Die Zeit verrann, und Abel Ah Yo kämpfte mit Alice um eine wahrhaft bußfertige Seele, während halb Honolulu boshaft oder besorgt auf den Ausgang wartete. Die Karneval swoche war längst vorüber, Polo- und Pferderennen kamen und gingen, und die Feierlichkeiten für den Unabhängigkeitstag am vierten Juli standen vor der Tür, ehe Abel Ah Yo durch brutale Psychologie die Festung ihres Widerstandes zum Einsturz brachte. Zu diesem Zeitpunkt hielt er seine berühmte Erweckungspredigt, die als Abel Ah Yos Definition der Ewigkeit bezeichnet werden könnte. Natürlich hatte er, wie auch Billy Sunday das bei bestimmten Gelegenheiten tat, diese Definition irgendwo abgekupfert. Aber niemand auf den Inseln wußte es, und die Wertschätzung, die er als Erweckungsprediger genoß, stieg um hundert Prozent.
So erfolgreich war seine Predigt an jenem Abend, daß er viele seiner Konvertiten abermals bekehrte, die um die Büßerbank herum niederfielen und stöhnten und sich zwischen Dutzenden von neuen, vom Pfingstfeuer erleuchteten Seelen nach vorn drängten. Zu ihnen gehörten eine halbe Kompanie von Negersoldaten des hier stationierten Fünfundzwanzigsten Infanterieregiments, ein Dutzend Reiter des Vierten Kavallerieregiments, die sich auf dem Weg zu den Philippinen befanden, ebensoviele betrunkene Besatzungsmitglieder von den Kriegsschiffen, mehrere Damen von Iwilei und die Hälfte des Gesindels, das sich am Strand herumtrieb.
Abel Ah Yo, der durch seine Rassenmischung ein feines Einfühlungsvermögen besaß und für den die menschliche Natur und viel mehr noch Alice Akana wie ein offenes Buch war, wußte einfach, was zu tun war, als er sich an diesem denkwürdigen Abend erhob und Gott, die Hölle und die Ewigkeit in Begriffen schilderte, die Alice Akana verstand. Denn ganz durch Zufall hatte er ihre Hauptschwäche entdeckt. Er fand heraus, daß ihr, die wie alle Polynesier eine glühende Naturverehrerin war, Erdbeben und Vulkanausbrüche Angst einjagten. Sie hatte früher einmal auf der Hauptinsel Hawaii Erschütterungen erlebt, bei denen die Grashütten, in denen sie schlief, über ihr zusammenstürzten, und sie hatte gesehen, wie Madame Pele rotglühende, flüssige Lava die Hänge des Mauna Loa hinabschleuderte und dadurch Fischteiche am Meeresufer zerstörte und Rinderherden, Dörfer und Menschen auf ihrer Feuerbahn verschlang.
In der vorhergehenden Nacht hatte ein leichtes Erdbeben Honolulu heimgesucht und Alice Akana eine schlaflose Nacht beschert. Und die Morgenzeitungen hatten berichtet, daß der Mauna Kea ausgebrochen sei und die Lava im großen Kilauea-Krater schnell stieg. So setzte sich Alice bei der Versammlung in ausgesprochen nervöser Verfassung auf einen der vorderen Plätze, denn ihre Aufmerksamkeit war zwischen den Schrecken dieser Welt und den Freuden der künftigen ewigen Welt heftig hin- und hergerissen.
Und Abel Ah Yo erhob sich und legte seinen Finger auf den wundesten Punkt ihrer Seele. Indem er die Natur Gottes klischeehaft schilderte, das Klischee jedoch mit seiner Sprachbegabung in Pidgin-Englisch und Pidgin-Hawaiisch wieder lebendig machte, beschrieb Abel Ah Yo den Tag, an dem selbst die unendliche Geduld des Herrn ein Ende haben würde. Dann befähle er Petrus, sein Hauptbuch zu schließen, trüge Gabriel auf, alle Seelen vor Gericht zu zitieren, und riefe mit Donnerstimme »Welakahao!«.
Abel Ah Yos vermenschlichte Gottheit, die den modernen hawaiischen Slangausdruck Welakahao beim Weltuntergang donnert, ist ein gutes Beispiel für die sprachlichen Mittel dieses Erweckungspredigers. Welakahao heißt wörtlich »heißes Eisen«. Dieser Begriff wurde in der Eisenhütte Honolulus von den Hunderten hawaiischer Männer geprägt, die dort beschäftigt waren und darunter »mit Hochdruck arbeiten«, »vorwärtsmachen« verstanden, da das Eisen heiß und damit die Zeit gekommen war, es zu schmieden.
»Und der Herr rief >Welakahao<, und der Tag des Jüngsten Gerichtes begann und war wikiwiki, also schnell, vorüber, so mir nichts, dir nichts; denn Petrus war ein besserer Buchhalter als irgendeiner von der Waterhouse Trust Company Limited, und noch dazu stimmten seine Bücher.«
Geschwind trennte Abel Ah Yo die Schafe von den Böcken und schickte die letzteren in die Hölle hinab.
