Выбрать главу

Dann erklang ein Geräusch wie heftiger Regen. Broll riss seinen Blick von dem verfaulenden Stamm los und blickte wieder in die Krone.

Was er für Regen gehalten hatte, erwies sich als ein noch heftigeres Rauschen der Blätter. Die Äste schwangen vor und zurück, bewegten sich nun mit solcher Kraft, als wollten sie sich selbst von den düsteren Blättern befreien.

Und sie hatten Erfolg. Tausende der verderbten Blätter begannen zu fallen. Es war tatsächlich ein Regen, obwohl die Tropfen nicht aus Wasser bestanden.

Die fallenden Blätter hatten sich ebenfalls verwandelt. Sie wurden zu kleinen schwarzen und smaragdgrünen Kreaturen, die ein wenig an Nachtelfen erinnerten. Doch sie hatten Beine wie Tiere und gebeugte Rücken wie die Tauren. Es waren fürchterliche Gestalten, ohne feste Gesichtszüge auf ihren schmalen Köpfen. Dafür prangten dort bösartig aussehende gebogene Hörner. Sie stießen ein nervtötendes Zischen aus und fielen in endlosen Strömen auf die beiden Druiden herab...

„Broll Bärenfell, ist alles in Ordnung?“

Aufgeschreckt taumelte der Nachtelf zurück. Doch als er die Fassung zurückgewann und seine Augen öffnete, stellte er fest, dass der Weltenbaum wieder seine normale Gestalt angenommen hatte. Die Äste waren ruhig, und die Blätter wieder satt und grün.

Hamuul beugte sich vor. Besorgnis lag auf dem Gesicht des Tauren. Broll nickte verspätet, und als ein Horn erklang, war er dankbar, dass er nicht erklären oder verstehen musste, was gerade geschehen war.

„Wir müssen weiter“, drängte Broll. „Das Treffen beginnt schon.“

Der Tauren blinzelte und folgte dem Nachtelfen. Wenig später kamen sie in Sichtweite des Ortes, wo Fandral die Versammlung abhalten wollte.

Es waren mehr Druiden anwesend, als Broll je auf einem anderen Treffen gesehen hatte, und immer noch kamen weitere aus allen Richtungen hinzu. Zwei erregten augenblicklich sein Interesse. Eine mürrische junge Frau unterhielt sich mit einem Mann, der nach außen zufrieden wirkte und viel Macht ausstrahlte. Ständig knetete er seine Hände, als furchte er sich vor irgendetwas. Elerethe Renferal und Naralex waren Leidensgenossen, selbst wenn die Gründe für beide jeweils andere waren. Elerethe hatte während des letzten Krieges zwischen Allianz und Horde die Fauna und Flora des Alteractals retten wollen. Aber sie konnte das Blutbad nicht verhindern, für das nicht allein die beiden kämpfenden Armeen verantwortlich waren, sondern auch ein Orcschamane. Nach dem Krieg hatte sie gelobt, das Tal zu retten. Jetzt, mehrere Jahre später, versuchte sie es immer noch.

Naralex war das Opfer seiner großen Ambitionen geworden. Er wollte Leben an einen Ort zu bringen, der lange leblos gewesen war. Begleitet von einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter war er in das trostlose Brachland gezogen und hatte mit einem klugen Zauberspruch Wasser zutage gefördert, das tief unter dem ausgetrockneten Boden verborgen geruht hatte. So hatte er eine Handvoll Oasen erschaffen. Doch dann hatte etwas Böses nicht nur die Kontrolle über seine Arbeit übernommen, sondern auch von dem völlig unvorbereiteten Naralex und vielen seiner Begleiter Besitz ergriffen. Die Druiden waren korrumpiert worden. Böse Versionen ihrer selbst mit keinem anderen Verlangen, als der Finsternis zu dienen. Naralex selbst war dem Wahnsinn verfallen. Doch dann hatte er wieder zur Vernunft gefunden, nur um kurz darauf erneut im Wahnsinn zu landen und immer so weiter. Rettung hatte er nur durch die unerwartete Hilfe einer Gruppe von Abenteurern erfahren.

Als sein Geist wieder mehr oder weniger klar war, wusste Naralex nicht, was ihn oder die anderen besessen hatte. Und auch wenn es im Brachland derzeit ruhig war, war auf Fandrals Befehl hin weder er noch irgendjemand anderes jemals dorthin zurückgekehrt. Der Erzdruide sah keine Notwendigkeit, ihre Leben oder Energien für einen Ort zu riskieren, den die Große Teilung am Ende des Kriegs der Ahnen in eine Wüste verwandelt hatte. Nach Fandrals Auffassung hatten selbst ausgetrocknete Landstriche auf Azeroth ihren Sinn und Zweck.

