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»Der Herr gibt's den Seinen«, sagte Lloyd und klebte den Bomber mit Spucke zu. Er steckte ihn mit dem Zigarettenanzünder am Armaturenbrett an. »Scheißleben.«

»Wenn du das Zeug verkaufen willst, warum rauchen wir es dann?« fragte Poke, den der Gedanke, daß der Herr den Seinen gibt, nicht sehr beruhigen konnte.

»Dann verkaufen wir eben ein paar getürkte Gramm. Komm schon, Poke. Rauch eine.«

Das verfehlte auf Poke nie seine Wirkung. Er lachte wiehernd und nahm den Joint. Die vollgeladene Schmeisser stand auf ihrem Stativ zwischen ihnen. Der Connie schoß weiter die Straße entlang. Die Benzinanzeige stand auf ein Achtel.

Poke und Lloyd hatten sich vor einem Jahr in der Brownsville Minimal Security Station kennengelernt, einer Arbeitsfarm in Nevada. Brownsville hatte eine 3,6 Hektar große bewässerte Anbaufläche und einen Gefängniskomplex, der aus einzelnen Hütten bestand, alles lag etwa sechzig Meilen nördlich von Tonopah und etwa achtzig nordöstlich von Gabbs. Eine üble Institution für kurze Haftstrafen. Obwohl Brownsville eine Farm sein sollte, wuchs hier wenig. Karotten und Salat bekamen eine Portion sengende Sonne, kicherten resigniert und gingen ein. Hülsenfrüchte und Unkraut konnten hier überleben, aber die staatliche Legislative war geradezu besessen von der Idee, daß hier eines Tages Sojabohnen wachsen würden. Günstigstenfalls könnte man über Brownsvilles vorgeblichen Zweck sagen, daß die Wüste sich unchristlich lange Zeit ließ, um zu erblühen. Der Gefängnisleiter (der sich gern »Boß« nennen ließ) war stolz darauf, ein Brutalo zu sein und stellte nur Leute ein, die er seinerseits für Brutalos hielt. Er erzählte Grünschnäbeln gerne, dass Brownsville vorwiegend deshalb »Minimum Security « - unterste Sicherheitsstufe - war, weil es, wenn es um Flucht ging, wie in dem Song war: noplace to run to, baby, noplace to hide. Ein paar versuchten es trotzdem, aber die meisten wurden nach zwei oder drei Tagen wieder zurückgebracht, mit Sonnenbrand, halbblind und bereit, dem Boß ihre eingeschrumpften Rosinen von Seelen für ein Glas Wasser zu verkaufen. Einige lachten irre, und ein junger Mann, der drei Tage draußen gewesen war, behauptete, er habe ein paar Meilen südlich von Gabbs ein großes Schloß gesehen, ein Schloss mit einem Graben. Der Graben, sagte er, wurde von Kobolden bewacht, die auf großen schwarzen Pferden ritten. Als ein paar Monate später ein Erweckungsprediger in Brownsville seine Show abzog, fand er in demselben jungen Mann seinen gläubigsten Anhänger.

Andrew »Poke« Freeman, der nur wegen Körperverletzung saß, wurde im April 1989 entlassen. Er hatte ein Bett neben Lloyd Henreid gehabt und ihm erzählt, falls Lloyd an einem großen Ding interessiert sei, wüßte er was Interessantes in Vegas. Lloyd war interessiert. Lloyd wurde am 1.Juni entlassen. Sein Verbrechen, in Reno begangen, war versuchte Vergewaltigung. Die Dame war ein Showgirl auf dem Heimweg gewesen und hatte Lloyd eine Ladung Tränengas in die Augen gesprüht. Er war froh, daß er nur zwei bis vier Jahre bekommen hatte, Untersuchungshaft angerechnet, und Erlaß wegen guter Führung. In Brownsvi lle war es so verdammt heiß, daß es unmöglich war, sich nicht gut zu führen. Er nahm einen Bus nach Las Vegas, und Poke erwartete ihn an der Endstation. Und dann erklärte Poke ihm, was Sache war. Er kannte einen Burschen, einen »einmaligen Geschäftspartner«, wie Poke sich ausdrückte. Dieser Bursche war in gewissen Kreisen als Göttlicher George bekannt. Er machte die Dreckarbeit für eine Gruppe mit hauptsächlich italienischen oder sizilianischen Namen. George war ausschließlich Teilzeitkraft. Die Arbeit, mit der diese sizilianischen Typen ihn betrauten, bestand hauptsächlich darin, irgendwelche Dinge wegzubringen und andere Dinge zu holen. Manchmal beförderte er etwas von Vegas nach L.A.; manchmal holte er etwas aus L.A. nach Vegas. Meistens kleinere Drogenlieferungen, Geschenke für Großkunden. Manchmal Waffen. Die Waffen wurden immer gebracht, nie geholt. Poke dachte (und sein Denken reichte selten über das hinaus, was man in der Filmbranche »Weichzeichnung« nannte), daß diese sizilianischen Typen manchmal Schießeisen an nicht organisierte Einbrecher verkauften. Nun, sagte Poke, der Göttliche George hatte versprochen, ihm Ort und Zeit mitzuteilen, sobald eine ansehnliche Lieferung solcher Artikel auf Lager war. George verlangte fünfundzwanzig Prozent vom Erlös. Poke und Lloyd würden bei George eindringen, ihn fesseln und knebeln, das Zeug nehmen und ihm vielleicht noch zu guter Letzt ein paar Knüffe und Rempler verpassen. Es mußte echt aussehen, hatte George gewarnt, denn mit diesen sizilianischen Typen war nicht zu spaßen.

