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Thrall starrte ihn an: „Was?“

„Wenn Ihr niemals Durnholde entkommen wärt, wäre die Welt heute eine andere. Ihr hättet niemals die Horde neu aufgebaut oder Euer Volk aus den Internierungslagern befreit. Und so hättet Ihr keine Hilfe gegen die Brennende Legion sein können, als die Dämonen kamen. Azeroth wäre zerstört worden.“

Desharin blickte Thrall mit neuem Respekt an. „Ah, kein Wunder, dass der Aspekt Euch für bedeutend hält“, meinte er.

Thrall schüttelte den Kopf. „Dieses Wissen lässt mich vielleicht mehr über mich selbst nachdenken, aber dabei... fühle ich nur Demut. Bitte... dankt allen, die helfen, den Zeitweg zu sichern. Um mir zu helfen. Und...“ Seine Stimme brach. „... wenn sie Taretha sehen, sagt ihnen, sie sollen nett zu ihr sein.“

„Wenn sie Taretha sehen und alles gut geht, werdet Ihr mit ihr gehen, so wie es einst geschehen ist“, erwiderte Chronalis.

Sie gingen tiefer in den Berg hinein. Thrall fühlte sich, als hätte er einen Trank zu sich genommen wie beim Ritus der Vision. Doch seine Gedanken waren klar. Er erblickte ein Haus, das wirkte, als ob es sich mitten im Stein der Höhle materialisiert hätte. Ein anderes Haus ragte in einem unmöglichen Winkel auf, der Himmel wölbte sich darüber. Himmel? In einem Berg? Die Farben Lila und Magenta waren vermischt mit einer merkwürdigen Energie. Säulen schossen hoch und stützten nichts. Bäume wuchsen an Orten ohne Wasser oder Sonnenlicht. Sie kamen an einem Friedhof vorbei. Thrall fragte sich aber nicht, wer dort wohl begraben lag. Auf der anderen Seite konnte er merkwürdige schwebende Steine verschiedener Größe erkennen. Da lebte ein Nachtelf, dort drüben war ein Schiff.

Es gab Lebewesen, wahrscheinlich Bronzedrachen. Kinder von beinahe allen Völkern liefen herum. Und sechsgliedrige goldene, schuppige Drachenbrutpatrouillen, die mögliche Eindringlinge suchten. Und daneben bronzene Drachen in ihrer natürlichen Gestalt, die ruhig über ihnen flogen.

Irgendwann blickte Thrall über die Schulter und erkannte nach wenigen Augenblicken, dass die Fußabdrücke des Drachen verschwunden waren.

„Das ist kein normaler Sand“, sagte Chronalis. „Eure Anwesenheit hier hinterlässt keine Spuren. Schaut dort.“

Und Thralls Augen weiteten sich.

Die Apparatur schwebte in der Luft vor ihm. Sie war eines Goblins oder Gnomen Geist würdig. Das Ganze sah wie ein Stundenglas aus, aber keines, wie er es je zuvor gesehen hatte.

In drei Behältern rieselte endlos Sand herab.

Und in drei Behältern rieselte der Sand endlos hinauf.

Um alle sechs und um ihre Füße herumgewunden lag ein Rahmen, der sie umgab, ohne sie zu berühren. Er drehte sich langsam und der Sand der Zeit – Thrall war klar, dass es sich darum handeln musste – rieselte hinauf und herunter.

„Das ist alles so...“ Er suchte nach Worten, konnte sie nicht finden und schüttelte einfach den Kopf vor Verwunderung.

Desharin blieb stehen und Thrall deutete das als Zeichen, abzusteigen. Nachdem er es getan hatte, nahm der grüne Drache Elfengestalt an und legte seine Hand sanft auf Thralls Schulter.

„Für alle, die keine Drachen sind, ist es schwer zu erfassen“, sagte er und fügte grinsend hinzu: „Selbst für uns andere Drachen ist es schwer zu begreifen. Macht Euch keine Sorgen. Ihr müsst die Launen der Zeitwege nicht verstehen.“

„Nein“, sagte Thrall und ließ etwas Sarkasmus in seiner Stimme mitschwingen. „Ich muss nur den Zeitlosen finden, der die Launen der Zeitwege wirklich versteht und den sonst niemand finden kann.“

Desharin klopfte Thrall auf den Rücken. „Genau“, sagte er lachend.

Ihre Blicke trafen sich und Thrall grinste. Er entschied, dass er den grünen Drachen mochte. Nach Yseras fast exzentrischem Verhalten und der kalten Distanziertheit von Chronalis schien Desharin doch eher bodenständig zu sein.

„Ich weiß nicht, wie wir weitermachen sollen“, sagte Chronalis.

