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Jaina stand auf und sammelte sich. Sie setzte zum Teleportzauber an, der sie nach Bladescar bringen würde, doch dann hielt sie inne. Sie griff in den kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel befestigt war, und holte etwas zu essen heraus. Eine weitere von Antonidas frühesten Lektionen war die Ermahnung gewesen, dass Magie den Körper verzehrte, und der einzige Weg, um ihn wieder zu regenerieren, der war, gehaltvolle Nahrung zu sich zu nehmen. »Viele Zauberer,« hatte er gesagt, »sind gestorben, weil sie so beschäftigt mit der Erforschung der Wunder der Magie waren, dass sie schlicht vergaßen, sich zu ernähren

Ihr Gebiss schmerzte vom Kauen auf dem harten getrockneten Fleisch. Dann wirkte die erfrischte, ausgeruhte Jaina einen Spruch, der sie knapp vor einer der Barrieren absetzte, die über das Hochland verteilt waren.

Der einzige Nachteil ihres Plans, etwas zu essen, bevor sie teleportierte, war das Grummeln im Magen. Ein Nebeneffekt, der sich mit unverdauter Nahrung in ihrem Bauch noch viel stärker bemerkbar machte als mit gar keiner. Aber sie schob die Gedanken daran beiseite, während sie sich an der Grenze zum Hochland umsah. Hinter ihr ragte eine scharfe Klippe auf, vor ihr lag ein Steilhang. Es gab kaum genug Platz zum Stehen.

Natürlich waren die magischen Barrieren für das normale Auge unsichtbar. Aber Jaina konnte sie fühlen. Sie waren nicht besonders stark, aber das mussten sie auch nicht sein. Wenn ihre Aufgabe tatsächlich darin bestand, etwas oder jemanden zu verbergen – wovon Jaina inzwischen überzeugt war –, war es das Beste, die Barrieren auf einem niedrigen Niveau zu halten. Wären sie zu stark gewesen, hätten sie auf andere Magier wie ein Leuchtfeuer gewirkt.

Aus der Nähe erkannte Jaina auch die Charakteristik der Magie, die diese Barrieren erzeugt hatte. Das letzte Mal hatte sie dergleichen in der Begleitung von Medivh gespürt, während des Krieges. Das war die Magie der Tirisfalen. Aber alle Wächter waren tot, Medivh eingeschlossen, der der letzte gewesen war.

Nun, da sie wusste, wo sie sich befanden, bedurfte es nur einer Geste, um die Barrieren zu entfernen. Danach schritt sie weiter und begann, das Hochland zu erforschen. Dann machte sie eine kurze Pause, um einen Unsichtbarkeitszauber für sich selbst zu wirken und sich unerkannt bewegen zu können.

Anfangs war es genauso, wie sie es erwartet hatte: Grasland, gesprenkelt mit Früchte tragenden Büschen und dem üblichen Baumbestand. Wind wehte von der Großen See her, kanalisiert von den Bergen. Jainas weißer Umhang bauschte sich auf. In Thunder Ridge war es wolkig gewesen, aber das Hochland lag über den Wolken. Deshalb war es hier hell und sonnig. Jaina schlug die Kapuze ihres Umhangs zurück, damit sie die Sonne genießen konnte, die ihr ins Gesicht schien.

Schnell entdeckte sie ersten Spuren desjenigen, der sich hier versteckt hielt: Von mehreren Büschen waren erst kürzlich Früchte gepflückt worden.

Als sie weiter bergauf ging, fand sie einen Brunnen und etwas Feuerholz gestapelt daneben. Auf der anderen Seite eines großen Baumes sah sie eine Hütte. Ordentliche Reihen von Nutzpflanzen, meist Gemüse und einige Kräuter, wuchsen hinter der Hütte.

Einen Augenblick später kam eine Frau in Sicht. Sie trug nur ein abgetragenes hellblaues Leinenkleid und lief barfuß. Ihr Gang war fest. Als sie den Brunnen erreichte, sah Jaina, dass sie ungewöhnlich groß für eine Frau war. Auf jeden Fall größer als Jaina. Außerdem war sie unzweifelhaft alt. Falten und tiefe Furchen verunstalteten ihr Gesicht, das, wie Jaina bemerkte, einst schön gewesen sein musste. Die Frau hatte weißes Haar, das von einem silbernen Diadem gehalten wurde, und die grünsten Augen, die Jaina jemals gesehen hatte. Sie passten zu dem beschädigten Jade-Anhänger, der um ihren Hals hing.

