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Doch so schnell der Zauber gewirkt hatte, so schnell hörte er auch wieder auf. Der schreckliche Schlund wurde wieder größer und zog sie erneut an.

Da erschien eine riesige smaragdgrüne Gestalt zwischen den beiden und dem Albtraum. Sie breitete ihre Flügel aus. Ein wundersames Leuchten ging von ihnen aus. Es erinnerte den Druiden daran, wie dieses Reich einst – vor dem Angriff des Albtraums – gewesen war.

Hinfort mit dir!, rief die Gestalt dem Albtraum entgegen. Hinfort!

Hinter dem riesigen Drachen erschienen weitere Mitglieder der grünen Sippe. Doch so mächtig sie auch gemeinsam wirken mochten, verblassten sie doch vor der unglaublichen Kraft des riesigen Drachen.

Der Abgrund wich ein wenig zurück. Die Schreie verklangen. Obwohl sie nicht besiegt waren, war das Gekreische nun auf ein erträgliches Maß gedämpft.

Ysera, die Herrin des Smaragdgrünen Traums, hatte Malfurions Ruf erhört und war erschienen.

17

Der Albtraum wird enthüllt

Lucan war bis auf einen launischen grünen Drachen allein im Nebel. Zudem saß er rittlings auf dem Hals der Flugechse, was Eranikus offensichtlich noch weniger leiden konnte als den Kartografen selbst.

„Wir hätten uns nicht aufteilen sollen!“, knurrte Eranikus. „Nicht hier! Nicht jetzt!“

Der Kartograf sagte nichts. Er fühlte sich wertlos. Bislang war er nur von einem Ort zum anderen geflohen, um seinen stetig schlimmer werdenden Albträumen zu entkommen. Dann hatte ihn eine mächtige Gestalt nach der anderen herumgeschubst. Jeder behandelte ihn bestenfalls wie ein Kleinkind.

Und jetzt war er ausgerechnet an einem Ort, wo das bisschen Begabung, das er als Hilfs-Kartograf hatte, auch noch so gut wie nutzlos schien.

Der grüne Drache blickte in die düstere Welt hinein, seine Wut schwoll immer mehr an. Viel davon war reine Verbitterung gegen sich selbst. „Ich hätte für sie da sein müssen, aber nein, ich habe versagt! Jetzt ist sie irgendwo dort draußen und muss sich dem Albtraum ohne mich stellen!“

Lucan hütete sich, das zu kommentieren. Was hätte er auch sagen sollen? Er war ein Nichts... nein, weniger als das.

Eranikus stieß ein weiteres Knurren aus, doch war es diesmal gegen den Albtraum gerichtet. „Was schränkt unsere Sicht nur so ein? Welch Hinterlist hält dieser Albtraum noch bereit... und warum?“

Der Mensch öffnete den Mund und wollte einen Vorschlag machen, doch dann schloss er ihn schnell wieder. Seine Ideen waren wohl kaum von Belang.

Doch plötzlich hatte er einen Einfall. Lucan konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht laut mit der Idee herauszuplatzen. Das Einzige, was ihn davon abhielt, war das Wissen, dass der Drache ihm solch eine Sache nie erlauben würde, selbst wenn es möglich sein sollte... oder zumindest einen Versuch wert war.

Aber schließlich konnte sich Lucan nicht mehr zurückhalten. Er war mehr als einmal von anderen gerettet worden. Es war an der Zeit, dass er etwas zurückzahlte, indem er seine wundersamen Fähigkeiten zu ihrem Vorteil einsetzte. Im schlimmsten Fall wurden die anderen dadurch von seinem erbärmlichen Dasein erlöst.

Lucan konzentrierte sich. Zuerst stiegen Bilder von Sturmwind in ihm auf. Er sah seinen schmächtigen Meister, Lord Edrias Utnur, den obersten Kartografen Seiner Majestät König Varian, der missbilligend auf Lucans Arbeit blickte... dieselbe Arbeit, die Edrias später ohne Änderungen unterzeichnen würde. Er sah die feinen Höflinge, die die Karten des Königs bewunderten, die zwar Lucan angefertigt hatte, für die aber sein Vorgesetzter sämtliche Meriten einstreichen würde. Und er sah die feinen Damen, vor allem zwei ganz besondere, die in sein Leben hinein- und wieder hinausgetreten waren, ohne es zu wissen.

Erst als Eranikus etwas sagte, wurde Lucan aus diesen Tagträumen von Versagen und Bedauern herausgerissen. Es war ihm egal, worüber sich der Drache jetzt schon wieder aufregte. Eranikus war sogar noch verbitterter als Lucan selbst.

