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Alice Akana befand sich in einer Exstase oder Hysterie des Schreckens. Sie murmelte zusammenhangslos vor sich hin: »O Herr, ich will neun Zehntel meines gesamten Besitzes spenden. Ich will alles spenden. Ich will sogar die zwei Ballen Pina-Tuch, den Mandarinumhang und das ganze Dutzend Seidenstrümpfe geben.«

Als sie wieder zuhören konnte, war Abel Ah Yo gerade dabei, seine berühmte Definition der Ewigkeit vom Stapel zu lassen.

»Die Ewigkeit ist lang, meine Freunde. Gott lebt, und deshalb lebt Gott in der Ewigkeit. Und Gott ist sehr alt. Die Höllenfeuer sind so alt und immerwährend wie Gott. Wie sonst könnte es immerwährende Qualen für jene Sünder geben, die von Gott am Jüngsten Tage in den Höllenschlund gestoßen werden, um für immer und ewig zu brennen? Oh, meine Freunde, euer Verstand ist zu klein - zu klein, um die Ewigkeit zu erfassen. Und doch ist es mir durch Gottes Gnade beschieden, euch eine Vorstellung von einem kleinen Stück Ewigkeit zu vermitteln.

Die Sandkörner am Strand von Waikiki sind so zahlreich wie die Sterne und noch zahlreicher. Kein Mensch kann sie zählen.

Wenn er eine Million Leben hätte, um sie zu zählen, müßte er um noch mehr Zeit bitten. Nun stellen wir uns einen kleinen, niedlichen alten Hirtenstar mit einer gebrochenen Schwinge vor, der nicht fliegen kann. In Waikiki nimmt der flügellahme Hirtenstar ein Sandkorn in den Schnabel und hüpft und hüpft den ganzen Tag, viele Tage, die Strecke bis Pearl Harbor und läßt dieses eine Sandkorn aus seinem Schnabel in den Hafen fallen. Dann hüpft er den ganzen Tag und viele Tage lang den ganzen Weg zurück nach Waikiki, um noch ein Sandkorn zu holen. Und wieder hüpft er den ganzen Weg zurück nach Pearl Harbor. Und er macht das über Jahre, Jahrhunderte und Tausende und Abertausende von Jahrhunderten hinweg, bis schließlich kein einziges Sandkorn mehr am Strand von Waikiki übrigbleibt und Pearl Harbor mit Land aufgefüllt ist, auf dem Kokosnüsse und Ananas gedeihen. Und dann, meine Freunde, selbst dann würde in der Hölle noch nicht einmal Sonnenaufgang sein!«

Hier, angesichts der überwältigenden Wirkung einer so abrupten Klimax und unfähig, der unverfälschten Klarheit und Objektivität einer so kunstvollen Bemessung eines winzigen Stückchens Ewigkeit zu widerstehen, brach Alice Akanas geistiger Widerstand zusammen und löste sich in Luft auf. Sie erhob sich, wankte blind umher und sank bei der Büßerbank auf die Knie. Abel Ah Yo hatte seine Predigt zwar noch nicht zu Ende gebracht, aber er verstand sich auf die Psychologie der Massen und fühlte die Glut des pfingstlichen Feuers, das seine Zuhörer versengte. Er forderte seine Sänger zu einer mitreißenden Erweckungshymne auf und stieg hinunter, um inmitten der Halleluja rufenden Negersoldaten auf Alice Akana zuzuschreiten. Und ehe die Erregung nachzulassen begann, sanken neun Zehntel seiner Gemeinde und alle von ihm Bekehrten auf die Knie und beteten und schrien laut ein gewaltiges Quantum an Zerknirschung und Sünde hinaus.

Die Nachricht, daß Alice sich schließlich doch anschickte, in der Versammlung zu beichten, erreichte per Telefon fast gleichzeitig den Pacific- und den Universitäts-Club, und mit Privatwagen und Taxis überschwemmten jene, die Rang und Namen besaßen, zum ersten Mal Abel Ah Yos Erweckungsversammlung. Jenen, die zuerst gekommen waren, bot sich der seltsame Anblick von Hawaiianern, Chinesen und all den bunten Rassenmischungen des Schmelztiegels Hawaii, von Männern und Frauen, die durch die Ausgänge von Abel Ah Yos Bethaus verschwanden und sich fortschlichen. Doch es waren meist Männer, die sich davonstahlen, während jene, die blieben, mit begierigem Gesichtsausdruck an Alice Akanas Lippen hingen.