Plötzlich stellten sich Jainas Nackenhaare auf, weil sie die Frau zu erkennen glaubte. Sie hatten sich nie getroffen, aber während ihrer Lehrzeit hatte Jaina Beschreibungen über sie gelesen. Und alle Quellen erwähnten ihre Größe, ihr blondes Haar, das von einem einfachen Silberdiadem gehalten wurde, ihre Augen. Jeder erwähnte diese Augen.

Wenn sie es wirklich war, erklärte das die Barrieren.

Obwohl man doch davon ausging, dass sie schon vor langer Zeit gestorben war...

Die Frau stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »Ich weiß, dass Ihr hier seid, deshalb braucht Ihr auch nicht weiter den Unsichtbarkeitszauber zu verschwenden.« Sie schüttelte den Kopf, als sie zum Brunnen ging und einen Eimer hinabließ, indem sie ein Seil Hand über Hand abwickelte. »Gütiger, sie bringen Euch jungen Magiern heute gar nichts mehr bei. Die Violette Zitadelle ist vor die Hunde gegangen, so viel steht fest.«

Jaina beendete den Zauber. Die Frau reagierte kaum, außer das sie ein Tsss von sich gab, während sie das Seil abließ.

»Mein Name ist Lady Jaina Proudmoore. Ich regiere Theramore, die Menschenstadt auf diesem Kontinent.«

»Schön für Euch. Wenn Ihr zurück zu diesem Theramore kommt, übt den Unsichtbarkeitszauber. Ihr könntet Euch, so wie Ihr ihn momentan beherrscht, nicht mal vor einem erkälteten Bluthund verstecken.«

Jaina schwindelte, als ihr klar wurde, dass diese Frau unmöglich eine andere sein konnte als diejenige, für die sie sie hielt. So unmöglich das auch immer sein mochte. »Magna, es ist mir eine Ehre, Euch zu treffen. Ich habe gedacht, Ihr wärt...«

»Tot?« Die Frau schnaufte, als sie das Seil zurückzog. Ihr verkniffener Mund verriet die Anstrengung, die es kostete, einen mit Wasser gefüllten Eimer emporzuhieven. »Ich bin tot, Lady Jaina Proudmoore von Theramore. Oder doch wenigstens so nah dran, dass es keinen Unterschied mehr macht. Und nennt mich nicht mehr ,Magna'. Das war eine andere Zeit und ein anderer Ort, und ich bin nicht mehr diese Frau.«

»Diesen Titel kann man nicht verlieren, Magna. Und ich kann Euch nicht anders nennen.«

»Papperlapapp. Wenn Ihr mich schon irgendwie nennen müsst, tut es bei meinem Namen. Ich bin Aegwynn.«

9

Viele Jahre lang war Rexxar, der letzte des Mok'Nathal-Clans, allein durch Kalimdors Weiten gezogen. Immer in Begleitung seiner großen Braunbärin Misha. Als Mischling, in dem Orc- und Oger-Blut flossen, wie bei den meisten seines nun ausgestorbenen Clans, war er des Streits, der Rücksichtslosigkeit und des endlosen Krieges müde geworden – womit zugleich all das umschrieben war, was lächerlicherweise als Zivilisation gerühmt wurde. Rexxar fand mehr Zivilisation bei Mishas Bärenfreunden oder bei den Wölfen von Winterspring, als in einer der Städte, die Menschen, Zwerge, Elfe oder Trolle errichtet hatten und die die Landschaft verschandelten.

Nein, Rexxar zog es vor umherzuziehen, vom Land zu leben und niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Wenn er je das Bedürfnis verspürte, einen Ort Heim zu nennen, wusste er, dass er ein solches in Durotar hatte. Als die Nation der Orcs gegründet wurde, war Rexxar einer sterbenden Grünhaut zu Hilfe geeilt, die eine Nachricht an Thrall überbringen sollte. Dem Krieger seinen letzten Wunsch erfüllend hatte Rexxar Thrall die Meldung zukommen lassen und festgestellt, dass jene Orcs zurück zur alten Lebensart gefunden hatten, welche noch aus der Zen stammte, bevor Gul'dan und sein Schattenrat ihr einst so stolzes Volk missbraucht hatten.

Aber obwohl Rexxar die Ehre hatte, Thrall einen Freund nennen zu dürfen und ihm Treue geschworen hatte – und dieser Pflicht gern nachkam, indem er den Orcs gegen Admiral Proudmoores Verrat half –, drängte es Rexxar schließlich doch wieder, seine Wanderschaft fortzusetzen. Selbst eine so großartige Nation wie Durotar hatte Städte, Siedlungen und Regeln. Rexxar jedoch war für die Freiheit der Wildnis geschaffen.

Ohne Vorwarnung begann Misha loszurennen.