erstaunliche Kräfte am Werk waren und wusste, dass alles, was er sah, nur ein Abglanz jenes mächtigen Zaubers war, der hier wirkte. Doch trotz aller Bemühungen wollte der Albtraum offensichtlich nicht weichen. An manchen Stellen, wie der, auf die sie zuflogen, wirkte er sogar noch dunkler.

Alles ist so dunkel... und dennoch wirkt der Schattenwurf deutlicher denn je..., dachte der Nachtelf.

Aber wo befand sich der Baum, der dafür verantwortlich war?

„Das ist eine Frage von großer Bedeutung“, antwortete der Drache, als hätte Broll seinen Gedanken laut ausgesprochen. In besorgterem Tonfall fügte er hinzu: „Wäre Ysera hier, könnte sie uns vielleicht einiges erzählen...“

Der Druide zuckte zusammen, als plötzlich etwas anderes offensichtlich wurde. Das Flüstern war nun selbst hier in der Luft zu vernehmen. Es klang wild und verlangend.

„Etwas stimmt nicht! Wir sollten besser...“

Doch der Drache hatte die Gefahr auch gespürt. Er leitete ein Manöver ein, um der bislang unbekannten Gefahr auszuweichen.

Was bislang reines Flüstern gewesen war, entwickelte sich nun zu Schreien. Es waren so viele, und sie waren so laut, dass Broll sich die Ohren zuhalten musste. Dennoch konnte er immer noch nicht verstehen, was sie sagten. Der Druide zitterte unkontrolliert, und selbst der Drache war während des Fluges angespannt.

Ein großer schwarzer Abgrund öffnete sich vor ihnen.

Der Druide blinzelte. Nein, es war kein Abgrund.

Es war ein riesiges, schreckliches Maul.

Und aus dessen Tiefe stiegen die Schreie auf, die noch kräftiger klangen als zuvor. Obwohl er die Worte nicht verstehen konnte, spürte der Druide die Furcht, die vom Albtraumlord auch als Waffe gegen Broll und den Drachen benutzt wurde.

Der Druide bemerkte, dass der grüne Drache nicht mehr versuchte, sich vorwärtszubewegen. Er schlug fest mit den Flügeln, um zu fliehen. Aber trotz aller Anstrengung bewegten sie sich immer noch auf den fürchterlichen Schlund zu.

„Es... es ist die Macht ihrer Angst – die Angst der schreienden Stimmen – die uns anzieht!“, brüllte der Drache. „Was für eine Kraft!

Es ist, als ob ich gegen Tausende gleichzeitig kämpfen würde. Es ist zu stark. Ich kann nicht fliehen, nur versuchen, so weit wie möglich davon entfernt zu bleiben!“

„Wie wäre es mit einem Zauber?“

„Wenn ich mich darauf konzentriere – sind wir im Schlund verschwunden, bevor ich... ich ihn beenden kann!“

Broll hatte allerdings gar nicht gemeint, dass der Drache einen Zauber wirken sollte. Es war offensichtlich, dass die Flugechse trotz ihrer enormen Fähigkeiten ihre ganze Konzentration brauchte, um sich dem Sog entgegenzustemmen. Genau das war die Absicht hinter diesem Angriff gewesen, erkannte Broll.

Doch dann kam ihm eine Idee, und zwar so plötzlich, dass Broll sich selbst darüber wunderte. Er wusste nicht, ob sie funktionierte, aber er würde es ausprobieren.

Und während seine Begleiterin gegen die physische Wut des kreischenden Schlunds ankämpfte, kanalisierte der Druide seinen ungewöhnlichen Zauber. Eigentlich war es ein Heilzauber, ein Zauber der Stille.

Er konzentrierte sich und versuchte, sich daran zu erinnern, was sein Shan’do ihm beigebracht hatte. Dabei konnte Broll Malfurions Stimme beinahe hören.

Das Geheimnis des Zaubers der Stille ist, den friedvollsten und fürsorglichsten Teil der Natur Azeroths einzusetzen... die Natur des Smaragdgrünen Traums...

Sie waren jetzt beinahe bei dem dunklen Maul angekommen. Broll spürte, dass sie gerade nah genug heran waren, um seinem Plan Aussicht auf Erfolg zu geben. Gleichzeitig durften sie nicht mehr länger warten, sonst würden sie verschlungen werden. Der Druide verinnerlichte sich den Teil des Traums, der noch rein geblieben war.

Er wirkte den Zauber.

Der Spruch war eigentlich nur schwach, verglichen mit der Macht des Bösen und seiner Furcht. Broll glaubte nicht im Entferntesten daran, den düsteren Schlund vernichten zu können.

Er wollte dem Drachen nur eine Chance zur Flucht verschaffen.

„Haltet Euch bereit!“, ermahnte der Druide ihn.

Alles hing davon ab, ob Brolls Annahmen über die Schreie richtig waren. Dabei wies vieles darauf hin, dass der Albtraum einen Großteil seiner Stärke aus den wachsenden Legionen von Unschuldigen zog, die ihm zum Opfer fielen, wenn die Erschöpfung sie schließlich übermannte. Der Albtraum benutzte die dunkelsten Gefühle, um seine furchterregenden Visionen zu erschaffen. Und diese Furcht war das, was Broll und den Drachen gerade angriff.

Der Zauber berührte einen der kaum erkennbaren Schemen – gefolterte Sklaven des Albtraums.

Für einen kurzen Augenblick – einen winzigen Augenblick nur -schwand die Kontrolle ein wenig, die der Albtraum über die schreienden Stimmen hatte.

Der Drache brüllte laut, als er sich selbst von dem Abgrund fortkatapultierte. Broll hielt sich an seinem dicken Hals fest und bemühte sich gleichzeitig, nicht hinunterzufallen. Der smaragdgrüne Riese schlug immer wieder mit den Flügeln, bis das dunkle Maul nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war.