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»Was sollen wir tun?«

»Soll ich dir eine Liste geben?« erwiderte Glen grinsend. Stuart deutete auf das zerfledderte Notizbuch. Auf dem grellrosa Umschlag waten die Silhouetten zweier Tänzer und die Worte BOOGIE DOWN! zu sehen. »Ja«, sagte er.

»Du machst Witze.«

»Im Gegenteil. Du hast selbst gesagt, Glen, wir müssen alles in den Griff bekommen. Mit jedem Tag verlieren wir mehr Zeit. Wir können nicht einfach hier herumsitzen, die Hände in den Schoß legen und CB-Funk hören. Sonst wachen wir eines Morgens auf und stellen fest, daß dieser Verbrecher an der Spitze einer bewaffneten Streitmacht in Boulder einrückt - mit Luftunterstützung. «

»Aber doch nicht gleich morgen«, sagte Glen.

»Nein. Aber wie ist es nächsten Mai?«

»Möglich«, sagte Glen. »Ja, durchaus möglich.«

»Und was glaubst du, wird dann aus uns?«

Glen antwortete nicht mit Worten. Er machte mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine vielsagende Geste, als würde er eine Pistole abdrücken, und trank hastig den Rest Wein aus.

»Ja«, sagte Stu. »Deshalb sollten wir es allmählich auf die Reihe bekommen.«

Glen machte die Augen zu. Die aufgehende Sonne schien auf seine faltigen Wangen und Stirn.

»Okay«, sagte er. »Hör zu, Stu. Erstens. Amerika neu erschaffen.

Klein-Amerika. Mit fairen und unfairen Mitteln. Zuerst kommen Organisation und Regierung. Wenn wir jetzt anfangen, können wir die Regierung bilden, die wir wollen. Wenn wir warten, bis sich die Bevölkerung verdreifacht hat, bekommen wir ernste Probleme. Sagen wir, wir berufen für heute in einer Woche eine Versammlung ein, das wäre am achtzehnten August. Jeder muß teilnehmen. Vor der Versammlung sollte ein Ad-hoc-Organisationskomitee gebildet werden. Ein Komitee mit, sagen wir mal, sieben Leuten. Du, ich, Andros, Fran, Harold Lauder vielleicht, und ein paar andere. Die Aufgabe des Komitees wäre es, die Tagesordnung für die Versammlung am achtzehnten August zusammenzustellen. Und ich könnte dir schon jetzt ein paar Punkte sagen, die diese Tagesordnung enthalten sollte.«

»Schieß los.«

»Erstens, Verlesung und Ratifizierung der Unabhängigkeitserklärung. Zweitens der Verfassung. Drittens Erklärung der Menschenrechte. Alle Ratifikationen durch mündliche Abstimmung.«

»Herrgott, Glen, wir sind doch alle Amerikaner.«

»Nein, genau da irrst du dich«, sagte Glen und machte die Augen auf. Sie waren blutunterlaufen und lagen tief in den Höhlen. »Wir sind eine Bande Überlebende ohne Regierung. Ein zusammengewürfelter Haufen aus jeder Altersgruppe, Religionszugehörigkeit, Gesellschaftsschicht und Rasse. Regierung ist eine Vorstellung, Stu, mehr nicht, wenn man die Bürokratie und den ganzen Mist wegläßt. Ich gehe sogar noch weiter. Sie ist eine Einprägung, nichts weiter als ein durchs Gehirn getretener Erinnerungspfad. Momentan arbeitet der Kulturschock für uns. Die meisten Menschen hier glauben noch an die Regierung mittels gewählter Vertreter - die Republik -, das, was sie als >Demokratie< ansehen. Aber der Kulturschock dauert nie lange. Nach einer Weile kommen die Einsichten: der Präsident ist tot, das Pentagon steht leer, im Repräsentantenhaus und im Senat debattiert niemand außer vielleicht Termiten und Küchenschaben. Unsere Leute werden einsehen, daß die alte Lebensweise dahin ist und sie die Gesellschaft neu erschaffen können, wie sie sie wollen. Wir sollten - wir müssen- sie überrumpeln, bevor sie aufwachen und etwas Dummes anstellen.«

Er deutete mit dem Finger auf Stu.

