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Dalaran gab es noch und Antonidas war immer noch der Kopf der Magier. Die Stadt war nicht gefallen, sie war nicht nach Nordend verlegt worden.

„Wo sind Arthas und Varian?“

„Varian regiert Sturmwind. Arthas ist bei ihm. Sie stehen sich nah wie Brüder. Varian war sein Trauzeuge.“

„Bei der Hochzeit mit Jaina Prachtmeer“, sagte Thrall leise.

Taretha nickte. „Sie haben ein Kind, einen kleinen Jungen. Prinz Uther.“

Es gab keine Pest, keinen Lichkönig. Noch nicht, immerhin. Arthas war ein verheirateter Mann und Vater. Lordaeron war nicht zu Unterstadt geworden, bevölkert von den Untoten, sondern stattdessen regiert von Schwarzmoor, der auf dem Thron eines guten Mannes saß.

„Wenn man bedenkt, dass er die Welt so fest im Griff hat murmelte er.

„Was es umso eigenartiger erscheinen lässt, dass er plötzlich verschwunden ist“, sagte Taretha.

„Verschwunden?“

„Ja. Seine Berater haben versucht, es zu vertuschen. Sie sagen, er sei auf einer Mission, um weitere Orcs aufzuscheuchen oder einige Drachen zu töten oder einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, je nachdem, wem man glaubt. Aber er ist verschwunden.“

„Vielleicht hat ihn ja jemand getötet“, überlegte Thrall. Er lächelte leicht. „Das kann man nur hoffen.“

„Wenn es so wäre, dann wäre es Zeit für einen Putsch“, erwiderte Taretha. „Der Thron würde von jemand anderem besetzt – entweder von Arthas als rechtmäßigem Erben oder von Schwarzmoors Mörder. Nein, da geht etwas Merkwürdiges vor. Doch es wird nicht lange so bleiben. Ich bin sicher, dass Arthas und Varian bereits einen Angriff planen. Sie müssen Spione haben.“

Sie hatte recht. Auch wenn sie keine Ausbildung erhalten hatte, war Taretha eine hochintelligente Frau. Es musste natürlich Spione geben, und Arthas und Varian würden garantiert so schnell reagieren wie möglich, um aus der mysteriösen „Abwesenheit“ ihren Vorteil zu ziehen.

Thrall dachte angestrengt nach. Er wusste, er musste den Zeitweg reparieren oder die Welt würde sich auflösen. Vielleicht war es eine gute Sache, dass Schwarzmoor fort war. Vielleicht würde diese Welt so einen Weg eröffnen, damit sich der Zeitweg selbst reparieren konnte.

Und dennoch – das würde solch eine Tragödie bedeuten.

Die Seuche würde das Land überziehen. Tausende wären tot oder Schlimmeres.

Arthas würde der Lichkönig werden. Ein Gedanke ließ ihm den Schweiß ausbrechen: Was, wenn in dieser Welt Schwarzmoor der Lichkönig wurde? Er hatte Kel’Thuzad, der ihm Verlockungen einflüsterte.

Antonidas würde sterben und Dalaran würde fallen, so wie Quel’Thalas, die Elfenstadt.

Und Taretha...

Er stützte die Stirn einen Moment lang in seine Hand. Die Aufgabe schien unmöglich. Wenn er doch nur die Bronzedrachen finden könnte, um mit ihnen zu reden, zu erklären, was vorging. Selbst ein grüner oder roter Drache wäre eine Hilfe gewesen. Sie kannten die Aufgabe der Bronzenen, sie würden ihm die Geschichte der falschen Zeitwege glauben, zumindest in der Theorie.

„Glaubst... du, dass wir einen Unterschied machen?“, fragte Taretha leise.

Er lachte bitter. „Ich glaube, wir müssen einen Drachen finden“, sagte er. „Einen, der einem Orc zuhört, ohne mich gleich zu töten, und...“

Seine Augen weiteten sich.

„... und ich weiß, wo wir einen finden können.“

Krasus saß in seinem Studierzimmer. Selten hatte er sich wohler gefühlt als hier. Es war ein warmer Raum, kleiner, als er ihm durch seine Position bei den Kirin Tor zugestanden hätte, aber gemütlich. Momentan war jedes bisschen Platz, vom Schreibtisch über kleine Ablagen bis hin zur Spitze eines Bücherstapels, mit aufgeschlagenen Büchern bedeckt. Nur wenn er an der Seite seiner Gefährtin Alexstrasza war, spürte er mehr Freude im Herzen als hier. Er war ungern von ihr getrennt. Doch niemand verstand „Pflicht“ besser als die Lebensbinderin. Sie wusste, dass seine Arbeit hier unter den Kirin Tor letztlich dem Schwarm, und was in den Augen seiner Geliebten noch wichtiger war, auch Azeroth helfen würde. Die Menschen, Hochelfen und Gnome, mit denen er zusammenarbeitete, glaubten, dass Drachen, die so lange lebten, voneinander gelangweilt waren und deshalb gern mal auswärts arbeiteten. Doch da lagen sie falsch.