Thrall blickte zu Desharin.

„Ich glaube, wir sollten uns etwas Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, bevor wir beginnen“, sagte der grüne Drache. „Klarheit findet sich oft in der Stille und Thrall ist wohl verständlicherweise noch überwältigt von allem, was er gesehen hat.“

Chronalis senkte den goldenen Kopf. „Wie Ihr wünscht. Ihr dürft Euch frei bewegen, aber bitte – die Zeitwege sind nichts, was man sorglos betreten sollte. Das könnte leicht Euer Ende sein. Unter keinen Umständen solltet Ihr sie betreten, ohne mit einem von uns gesprochen zu haben. Ich bin sicher, Ihr versteht, warum.“

Thrall nickte. „Ja, das tue ich. Danke dafür, dass Ihr uns aufgenommen habt, Chronalis. Ich werde mein Bestes geben, um Euch zu helfen.“

„Daran habe ich keinen Zweifel“, sagte Chronalis. Er schoss hoch und schien plötzlich zu verschwimmen. Dann war er fort.

„Was...“, wollte Thrall Desharin fragen, dann erkannte er, was geschehen sein musste. Chronalis war ein Meister der Zeit und hatte einfach ebendiese Zeit beschleunigt und war bereits zurück auf seinem Posten. Thrall schüttelte den Kopf und wunderte sich.

Sie entfernten sich von den Bronzedrachen, die offenbar dringende Angelegenheiten und Aufgaben zu erledigen hatten, selbst die Kinder. Es war leicht zu erkennen, dass es keine echten Kinder waren. Ihre Gesichter und ihre Haltung zeigten die Ernsthaftigkeit ihrer Aufgaben. Bäume wuchsen hier und dort, Immergrüne, die im Sand verwurzelt waren. Es war eine der Merkwürdigkeiten dieses Ortes und Thrall zuckte die Achseln und akzeptierte es. Der Geruch nach Pinien war scharf und frisch.

Augenblicklich wurde er an seine Jugend erinnert, wie er in Durnholde aufgewachsen war. Als ihm erlaubt wurde, draußen zu trainieren, hatte er diesen Geruch oft wahrgenommen. Es war merkwürdig, wie machtvoll Geruch mit Erinnerungen verbunden war. Sowohl an gute als auch schlechte Dinge. An ein Mädchen, das alles geopfert hatte, um ihm zu helfen, an einen „Herrn“, der ihn im Rausch fast totgeschlagen hatte. Im Hügelland hatte Thrall den ersten anderen Orc gesehen und seinen Bruder für ein Monster gehalten.

„Ihr seid aufgewühlt“, sagte Desharin ruhig. „Und wenn ich recht habe, liegt das nicht nur an diesen Offenbarungen.“

Thrall nickte. „Ich wurde an einen Ort meiner Jugend erinnert“, sagte er. „Die Erinnerungen sind nicht unbedingt angenehm.“

Desharin nickte. „Kommt, Freund Thrall. Lasst uns einen Ort finden, der still und schlicht ist, bevor wir versuchen, über diese Zeitwege zu gehen. Anders als die Bronzedrachen ist für uns die Vergangenheit einfach die Vergangenheit und sollte nicht eine übermäßige Bürde sein. Wir stehen schon vor genug Herausforderungen, ohne dass wir uns darüber auch noch Sorgen machen sollten.“

Sie gingen eine Weile still nebeneinanderher, bis Desharin stehen blieb. „Dieser Ort scheint Ruhe auszuströmen“, sagte er und blickte sich um. „Hier sollten wir nicht gestört werden.“ Er setzte sich zwischen zwei Bäume und legte die Hände auf die Knie. Thrall tat es ihm gleich.

Er war angespannt, doch nicht wegen dem, was er gerade erlebt hatte. Es lag auch nicht an den Erinnerungen, die der Geruch der Bäume ausgelöst hatte. Vielmehr erinnerte er sich an das letzte Mal, als er versucht hatte zu meditieren. Es war ein entsetzlicher Fehler gewesen. Der Drache bemerkte seine Unsicherheit.

„Ihr seid Schamane und das schon seit einiger Zeit“, sagte er. „Innere Ruhe zu finden, sollte Euch vertraut sein. Warum habt Ihr solche Schwierigkeiten?“

„Nun, Ihr seid ein grüner Drache. Ihr seid mehr ans Schlafen gewöhnt als ans Wachsein“, entgegnete Thrall.

Desharin ging auf die Provokation nicht ein und nahm sich einen Moment, um sein langes Haar zurückzustreichen, während Thrall versuchte, sich zu beruhigen. Der grüne Drache schloss die Augen und atmete tief ein.