Ihre Blicke und die einiger anderer richteten sich auf die Neuankömmlinge... und erinnerten Broll wieder an seinen Makel. Je mehr ein Druide mit der Natur und seiner Berufung in Einklang stand, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass seine Augen den goldenen Glanz von Azeroths Leben annahmen. Große Druiden waren so ausgezeichnet worden.

Doch Broll Bärenfells Augen blieben schmutzig-braun mit einem nur schwachen blauen Leuchten. Es wirkte derart weit entrückt, dass es nur sehr wenig bedeutete.

Broll schüttelte seine Frustration ab und ging auf die beiden zu, dann aber ertönte ein zweites Horn. Die versammelten Druiden blickten allesamt in die Richtung des Geräuschs. Ein einzelner Druide mit einem grünen Band auf seinem linken Unterarm senkte das Ziegenhorn, dann blickte er Teldrassil an.

Die raue Borke, auf die der Hornbläser blickte, bewegte sich. Broll erschauderte und erinnerte sich augenblicklich an seine bizarre Vision. Dann teilte sich die Rinde und öffnete sich gerade weit genug, damit ein Nachtelf eintreten konnte... oder, wie in diesem Fall, herauskommen konnte.

Die Druiden senkten respektvoll die Köpfe, als Fandral Hirschhaupt erschien. Er hatte die Haltung von jemandem, der alles unter Kontrolle hat. Seine Augen leuchteten golden, während er vielen der Versammelten zunickte. Fandral trug einfachere Kleidung als die meisten anderen. Sein Oberkörper war nur an den Schultern von einer schützenden Holzrüstung bedeckt, die wie die Köpfe von Bestien geformt war. Selbst deren leuchtende Augen waren eingearbeitet. Seine Hände steckten in gewebten Handschuhen ohne Fingerkuppen, die bis zum Ellbogen reichten, wo sie in hölzernen Enden ausliefen.

Fandral ging barfuß. Das tat er, um seine Einheit mit der Natur zu demonstrieren. Als einziges Zeichen seiner Extravaganz trug er um die Hüfte einen verzierten Gürtel mit einer großen rubinroten Schnalle und einem dekorativen, mehrteiligen Ring, der daran hing. Um jede Seite des Gürtels waren Borkenstückchen gewickelt.

„Der Wald ist der Lebensnerv der Welt“, intonierte Fandral.

„Der Wald ist der Lebensnerv der Welt“, wiederholten Broll und die anderen Druiden.

„Teldrassil ist der Lebensnerv der Welt...“

Broll und der Rest wiederholten erneut seine Gesangsvorgabe.

„Ich bin froh, dass so viele von Euch so schnell zu dieser Zusammenkunft erschienen sind“, sagte der Erzdruide dann. „Ich muss Eure schlimmsten Befürchtungen bestätigen. Teldrassil ist krank...“

Die Druiden blickten einander ängstlich an. Eigentlich war das, was Fandral ihnen verkündet hatte, keine große Überraschung. Dennoch war es schockierend, den Erzdruiden so offen darüber sprechen zu hören. Obwohl beinahe alle Druiden an seiner Erschaffung mitgewirkt halten, war Teldrassil hauptsächlich Fandrals Werk, und mehr als alle anderen wachte er über dessen Gesundheit.

Fandral Hirschhaupt war der Erste gewesen, der den zweiten Weltenbaum vorgeschlagen hatte. Malfurion hatte den Vorschlag allerdings abgelehnt, sodass er zunächst nicht umgesetzt wurde. Doch trotz Malfurions Opposition blieb Fandrals Loyalität bestehen. Erst nachdem das schreckliche Schicksal des großen Erzdruiden bekannt geworden war, hatte Fandral die Führung übernommen. Dabei hatte es nur wenig Protest von den anderen gegeben. Seine vorrangige Aufgabe, so hatte er feierlich verkündet, war es, ihren geliebten Shan’do zu retten.

Unter seiner Führung hatten die älteren Druiden vom Zirkel des Cenarius entschieden, dass Malfurions reglose Gestalt in der Gruft auf der Mondlichtung bleiben sollte. Dort, umgeben von den natürlichen Energien der Welt und der magischen Pflege der Schwestern von Elune, verhungerte der Körper nicht oder litt unter Wassermangel. Darauf gründete sich die Hoffnung, dass Malfurion mächtig genug war, um nach so langer Zeit doch noch zurückkehren zu können.