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Thralls Belustigung schwand. Er begann, einen Scherz zu vermuten. Und der gefiel ihm nicht. „Dann soll das der Schamane des Dorfes tun“, sagte er, etwas scharf.

„Dort gibt es keinen Schamanen. Es ist zu klein und es gibt nur Druiden“, sagte die Fremde einfach, als würde das alles erklären.

Thrall atmete tief ein. Was sie von ihm verlangte, war trivial. So etwas konnten Anfänger bewältigen. Er wusste nicht, warum sie mit so einer Aufgabe ausgerechnet zu ihm kam, und es war ihm auch egal.

„Sicherlich gibt es andere, die das tun können“, sagte er, zügelte seinen Ärger und versuchte, Haltung zu bewahren. Es war sicher eine Art bizarrer Test des Irdenen Rings und er wollte nicht vor unbeherrschtem Zorn explodieren. Egal, wie sehr ihn dieses zappelige weibliche Wesen auch ärgerte.

Sie schüttelte energisch den Kopf und trat auf ihn zu. „Nein“, widersprach sie und schien es ernst zu meinen. „Keinen anderen. Niemanden wie Euch.“

Das war absurd. „Wer seid Ihr, um mir so eine Aufgabe anzutragen?“

Ihr Gesicht lag immer noch im Schatten, doch ihre strahlenden Augen beleuchteten ein Lächeln von gespenstischer Süße. War das eine Nachtelfe? „Vielleicht bringt das Klarheit.“

Bevor er zurückweichen konnte, war sie in die Luft gesprungen – hoch – höher als jede echte Elfe springen konnte. Der Umhang fiel von ihr ab, als sie die Arme weit spreizte und ihr Gesicht in den Himmel reckte. Ihr Körper begann sich schneller zu verwandeln, als das Auge folgen konnte, und wo zuvor, wie er dachte, eine Nachtelfe gestanden hatte, blickte nun ein riesiger Drache auf ihn herab, der mit den Flügeln schlug, während er sich zur Landung herabsenkte.

„Ich bin Ysera... die Erwachte.“

Thrall machte einen Schritt zurück und keuchte. Er kannte den Namen Ysera. Sie war die Träumerin gewesen, die Wächterin über den Smaragdgrünen Traum. Doch jetzt träumte sie nicht mehr.

Vieles hatte sich seit dem Kalaklysmus geändert, schien es.

„Tut es, Thrall“, sagte Ysera. Ihre Stimme war immer noch angenehm, doch in ihrer Drachengestalt tiefer und klangvoller.

Er antwortete beinahe: Ja, natürlich. Aber seine bisherigen Fehler erschreckten ihn. Was sie verlangte, schien tatsächlich einfach zu sein. Doch wenn man bedachte, wer sie war, musste die Aufgabe doch sehr wichtig sein. Und er wusste nicht, ob er momentan mit etwas Wichtigem betraut werden konnte.

„Mächtige Ysera... darf ich darüber nachdenken?“

Sie sah enttäuscht aus. „Ich hatte auf ein Ja gehofft.“

„Es ist... nur ein kleines Lager, oder?“

Ihre Enttäuschung schien sich zu vertiefen. „Ja. Es ist ein kleines Lager und eine kleine Aufgabe.“

Scham lief über seine Wangen. „Dennoch möchte ich Euch bitten: Kommt am Morgen wieder, dann habe ich eine Antwort.“

Sie stieß einen schweren, melancholischen Seufzer aus und ihr Atem roch nach frischem Gras und Nebel. Dann nickte Ysera die Erwachte, schoss hoch in die Luft und verschwand mit ein paar Flügelschlägen.

Thrall ließ sich schwer nieder.

Er war gerade von einem Drachen um etwas gebeten worden und er hatte ihn auf den Morgen vertröstet. Wer glaubte er, dass er war? Und dennoch...

Er legte den Kopf in die Hand und presste die Finger fest gegen die Schläfen. Dinge, die leicht sein sollten, waren meist schwierig, zu schwierig. Sein Kopf war nicht klar und es schien, dass das auch für sein Herz galt. Er fühlte sich... verloren und unentschlossen.

Thrall war seit dem Streit mit Aggra gestern für sich geblieben. Nun saß er hier allein, nur mit den Monden und den Sternen als Gesellschaft, und er musste sie suchen. Aggra war klug und lebenserfahren, auch wenn er erst gerade herausgefunden hatte, dass ihm oft nicht gefiel, was sie zu sagen hatte. Aber er war eindeutig nicht in der Position, eine Entscheidung ohne Unterstützung zu fällen. Ansonsten hätte er sofort Ja oder Nein zu dem mächtigen Aspekt sagen können.