»Und nun«, fragte er, wobei wir seine Predigt notgedrungen auf hochdeutsch wiedergeben, »wie sieht es in der Hölle aus? Ach, meine Freunde, laßt mich kurz schildern, was ich mit meinen eigenen Augen hier auf Erden schon von den Möglichkeiten der Hölle erblickt habe. Ich war ein junger Mann, ein Knabe noch, und ich war in Hilo. Der Morgen begann mit einem Erdbeben. Den ganzen Tag über hörte das riesige Gebiet nicht auf zu zittern, bis starke Männer seekrank wurden und Frauen sich an die Bäume klammerten, um nicht umzufallen, und selbst dem Vieh der Boden unter den Füßen fortgerissen wurde. Mit eigenen Augen sah ich ein junges Kälbchen, das so von den Beinen kam. Es folgte eine Nacht unbeschreiblichen Grauens. Das Land bewegte sich wie ein Kanu in einem Kona-Sturm. Ein Säugling wurde von seiner liebenden Mutter zu Tode getrampelt, als sie aus dem einstürzenden Haus floh und dabei auf ihn trat.
Der Himmel über uns stand in Flammen. Wir lasen in unseren Bibeln im Schein dieses Feuers, und die Buchstaben waren gut zu entziffern. Dabei hatten diese Missionsbibeln immer einen zu kleinen Druck. Sechzig Kilometer von uns entfernt brach das Innerste der Hölle aus den hohen Gipfeln heraus, und ein roter Blutstrom aus geschmolzenen Gesteinsmassen ergoß sich ins Meer. Der Himmel eine einzige Feuersbrunst und eine unter unseren Füßen Hula tanzende Erde
- das war ein zu schreckliches und erhabenes Schauspiel, um daran Gefallen zu finden. Wir konnten an nichts anderes mehr denken als an die dünne, Blasen werfende Erdschale zwischen uns und dem ewigen Feuer- und Schwefelsee und an Gott, den wir um Rettung anflehten. Unter uns befanden sich ernste und gottesfürchtige Seelen, die an Ort und Stelle ihren Pastoren versprachen, nicht nur ihren knappen Kirchenzehnten, sondern fünf Zehntel ihres gesamten Vermögens der Kirche zu geben, wenn nur der Herr sie zum Spenden am Leben lassen würde.
Und, meine Freunde, Gott errettete uns. Doch zuerst gab er uns einen Vorgeschmack dieser Hölle, die sich an jenem Jüngsten Tag für uns auftun wird, wenn er mit Donnerstimme >Welakahao!< ruft. Wenn das Eisen heiß ist! Denkt daran! Wenn das Eisen heiß ist für die Sünder!
Am dritten Tag, nachdem sich alles etwas beruhigt hatte, machten sich mein Freund, der Prediger, und ich, die wir uns sicher in Gottes Hand wußten, auf den Weg hinauf zum Mauna Loa und blickten in den furchtbaren Kilauea-Krater. Wir starrten hinunter in den bodenlosen Abgrund zu dem Feuersee tief unter uns, der toste und mit brennender Gischt gekrönte Wellen schlug und Hunderte von Metern hohe Fontänen emporschleuderte, wie das Feuerwerk am vierten Juli, das ihr alle schon gesehen habt; und während der ganzen Zeit rangen wir mühsam nach Luft und waren ganz benommen von den aufsteigenden Rauch- und Schwefelschwaden.
Und ich sage euch, kein frommer Mensch konnte auf diese Szene hinunterblicken, ohne ein genaues Abbild des biblischen Höllenschlundes zu erkennen. Glaubt mir, das, was die Verfasser des Neuen Testaments schrieben, war nicht gelogen. Was mich betrifft, so waren meine Augen unverwandt auf das Schauspiel unter mir gerichtet, und ich stand stumm und zitternd vor der Gewalt, der Erhabenheit und der Schrecklichkeit Gottes des Allmächtigen - ganz gewärtig der Mittel seines Zorns und der ungenannten Greuel, die über die bis zuletzt Unbußfertigen, die ihre Sünden nicht bekannt und keinen Frieden mit dem Schöpfer gemacht haben, hereinbrechen werden.
Aber, meine Freunde, denkt ihr etwa, unsere dem Heidentum verfallenen Fremdenführer, unsere eingeborenen Diener, wären von einem solchen Schauspiel beeindruckt gewesen? Keineswegs. Der Teufel hatte sie im Griff. Gänzlich unbekümmert und gleichgültig hatten sie nur ihr Abendessen im Sinn, schwatzten über ihren rohen Fisch und streckten sich auf ihren Matten zum Schlafen aus. Kinder des Teufels waren sie, unempfänglich für die Schönheiten, die Erhabenheit und die entsetzliche Schrecklichkeit von Gottes Werken. Doch ihr, an die ich jetzt das Wort richte, seid keine Heiden. Was ist ein Heide? Er ist einer, der höheren Ideen und höheren Empfindungen gegenüber eine törichte Unbekümmertheit an den Tag legt. Wenn man sein Interesse wecken will, fordere man ihn nicht auf, in den Höllenschlund hinabzublicken, sondern offeriere ihm eine Kalebasse Poi, einen rohen Fisch oder lade ihn zu irgendwelchen niedrigen, gewöhnlichen und sinnenfrohen Vergnügungen ein. Ach, meine Freunde, wie verloren sind sie für alles, was die unsterbliche Seele erhöht! Doch der Prediger und ich, traurig und zutiefst von ihnen angewidert, blickten hinab in die Hölle. Ah, meine Freunde, es war die Hölle, die Hölle aus der Heiligen Schrift, die Hölle der ewigen Qualen für die Unwürdigen.«