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Was die Redekunst anging, hätte er Billy Sunday, den Meister der englischen Kraftausdrücke, um Meilen geschlagen. Denn in Abel Ah Yo steckten die Verben, Substantive, Adjektive und Metaphern von vier lebendigen Sprachen. Mit diesem munteren, kunterbunten Sprachengemisch verfügte er über ein unerschöpfliches Reservoir an Ausdrucksmöglichkeiten, das eine Myriade von Billy Sundays nicht hätte ausschöpfen können. Ohne bestimmte Rassenzugehörigkeit, ein Bastard par excellence, aus verschiedenartigen fremden Elementen zusammengestückelt, besaß Abel Ah Yo die besonderen Fähigkeiten der jeweiligen Beimischungen im höchsten Maße. Wie ein Chamäleon schwankte und changierte er eindrucksvoll zwischen den unterschiedlichsten Anteilen seiner Persönlichkeit hin und her, verblüffte durch frontalen Angriff, überraschte durch Vorstöße über die Flanken und umgarnte die schlichteren Gemüter, die in seine Erweckungsversammlung kamen, um ihm zu Füßen zu sitzen und sich an seiner Glut zu entzünden.

Abel Ah Yo glaubte an sich und die Mischung, aus der er bestand, so wie er auch der wirren Überzeugung war, daß Gott ihm ebenso glich wie jedem anderen Menschen auch, da er nicht nur der Gott eines Stammes, sondern der ganzen Welt war, also allen Rassen der Welt ähnlich sein mußte, selbst wenn er dadurch gescheckt aussähe. Und dieses Konzept funktionierte. Chinesen, Koreaner, Japaner, Hawaiianer, Puertoricaner, Russen, Engländer, Franzosen - Angehörige aller Rassen - knieten einträchtig nebeneinander vor seiner überarbeiteten Gottesausgabe.

Abel Ah Yo, der selbst im zarten Jugendalter zum Abtrünnigen der anglikanischen Kirche geworden war, hatte jahrelang unter der Vorstellung gelitten, ein Judas zu sein. Im Grunde seines Wesens gottesfürchtig, hatte er den Herrn verleugnet. Deshalb war er wie Judas. Judas wurde verdammt. Weshalb auch ihn, Abel Ah Yo, dieses Schicksal erwartete; aber er wollte nicht verdammt sein. Also wand und krümmte er sich, wie es nun einmal Menschenart ist, um der Verdammung zu entgehen. Es kam der Tag, als er den Ausweg fand. Die Lehrmeinung, daß Judas verdammt worden sei, beschloß er, verfälschte den Ratschluß Gottes, der vor allem für Gerechtigkeit stand. Judas war Gottes Diener gewesen, speziell von ihm ausgewählt, um eine besonders undankbare Aufgabe zu übernehmen. Deshalb war Judas, der stets Pflichtgetreue, ein Verräter im göttlichen Auftrag und also ein Heiliger. Ergo war er, Abel Ah Yo, eben durch seinen Abfall und Übertritt zu einer bestimmten Sekte, auch ein Heiliger und konnte jederzeit ohne Schwierigkeiten Gehör bei Gott finden.

Diese Theorie wurde zu einem der wichtigsten Dogmen seiner Lehre und war besonders dazu angetan, das Gewissen all der Abtrünnigen anderer Glaubensrichtungen zu erleichtern, die in der Verborgenheit ihres Unbewußten sonst unter Judas’ Sündenlast zusammengebrochen wären. Für Abel Ah Yo war Gottes Plan so klar, als hätte er, Abel Ah Yo, ihn selbst aufgestellt. Alle würden am Ende gerettet werden, wenn es auch bei manchen länger dauern mochte als bei anderen und sie nur die hinteren Sitze zugewiesen bekämen. Der Platz des Menschen im ewig sich wandelnden Weltenchaos war festgelegt und vorherbestimmt - auch wenn dafür das Leugnen eines sich ewig wandelnden Chaos zum Beweis herzuhalten hatte. Denn das war ein bloßes Schreckgespenst der wirren Phantasie der Menschen. Und durch die eindringliche Kühnheit des Denkens und der Sprache, durch einen kraftvollen Slang, der mit seinem vertrauten Klang den direkten Zugang zur Gedankenwelt seiner Zuhörer eröffnete, verscheuchte er das Schreckgespenst aus ihren Köpfen, zeigte ihnen die liebevolle Klarheit des göttlichen Heilsplans und flößte ihnen dadurch heitere Gelassenheit und Seelenruhe ein.