Nie zuvor war im ganzen nördlichen und südlichen Pazifik ein so schrecklicher und verdammungswürdiger Bericht über eine Gesellschaft erstattet worden wie der, den Alice Akana, die reuige Phryne von Honolulu, nun hören ließ.

»Ha!« hörten die zuerst Eingetroffenen sie sagen, nachdem sie schon die meisten der kleineren läßlichen Sünden, an die sie sich erinnerte, losgeworden war. »Ihr glaubt, dieser Mann, Stephen Makekau, sei der Sohn von Moses Makekau und Minnie Ah Ling und habe ein Recht auf die zweihundertundacht Dollar, die er jeden Monat von der Parke Richards Limited für die Verpachtung des Fischteiches an Bill Kong in Amana einstreicht. Dem ist nicht so. Stephen Makekau ist nicht der Sohn von Moses. Er ist der Sohn von Aaron Kama und Tillie Naone. Er wurde Moses und Minnie von Aaron und Tillie als Säugling geschenkt. Ich weiß es. Moses und Minnie und Aaron und Tillie sind bereits tot. Doch ich weiß es und kann es auch beweisen. Die alte Frau Poepoe lebt noch. Ich war dabei, als Stephen geboren wurde, und als er zwei Monate alt war, trug ich ihn selbst des Nachts als Geschenk zu Moses und Minnie, und die alte Frau Poepoe trug die Laterne. Dieses Geheimnis ist eine von meinen Sünden. Es hat mich von Gott ferngehalten. Jetzt bin ich davon befreit. Der junge Archie Makekau, der Rechnungen für die Benzingesellschaft eintreibt und an den Nachmittagen Baseball spielt und zuviel Gin trinkt, sollte diese zweihundertacht Dollar am Ersten jeden Monats von der Parke Richards Limited beziehen. Er wird alles für Gin und ein Automobil der Marke Ford verpulvern. Stephen ist ein guter Mensch. Archie taugt nichts. Auch ist er ein Lügner und hat bereits zwei Strafen auf dem Riff verbüßt, und zuvor war er in der Besserungsanstalt. Doch Gott verlangt die Wahrheit, und Archie wird das Geld bekommen und nur Unheil damit anrichten.«

Und auf diese Art und Weise kam Alice durch die Erfahrungen ihres langen, ereignisreichen Lebens vom Hundertsten ins Tausendste. Und Frauen vergaßen ebenso wie Männer, daß sie sich im Betsaal befanden, und manche Gesichter wurden von Gefühlsaufwallungen verfärbt, als ihre Besitzer zum erstenmal von den längst begrabenen Geheimnissen ihrer besseren Hälften erfuhren.

»Die Anwaltskanzleien werden morgen überfüllt sein.« Macllwaine, der Chef der Kriminalpolizei, unterbrach das Notieren nützlicher Informationen gerade lange genug, um sich zu Colonel Stilton hinüberzubeugen und ihm diesen Satz ins Ohr zu flüstern.

Colonel Stilton grinste zustimmend, wenn auch dem Chef der Kriminalpolizei das Grimassenhafte dieser Heiterkeit nicht entging.

»Da gibt es einen Bankier in Honolulu. Ihr alle kennt seinen Namen. Er gehört durch seine Frau zur besten Gesellschaft. Er besitzt viele Aktien von General Plantations und Interisland.«

Macllwaine erkannte das entstehende Porträt und unterdrückte ein Kichern.

»Sein Name ist Colonel Stilton. Am letzten Heiligen Abend kam er mit einem großen Aloha in mein Haus und überreichte mir Hypothekenbriefe im Wert von zweitausend Dollar, die auf mein Land in Iapio Valley ausgestellt und jetzt getilgt waren. Ja, weshalb hatte er wohl ein so großes Geld-Aloha für mich? Ich will es euch sagen.«

Und sie erzählte die Geschichte, richtete den Scheinwerfer auf frühere Transaktionen und politische Machenschaften, deren Ursprung stets im dunkeln geblieben war.