»Wenn jemand am achtzehnten August in der Versammlung aufstehen und vorschlagen würde, Mutter Abagail zur uneingeschränkten Anführerin zu wählen, mit dir und mir und diesem Andres als Beratern, würden die Leute ihrer Ernennung durch Zuruf zustimmen und nicht einmal wissen, daß sie damit die erste funktionierende Diktatur in Amerika seit Huey Long an die Macht gebracht haben.«

»Oh, das kann ich nicht glauben. Wir haben Universitätsstudenten hier, Rechtsanwälte, politische Aktivisten...«

»Das waren sie vielleicht. Jetzt sind sie nur ein Haufen müder, verängstigter Leute, die nicht wissen, was aus ihnen werden soll. Einige würden vielleicht motzen, aber sie würden die Klappe halten, wenn ihnen jemand erzählt, daß Mutter Abagail und ihre Berater binnen sechzig Tagen für Strom sorgen. Nein, Stu, es ist sehr wichtig, daß wir den Geistder alten Gesellschaft schnellstmöglich wieder festschreiben. Das habe ich mit >Amerika neu erschaffen< gemeint. Und es muß so geschehen, solange wir unter der direkten Bedrohung durch den Mann operieren, den wir den Gegenspieler nennen.«

»Weiter.«

»Na gut. Der nächste Punkt der Tagesordnung wäre, daß wir die Regierung organisieren wie eine Stadt in Neuengland. Vollkommene Demokratie. Solange wir relativ wenige sind, wird das prima funktionieren. Nur, statt eines Stadtverordnetenrats haben wir sieben... Repräsentanten, denke ich. Repräsentanten der Freien Zone. Wie hört sich das an?«

»Hört sich gut an.«

»Finde ich auch. Und wir werden dafür sorgen, daß die Leute, die gewählt werden, dieselben sind, die auch dem Ad-hoc-Komitee angehören. Wir werden so schnell wählen lassen, daß die Leute keine Zeit haben, sich mit ihren Freunden zu besprechen. Wir können uns die Leute aussuchen, die uns nominieren und dann unterstützen. Die Abstimmung wird so reibungslos ablaufen wie Scheiße durchs Toilettenrohr.«

»Toll«, sagte Stu bewundernd.

»Klar«, sagte Glen. »Wenn du den demokratischen Prozess kurzschließen willst, frag einen Soziologen.«

»Was dann?«

»Das dürfte sehr populär werden. Der nächste Punkt der Tagesordnung würde lauten: Beschlußfassung: Mutter Abagail wird das absolute Vetorecht gegen jede von den Repräsentanten vorgeschlagene Handlung eingeräumt.«

»Mein Gott! Wird sie damit einverstanden sein?«

»Ich glaube ja. Ich kann mir allerdings keine Situation vorstellen, in der sie dieses Vetorecht je ausüben würde. Wir dürfen nicht erwarten, hier eine handlungsfähige Regierung zu bekommen, wenn wir sie nicht zum nominellen Staatsoberhaupt machen. Sie ist unsere Gemeinsamkeit. Wir haben alle paranormale Erlebnisse gehabt, die sich um sie drehen. Und sie hat... eine gewisse Aura. Die Leute benutzen alle dieselben Adjektive, wenn sie sie beschreiben: gut, freundlich, alt, weise, schlau, nett. Diese Leute haben einen Traum gehabt, der ihnen eine Heidenangst gemacht hat, und einen anderen, bei dem sie sich sicher und geborgen fühlten. Sie lieben die Quelle des guten Traumes und vertrauen ihr um so mehr wegen des Traums, der ihnen Angst gemacht hat. Und wir können ihr klarmachen, daß sie nur nominell unsere Anführerin ist. Ich glaube, das ist ihr auch lieber. Sie ist alt, müde...«

Stu schüttelte den Kopf. »Sie ist alt und müde, aber sie sieht das Problem des dunklen Mannes als religiösen Kreuzzug, Glen. Und sie ist nicht die einzige. Das weißt du.«

»Du meinst, sie könnte sich entschließen, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen?«

»Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht«, meinte Stu. »Schließlich haben wir von ihrgeträumt, nicht von einem Repräsentantenrat.«

Glen schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann den Gedanken nicht akzeptieren, daß wir alle Figuren in einem post-apokalyptischen Spiel zwischen Gut und Böse sind, Träume hin, Träume her. Verdammt, das ist irrational!«