Welche Chance hatte Alice Akana, selbst von reiner, unvermischter hawaiischer Abstammung, gegen seinen raffinierten, volkstümlich verbrämten, von vier Rassen erzeugten, mit Slang ausgerüsteten Angriff? Er wußte durch praktische Erfahrung beinahe ebensoviel wie sie über die Unberechenbarkeiten des Lebens und des Sündigens - da er in seiner Jugend als Sänger auf den Passagierschiffen zwischen Hawaii und Kalifornien und danach zu Wasser und zu Lande als Barkellner gearbeitet hatte, und zwar von San Franziscos Barbary Coast bis zu Heinie’s Tavern in Waikiki. Und tatsächlich hatte er eine Stelle als erster Barkellner in Honolulus Universitäts-Club aufgegeben, um zu seinen großen Erweckungspredigten aufzubrechen.

Als Alice Akana sich spottlustig dorthin verirrte, blieb sie, um zu Abel Ah Yos Erlöser zu beten, der ihrem praktischen Verstand als der vernünftigste Gott erschien, von dem sie je gehört hatte. Sie legte Geld in Abel Ah Yos Sammelteller, schloß das Hula-Haus, schickte die Tänzerinnen fort, damit sie auf umständlichere Weise ihren Lebensunterhalt verdienten, legte Festtagsfarben und -gewänder sowie die Blumengirlanden ab und kaufte eine Bibel.

Es war eine Zeit religiösen Eifers in den Armenvierteln Honolulus. Es war eine Bewegung des einfachen Volkes hin zu Gott. Leute von Rang und Namen waren eingeladen, kamen aber nie. Nur das dumme, das niedrige Volk kniete reuig auf der Büßerbank, die Leute gestanden ihre Schuld und Sündenlast ein, warfen sie ab und machten sich von all der Verwirrung frei, um fortan, gestützt auf den Arm von Abel Ah Yos Gott, wieder erhobenen Hauptes im Lichte der Sonne zu wandeln. Kurzum, Abel Ah Yos Erweckungsversammlung war eine Clearing-Stelle für Verfehlungen und Trübsal, wo Sünder von ihrer Last befreit und ihr Geist aufgeheitert und geheilt wurde.

Aber Alice war nicht glücklich. Ihre Last war nicht von ihr genommen worden. Zwar kaufte und verteilte sie Bibeln, spendete noch mehr Geld für den Kollektenteller, sang mit ihrer tiefen, herrlichen Altstimme bei allen Hymnen mit, wollte aber ihre Seele nicht erleichtern. Abel Ah Yo rang vergeblich mit ihr. Sie wollte nicht auf der Büßerbank niederknien, um die Dinge, die sie betrübten, auszusprechen - die schlimmen Geschichten über gute Freunde aus alten Zeiten. »Man kann nicht zwei Herren dienen«, sagte Abel Ah Yo zu ihr. »Die Hölle ist voll von Leuten, die es versucht haben. Ehrlichen und reinen Herzens mußt du deinen Frieden mit Gott machen. Nicht ehe du vor der versammelten Gemeinde Gott dein Herz offenbarst, kannst du der Erlösung teilhaftig werden. In der Zwischenzeit wirst du weiterhin an dem fressenden Krebsgeschwür der Sünde leiden, das du in dir trägst.«

Vom wissenschaftlichen Standpunkt hatte Abel Ah Yo recht, wenn er es auch nicht wußte und sich andauernd über die Wissenschaft lustig machte. Alice konnte nicht wieder wie ein unschuldiges Kind in das strahlende Gewand der Gnade Gottes gehüllt werden, bevor sie nicht all ihre Verderbtheiten, einschließlich derer, die sie mit anderen teilte, dadurch aus ihrer Seele getilgt hatte, daß sie sie aussprach. Nach Art der Protestanten mußte sie ihre Seele öffentlich entblößen, während es nach katholischem Ritus in der Intimität des Beichtstuhls geschieht. Das Ergebnis einer solchen Offenbarung würde Harmonie, Ruhe, Glück, Reinigung, Erlösung und ewiges Leben sein.

»Du hast die Wahl!« donnerte Abel Ah Yo. »Treue gegenüber Gott oder Treue gegenüber den Menschen.« Aber Alice konnte nicht wählen. Zu lange hatte sie ihre Zunge gehütet, um das Ansehen der Leute nicht zu gefährden. »Ich werde alles, was mich allein betrifft, beichten«, bot sie an. »Gott weiß, daß ich meiner Seele überdrüssig bin und sie gern wieder so rein hätte wie als kleines Mädchen in Kaneohe.«