Lucan versuchte, sich erneut zu konzentrieren. Dieses Mal fokussierte sich der Kartograf auf die Person, die er suchte. Augenblicklich erschien das Bild in seinem Geist, und zwar mit solcher Schärfe, dass er wusste, er war auf der richtigen Spur.

Eranikus brüllte jetzt mit großer Freude in der Stimme, doch was auch immer der geflügelte Riese Lucan mitteilen wollte, es ging verloren.

Denn der Kartograf war bereits verschwunden.

Sie ist nah... sehr nah..., dachte Malfurion unruhig. Aber weiß er es, und weiß er auch, warum?

Trotz seiner furchtbaren Gefangenschaft hatte sich Malfurion bislang im Verborgenen sehr bemüht, mitzubekommen, wie es den Kämpfern gegen den Albtraum erging. Er wagte nicht, sie direkt zu kontaktieren. Stattdessen hatte er bis zu dem Moment gewartet, an dem seine Pläne Früchte trugen. Nur die Herrin dieses Reichs wusste, was er plante und dass sein Plan lediglich auf einem flüchtigen Gedanken basierte.

Und jetzt hatte Ysera ihre Drachensippe mobilisiert. Sie, die Druiden und einige andere Beschützer von Azeroth hatten einen Großangriff gestartet, der aber zum Scheitern verurteilt war, wenn er die Dinge nicht perfekt durchdacht hatte.

Bevor nicht sie mit ihm Kontakt aufnahm, wusste Malfurion nicht, ob es geklappt hatte.

Er spürte, dass der Albtraumlord in der Nähe war. Doch der düstere Schatten schien mit den Drachen und den anderen Kämpfern beschäftigt zu sein. Malfurion gab sein Bestes, um so unbemerkt wie möglich ihr Nahen zu verbergen. Es war wichtig, dass die Orcfrau ihn kontaktierte und handelte, ohne dass der Schatten davon wusste.

Etwas bewegte sich durch den immer dichter werdenden Nebel. Der Erzdruide betete darum, dass nur er es spüren konnte. So raffiniert wie möglich verhinderte Malfurion, dass die Orcfrau bemerkte, was wirklich um sie herum lauerte.

Sie trat auf die kleine Lichtung, die ihn umgab.

Die Orcfrau lächelte, als der Blick ihrer tief liegenden Augen auf den Baum fiel. Sie sah nicht den Baum. Stattdessen meinte sie, vor Malfurion Sturmgrimm, dem Erzdruiden, dem ruchlosen Mörder und Verderber von Azeroth zu stehen, der trotzig lächelnd zurückblickte. Es war eine Illusion für sie, und nur für sie. Eine, die Malfurion sorgfältig entworfen hatte, so wie jede der vorherigen Visionen, mit deren Hilfe er sie hierher gelockt hatte.

Malfurion empfand darüber keinen Triumph. Er riskierte sowohl ihre Seele als auch ihr Leben. Doch auf der verzweifelten Suche nach jemandem, der ihn befreien konnte, hatte er Brox’ magische Axt gespürt. Malfurion wusste, wie sie wieder bei den Orcs gelandet war, obwohl er von der Geschichte erst Tausende Jahre später erfahren hatte. Der rote Drache, Korialstrasz – einigen wenigen Auserwählten auch als der Magier Krasus bekannt – hatte sie in der Verkleidung eines ältlichen Orcschamanen zurückgebracht. Damit wollte er Brox Ehre erweisen für das große Opfer, das der Orc erbracht hatte, als er gegen den Dämonenlord Sargeras kämpfte.

Doch die Axt war von größerer Kraft, als die Orcs ahnten. Niemand wusste das besser als Malfurion. Sein eigener Shan’do hatte sie mit Kräften versehen, die an die Welt selbst gebunden waren. Kräfte, die die Axt so sehr zu einem Teil von Azeroth machten wie Wasser, Land und Luft.

Und mit dieser Axt hoffte Malfurion, den Albtraumlord zu besiegen und sich selbst zu befreien.

Thura näherte sich ihm. Sie stellte nicht infrage, was sie sah. Der Druide hatte ihre Träume viel zu lange beeinflusst. Thura nahm alles als gegeben hin, was er ihr vorgaukelte. Das erfüllte ihn mit noch mehr Bedauern. Er hatte ihren Geist missbraucht, wenn auch aus gutem Grund.

„Nachtelf“, knurrte sie mit dunkler Stimme. „Du hast mein Volk bedroht, meine Welt! Und das Blut meines Klans klebt an deinen unehrenhaften Händen! Ich bin hier, um dir ein Ende zu setzen!“