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Die Spitzen des Wyrmruhtempels kamen in Sicht und lagen bleich im Mondlicht. Er war beschädigt, aber nicht unbewohnt. Gestalten wie Schatten, schwarz und lila und indigofarben, kreisten langsam um ihn, während andere in verschiedenen Ecken des Tempels schliefen. Zwei faulenzten auf dem Mosaikboden auf der obersten Ebene, lagen lang ausgestreckt wie riesige geflügelte Echsen.

Er wurde entdeckt.

Mehrere der Zwielichtdrachen, die den Tempel bewachten, verließen ihre Bahnen und hielten direkt auf Arygos zu. Plötzlich ertönte eine Stimme, die von überall und nirgendwoher zu kommen schien.

„Arygos, Sohn von Malygos“, erklang die vertraute Stimme – dieselbe Stimme, die Alexstrasza und den Rest der Drachen an jenem schicksalhaften Tag vor nicht langer Zeit verhöhnt hatte.

„Ich bin es“, rief Arygos als Antwort. Er landete auf der obersten Ebene. Und verneigte sich demütig vor dem Vater des Zwielichts.

14

Kirygosa hatte eng zusammengerollt geschlafen, ihre Träume waren wirr und beunruhigend gewesen. Als sie einen Moment die Stimme ihres Bruders hörte, glaubte sie, in einem weiteren Albtraum gelandet zu sein. Doch nicht zum ersten Mal entdeckte sie, dass die Realität schlimmer war als die Träume.

Sie richtete sich so weit auf, wie es die Kette um ihren Hals zuließ, hob den Kopf und sah, wie ihr Bruder Arygos sich vor dem Bastard verneigte, der sie alle angegriffen hatte. Ihre Fäuste ballten sich.

Er hob den Kopf und sein Blick fiel auf sie. „Kirygosa“, sagte er. „Wie angenehm... und überraschend... dass du immer noch lebst.“

„Wenn ich meine wahre Gestalt annehmen könnte, würde ich dir die Augen ausreißen“, zischte sie.

„Nun, nun“, unterbrach der Vater des Zwielichts spöttisch. „Ich hasse es, derartigen Zank zwischen Geschwistern zu sehen.“

Kiry fletschte die Zähne. Es war Arygos, der sie verraten und in die Hände dieses... dieses... Wie hatte sie derart naiv sein können? Sie hatte ihren Bruder ihr ganzes Leben lang gekannt. Sie wusste, dass er ihren Vater verehrte. Und dennoch hatte sie ihm geholfen, als er in jener Nacht zu ihr gekommen war, von der Änderung in seinem Herzen berichtete und sie um Hilfe gebeten hatte.

„Komm mit mir“, hatte er gesagt. „Du und ich... wir können einen Plan ersinnen. Ich liebe Vater, Kiry. Was auch immer er getan hat. Wir können einen Weg finden, diesen Krieg zu beenden, ohne ihn zu töten.“

So viele waren damals bereits gestorben gewesen, darunter ihre eigene Mutter, Saragosa, die sich auf die Seite von Malygos gestellt hatte. Ihr Tod hatte sie alle getroffen, aber Kiry war eisern geblieben. Malygos musste aufgehalten werden.

„Denkst du das wirklich?“, hatte Kiry gefragt. Sie hatte ihrem Bruder so gern glauben wollen.

„Das tue ich. Ich erkenne jetzt, dass du recht hattest. Ich habe bereits mit Kalec gesprochen und er erwartet uns. Lass uns aufbrechen. Wenn wir einen vielversprechenden Plan erarbeiten, wird uns vielleicht auch die Lebensbinderin anhören.“

So war sie freiwillig mitgekommen, mit Hoffnung und Liebe im Herzen, mit der Zukunft in ihrem Körper. Und er hatte sie und ihre ungeborenen Kinder dem Vater des Zwielichts wie eine Trophäe ausgeliefert.

Worte kochten in ihrer Kehle hoch, drängten sie, sie auszusprechen: Was für eine Macht hat er dir gewährt? Welche Lügen hat er dir erzählt? Wusstest du, was er mir antun würde? Hast du auch nur einen Moment gezögert? Doch sie würde ihm diese Befriedigung nicht bereiten und so schluckte sie die bitteren Worte hinunter.

Nachdem er ihre Gegenwart zur Kenntnis genommen und sich versichert hatte, dass der Vater des Zwielichts immer noch glücklich mit seiner Gefangenen war, wandte sich Arygos seinem Meister zu.