Langsam stand er auf und ging zurück zur Hütte.

„Haben dir die Monde Führung gebracht?“, fragte Aggra leise in der Dunkelheit. Er hätte es besser wissen müssen, als zu glauben, dass seine Bewegungen, wie leise sie auch sein mochten, sie nicht aufgeweckt hätten.

„Nein“, sagte er. „Aber... ich würde dich gern um etwas bitten.“ Er erwartete eine sarkastische Antwort, stattdessen hörte er die Felle rascheln, als sie sich aufsetzte.

„Ich höre“, war alles, was Aggra sagte.

Er saß neben ihr auf den Schlaffellen. Ruhig hatte er ihr von der Begegnung erzählt und sie hatte zugehört, ohne zu unterbrechen. Obwohl sich ihre Augen an einigen Stellen geweitet hatten.

„Das scheint... fast schon beleidigend“, sagte Thrall schließlich. „Es ist eine kleinere Aufgabe. Mich hier wegzuholen, wo meine Hilfe dringend benötigt wird, um ein kleines Dorf zu retten, in Feralas...“ Thrall schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob das eine Prüfung ist oder eine Falle oder sonst was. Ich verstehe es nicht.“

„Bist du sicher, dass es Ysera war?“

„Es war ein großer grüner Drache“, zischte Thrall und fügte dann ruhiger hinzu, „und ich spürte, dass sie es war.“

„Es ist egal, ob es eine Prüfung ist oder eine Falle. Es ist egal, dass es wie eine einfache Aufgabe wirkt. Wenn Ysera dich um etwas bittet, solltest du gehen, Thrall.“

„Aber meine Hilfe hier...“

Aggra bedeckte seine Hand mit ihrer. „... wird nicht benötigt. Nicht jetzt. Du kannst nicht tun, was du tun musst, um uns zu helfen. Das hast du gestern ja erlebt – das haben wir alle. Du nutzt momentan niemandem hier. Nicht dem Irdenen Ring, nicht der Horde, nicht mir – und sicher nicht dir selbst.“

Thrall verzog das Gesicht, doch es lag keinerlei Verachtung oder Wut in Aggras Stimme. Stattdessen war sie freundlicher, als er sich seit langer Zeit erinnern konnte, genauso wie ihre Hand auf seiner.

„Go’el, mein Geliebter“, fuhr sie fort. „Geh und erledige diese Sache. Geh und gehorche der Bitte des Aspekts. Und sorge dich nicht, ob es um etwas Großes oder Kleines geht. Geh und gib zurück, was du gelernt hast.“ Sie lächelte ein wenig neckend. „Hast du denn nichts bei deiner Initiation gelernt?“

Thrall dachte an die Tage seiner Initiation in Garadar zurück, was ewig her zu sein schien. Er erinnerte sich an die Kleidung, die er dort getragen hatte, und rief sich ins Gedächtnis, dass ein Schamane Stolz und Demut abwägen musste.

Er war recht sicher, nicht demütig zu sein, wenn er daran dachte, die Bitte des Aspekts abzulehnen.

Thrall holte tief Luft, hielt den Atem einen Moment an, dann stieß er ihn langsam aus.

„Ich werde gehen“, sagte er.

Der Vater des Zwielichts war ein wenig enttäuscht, wie schnell die roten, blauen und grünen Drachen geflohen waren. Er hatte erwartet, dass sie länger kämpfen würden. Dennoch hatte es die Aufgabe leichter gemacht und er wurde von den Kultisten nun noch mehr verehrt, die jedem seiner Befehle gehorchten. Das war gut, selbst wenn ein härter errungener Sieg süßer geschmeckt hätte.

Er hatte mit dem Mädchen zugesehen, wie die Drachen weggeflogen waren. Einige allein, andere zu zweit oder in Gruppen. Die einzigen Drachen, die noch da waren, waren leblos, außer denjenigen, die unter seinem Kommando standen.

Er hatte seine Leute vorausgeschickt, um seine Anhänger zusammenzurufen, und jetzt standen sie am Fuß des Vorgebirges und zitterten in der Kälte. Ihre Gesichter waren so unterschiedlich, gehörten zu Orcs und Trollen, Menschen und Nachtelfen – eigentlich zu den meisten Völkern Azeroths –, und hatten doch eine tiefe Ähnlichkeit in ihrem Ausdruck begeisterter Verehrung.