Eine Kugel schwebte in der Nähe. In Grün, Braun und Blau gehalten war sie eine exakte Nachbildung von Azeroth. Hier und dort verteilt lagen Gerätschaften, Schmuckstücke und andere unbezahlbare Dinge. Im Moment übertrug Krasus geschäftig etwas aus einem sehr alten Buch auf Pergamentpapier. Denn würde das Buch zu oft benutzt, würde es zu Staub zerfallen. Magie hielt das Buch derzeit schützend zusammen, aber Krasus war pragmatisch und wusste, dass eine Kopie stets eine weise Sache gegen die Unbilden der Zeit war. Diese Aufgabe hätte ein Anfänger mit Leichtigkeit erledigen können, doch Krasus machte es lieber selbst. Es passte einfach zu seiner lehrerhaften, magischen Art, ein wenig still zu sitzen und altes Wissen zu studieren.

Es klopfte an der Tür.

„Herein“, rief er und blickte nicht auf.

„Lord Krasus?“ Das war Devi, eine der jungen Hochelfenlehrlinge.

„Ja, was ist, Devi?“, fragte Krasus.

„Eine junge Lady ist hier, um Euch zu sehen. Mit ihrem Sklaven. Sie bestand darauf, Euch das hier zu bringen. Aber... darf ich frei sprechen?“

„Das tust du doch immer“, sagte er und lächelte. „Und ich schätze es stets. Also bitte.“

„Es scheint etwas... merkwürdig an ihr zu sein. Nicht feindlich, aber...“ Sie schüttelte ihren rabenschwarzen Kopf, runzelte die Stirn, nagte an dem Problem. „Sie bat mich, Euch dies zu geben.“

Krasus war augenblicklich alarmiert. Devi hatte gute Instinkte, was Leute betraf. Der Lehrling kam näher und ließ etwas Kleines, Braunes, völlig normal Aussehendes in seine ausgestreckte Hand fallen. Eine gewöhnliche Eichel.

Krasus atmete tief ein.

Wissen – so viel Wissen! Äonen des Wissens, des Zeugnisses, enthalten in diesem kleinen, unwichtigen Ding. Es lag in seiner Hand und er schloss sie einen Moment darum und wollte nicht loslassen.

Devi beobachtete ihn. Sie war noch eine Anfängerin und konnte nicht erkennen, was Krasus in der Hand hielt: eine Eichel der Urtume. Es war wie ein Flüstern, das nur ausgebildete, scharfe Ohren hören konnten.

„Danke für deine Beobachtungen, Devi. Bring sie rein“, sagte Krasus, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

„Ihr solltet wissen, dass sie darauf besteht, ihren Orc mitzubringen“, sagte Devi.

„Warum, glaubst du, will sie das?“

Devi neigte den Kopf nachdenklich. „Ehrlich gesagt, Sire, ich weiß nicht, warum. Er wirkt völlig eingeschüchtert, doch die Frau sagt, es sei sehr wichtig. Ich glaube nicht, dass sie Euch etwas tun wollen. Aber mir fällt auch sonst nichts ein. Es ist verwirrend.“ Ein Runzeln lief über ihre schöne dunkle Haut. Devi mochte keine Rätsel.

„Dann lass auch den Orc herein. Ich glaube, ich bin in der Stimmung für ein Mädchen und ihren gezähmten Orc.“ Ihre Blicke trafen sich und sie grinste. Andere hielten die dunkelhäutige, scharfzüngige Elfe für vorlaut. Aber Krasus gefiel, dass sie sich nicht von ihm einschüchtern ließ.

„Sofort, Sire“, sagte sie.

Die Eichel eines Urtums. Krasus entfaltete die langen Finger und betrachtete sie erneut. Eine seltene Sache, ein schönes und mächtiges Ding. Wer war das Mädchen?

Die Tür öffnete sich wieder, Devi brachte die Gäste herein und schloss die Tür hinter sich, als sie ging. Krasus stand auf und musterte das blonde Mädchen.

Sie war schlank und wäre schön gewesen, trüge sie nicht die untrüglichen Zeichen eines entbehrungsreichen Lebens. Die Kleidung, die sie trug – ein einfaches Kleid samt Umhang – war sauber, aber offensichtlich mehr als einmal geflickt. Sie war gepflegt, doch ihre Hände hatten Schwielen und abgebrochene Nägel. Sie stand aufrecht, war aber eindeutig nervös. Jetzt machte sie einen tiefen Knicks.

„Lord Krasus“, sagte sie, „mein Name ist Taretha Foxton. Ich danke Euch, dass Ihr uns empfangt.“