„Wie laufen die Gespräche?“, fragte der Vater des Zwielichts. „Je eher du herausfindest, was benötigt wird, desto besser für uns alle.“

„Es ist... schwierig“, gestand Arygos. „Keiner von uns weiß, wie wir fortfahren sollen. Niemals war so etwas je zuvor nötig.“

Er klang seiner selbst unsicher – etwas, was Kirygosa noch nie in seiner Stimme gehört hatte. Er will Bestätigung, erkannte sie. Er will hören, dass er es gut gemacht hat, dass er dieses Monster befriedigt hat. Der Gedanke machte sie krank. Doch sie blieb stumm. Was sie herausgefunden hatte, konnte für Kalecgos wertvoll sein – wenn sie je eine Möglichkeit fand, sich zu befreien.

„Du hast mir versichert, dass du einen Weg finden würdest – und dass der Schwarm dich als neuen Aspekt wählen würde“, sprach der Vater des Zwielichts. „Wie sonst willst du sie mir wie versprochen ausliefern?“

„Ich bin sicher, dass ich erwählt werde, es scheint zu funktionieren“, sagte Arygos schnell.

Natürlich, dachte Kirygosa. Nachdem ihr Vater tot war, waren die blauen Drachen ohne Aspekt. Aber einen neuen wählen? Wie war so etwas möglich? Die Titanen hatten die Aspekte ernannt. Konnten niedere Wesen das auch tun?

„Wir brauchen dich. Unser Drache muss geweckt werden und er braucht eine Armee, wenn die Schwärme geschlagen werden sollen.“

„Das werden sie, ich schwöre es!“ Arygos’ Stimme war voller Eifer. „Wir werden sie schlagen und die Welt vernichten. Alles wird verschwinden, wenn der Schattenhammer fällt!“

Eine Armee. Eine Armee, die aus ihrem eigenen Drachenschwarm bestand... Kirygosa schloss die Augen, kämpfte gegen die Tränen an. Arygos war genauso verloren wie sein Vater.

„Sie werden dir ausgeliefert. Chromatus soll leben.“ Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit, sein Körper war gespannt vor Vorfreude.

Der Vater des Zwielichts lächelte.

„Dir soll für diese Aufgabe ihre Energie und meine eigene zur Verfügung stehen, Vater des Zwielichts. Aber... sie müssen erst mir gehören, bevor ich sie dir geben kann.“

„Was ist passiert?“ Der Vater des Zwielichts hatte, genau wie Kiry, seine Unsicherheit gespürt. Hoffnung keimte in ihrem Herzen. Die Dinge liefen nicht glatt.

„Der Orc hat mich vor dir gewarnt. Er ist gekommen, so wie du es befürchtet hattest.“

Thrall! In den Schatten, mit abgewandtem Kopf, konnte Kirygosa ein Lächeln nicht unterdrücken.

Der Vater des Zwielichts fluchte. „Das wird unseren Meister nicht glücklich machen“, grollte er. „Mir wurde gesagt, dass Schwarzmoor Thrall aufhalten würde. Sag mir, welchen Schaden er bislang angerichtet hat – und warum du ihn nicht selbst getötet hast.“

Arygos fuhr auf. „Das habe ich versucht, aber Kalecgos ließ mich nicht und unser Treffen lief in der Öffentlichkeit ab.“

„Thrall ist nur ein Orc!“, zischte der Vater des Zwielichts. „Du hättest ihn leicht töten können, bevor irgendjemand die Gelegenheit gehabt hätte, zu protestieren!“

„Zwei Aspekte haben ihn zu uns geschickt! Ich wäre ihn nicht losgeworden, ohne entweder Verdacht zu erregen oder viele Mitglieder meines Schwarms vor den Kopf zu stoßen – und ich brauche jeden einzelnen von ihnen, um Aspekt zu werden!“

„Muss ich dich wie ein Kind an die Hand nehmen, Arygos?“ Der mächtige Drache zuckte tatsächlich unter dieser Kritik zusammen. „Arrangiere einen Unfall!“

„Du bist hier in Sicherheit, ohne spähende Augen, die auf Schwächen von dir lauern“, spie Arygos wütend. „Es ist leicht für dich, von Unfällen zu reden, solange du nicht dort bist! Wenn irgendetwas passiert, fällt der Verdacht doch sofort auf mich!“

„Glaubst du, ich weiß nichts darüber, seine wahre Natur zu verbergen?“ Der Vater des Zwielichts warf den Kopf zurück und lachte. „Ich bewege mich unter meiner Art wie du unter deiner und keiner ahnt etwas von meinen wahren Plänen. Das ist eine Fähigkeit, die du erlangen musst, junger blauer Drache.“