»Ja«, sagte Lloyd. »Hört sich gut an.«

Am nächsten Tag besuchten Poke und Lloyd den Göttlichen George, einen netten, eins achtzig großen Mann mit einem kleinen Kopf, der auf zu breiten Schultern sowie einem Hals saß, der nicht zu existieren schien. Er hatte dichtes blondes Haar, was ihm das Aussehen eines berühmten Ringers gab.

Lloyd waren Zweifel an dem Geschäft gekommen, aber Poke hatte ihn ein zweites Mal überredet. Darin war Poke gut. George bestellte sie für nächsten Freitag gegen sechs Uhr abends in sein Haus.

»Tragt um Himmels willen Masken«, sagte er .»Und schlagt mir die Nase blutig und ein blaues Auge. Mein Gott, ich wollte, ich hätte mich nie drauf eingelassen.«

Der große Abend kam. Poke und Lloyd fuhren mit dem Bus zur Ecke der Straße, wo George wohnte, und zogen vor seiner Haustür Skibrillen auf. Die Tür war verschlossen, aber, wie George versprochen hatte, nicht sehr gründlich. Unten war ein Hobbyraum, und dort stand George vor einer großen Tüte Marihuana. Die Tischtennisplatte war mit Schußwaffen beladen. George hatte Angst.

»Mein Gott, mein Gott, hätte ich mich bloß nie darauf eingelassen«, sagte er immer wieder, als Lloyd ihm die Füße mit einer Wäscheleine fesselte und Poke ihm die Hände mit Tesapack verschnürte. Dann schlug Lloyd ihm auf die Nase, daß sie blutete, und Poke verpaßte ihm, wie gewünscht, ein blaues Auge.

»Mein Gott«, rief George. »Mußte es so fest sein?«

»Du hast doch gewollt, daß es echt wirkt«, erinnerte Lloyd ihn. Poke klebte George Klebeband auf den Mund. Die beiden fingen an, die Beute einzusammeln.

»Weißt du was, alter Junge?« fragte Poke und hielt inne.

»Nee«, sagte Lloyd und kicherte nervös. »Überhaupt nichts.«

»Ich frage mich, ob old George ein Geheimnis für sich behalten kann.«

Für Lloyd war das eine völlig neue Überlegung. Er sah den Göttlichen George eine lange Minute hart an. Georges Augen quollen plötzlich entsetzt aus den Höhlen.

Dann sagte Lloyd: »Klar. Ist doch auch sein Arsch.« Aber das klang so unsicher, wie er sich fühlte. Wenn bestimmte Samen gepflanzt werden, wachsen sie fast immer.

Poke lächelte. »Oh, er könnte einfach sagen: >He, Jungs, ich hab' einen alten Freund und seinen Kumpel getroffen. Wir haben über allen möglichen Scheiß geredet und ein paar Bier getrunken, und was meint ihr, kommen die Hurensöhne doch in mein Haus und nehmen mich auseinander. Hoffentlich kriegt ihr sie. Will euch mal sagen, wie sie aussehen.<«

George schüttelte wild den Kopf, seine Augen waren große Os des Entsetzens.

Die Waffen waren jetzt in einem großen Wäschesack aus derbem Leinen, den sie unten im Badezimmer gefunden hatten. Lloyd hob den Beutel nervös auf und sagte: »Was meinst du, sollen wir machen?«

»Ich denke, wir sollten ihn pokerisieren, alter Junge«, sagte Poke bedauernd. »Einzige Möglichkeit.«

Lloyd sagte: »Verdammt hart, wo er uns die Sache doch gesteckt hat.«

»Die Welt ist hart, Junge.«

»Ja«, seufzte Lloyd, und sie gingen zu George hinüber.

-»Mfff«, sagte George, und wieder schüttelte er wild den Kopf.

»Mmmmmmmm! Mmmmmmmff!«

»Ich weiß«, beruhigte Poke ihn. »Scheiße, was? Tut mir leid, George. Ehrlich. Ist nichts Persönliches, vergiß das nicht. Halt seinen Kopf fest, Lloyd.«

Das war leichter gesagt als getan. Der Göttliche George zuckte wie verrückt mit dem Kopf hin und her. Er saß in der Ecke seines Hobbyraums, und die Wände waren aus Ziegelsteinen, und er schlug ständig mit dem Kopf dagegen, schien es aber nicht einmal zu spüren.