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Kirygosa konnte die Triumphschreie der Zwielichtdrachen hören, die plötzlich mit neuem Enthusiasmus kämpften. Noch vor wenigen Augenblicken hatten sie feige den Schwanz herumgeworfen, jetzt waren sie wieder eisern entschlossen und unerbittlich in ihrem Kampf.

Schon der reine Anblick dieser Obszönität war erschreckend. Dieses Monster hätte nicht sein sollen und doch war es hier, spie Feuer, benutzte Illusionen, ging mit dem Tod auf seine ungelenke Art um, die irgendwie brutal und zugleich tödlich effektiv war.

Mehrere Drachen aus Kirygosas Schwarm wurden unmittelbar von Chromatus getötet. Andere waren starr vor Schreck und wie hypnotisiert von dem Anblick des chromatischen Drachen, dass sie nicht auf die Zwielichtdrachen achteten, die immer noch in der Luft waren. Kirygosa sah, wie ein blauer Drache versuchte, von hinten an Chromatus heranzukommen. Doch mit einem einzigen, fast beiläufigen Schlag seiner machtvollen Klaue brach er ihm das Genick. Der blaue Drache war augenblicklich tot und wieder mit seinem Artgenossen vereint. Schmerzerfüllt wandte sich Kirygosa ab und verbarg ihr Gesicht. Eine feste Hand packte ihre und zog sie weg. Sie richtete ihre tränenerfüllten Augen auf den Vater des Zwielichts. Dabei hätte sie beinahe die Gesichtszüge unter der dunklen Kapuze erkannt.

„Wer lacht jetzt, kleines blaues Mädchen?“, zischte er. „Chromatus ist kaum aus dem Schlaf des Todes erwacht und sieh nur, was er tut! Sieh!“ Er zerrte sie zum Rand der Plattform, packte ihr Kinn und schob die Arme beiseite. „Sieh!“

Immerhin, dachte Kirygosa, kann er mich nicht zwingen, meine Augen zu öffnen.

Thrall konnte förmlich spüren, wie das Gefühl der Niederlage durch den blauen Drachenschwarm lief. Er fühlte es mit ihnen.

Es war ein Drache, aber ein Drache, der aus dem schlimmsten Albtraum der Verlassenen hervorgegangen schien. Er hatte fünf Köpfe, jeder von einer anderen Farbe. Das Monster bewegte sich ruckartig und war halb verrottet, als würde die Geißel zum Angriff blasen. Doch dieses Ding lebte, es war nicht untot. Jeder der Köpfe griff mit solcher Gewalt an, dass ein ganzer Schwarm, der den Sieg praktisch schon in Händen gehalten hatte, in Panik verfiel.

„Was ist das?“, rief er Kalec zu.

Der Aspekt antwortete nicht sofort. Er war zu beschäftigt, ein paar Angriffe abzuwehren. Dann schrie er zurück: „Ein chromatischer Drache!“

Thrall erinnerte sich, was Desharin ihm über diese Kreaturen berichtet hatte. Es waren Flickwerk-Monster, deren Teile aus allen fünf Schwärmen stammten. Desharin hatte gesagt, sie alle wären tot.

Dieses hier war jedoch offensichtlich sehr lebendig.

Thrall starrte eine Sekunde das Biest an, versuchte herauszufinden, was es war und was es dem blauen Drachenschwarm und selbst Kalecgos, dem neuen Aspekt, antat. Es war nur ein Augenblick der Unachtsamkeit, des Schrecks – aber es war ein Augenblick zu lang.

Das Ding griff sie an, die fünf Köpfe bereit. Der Gestank seines verrotteten Fleischs war fast übermächtig. Kalec warf sich aus dem Weg. Thrall klammerte sich mit all seiner Kraft fest. Er wähnte sich schon in Sicherheit, als etwas gegen seinen Körper krachte. Irgendetwas schlug nach ihm, als wäre er nicht mehr als eine Fliege, die auf dem Rücken eines Wolfs ritt. Obwohl Kalecs kunstvolles Manöver ihn vor einem direkten Angriff des vielköpfigen chromatischen Drachen bewahrt hatte, erkannte er, dass selbst dieser fast beiläufige Schubser ausreichte, um ihn von Kalec herunterzuschlagen.

Das ist also schließlich der Tod, dachte er, als er vom Rücken des Aspekts stürzte und auf die rauen Felsen zu krachen drohte.

Er schloss die Augen, drückte den Schicksalshammer an sein Herz und war froh, mit einer Waffe in der Hand zu sterben. Er fragte sich, ob er den Aufprall wohl spürte, bei dem sein Rückgrat zerschmettert oder sein Schädel zertrümmert würde.

16

Thrall spürte beides nicht. Es folgte ein Aufprall, der weit weicher war als erwartet, aber er hielt seinen Fall nicht auf. Eine Sekunde später, als er schließlich zur Ruhe kam, erkannte er, dass kalte Feuchtigkeit ihn umgab. Er konnte nichts sehen, konnte kaum atmen. Er war offensichtlich nicht auf den Fels aufgeprallt, sondern in den Schnee gefallen, der seinen Fall gebremst hatte. Er lebte. Er hatte Prellungen am ganzen Körper, aber seine Lungen arbeiteten... und er war am Leben.

Er schloss die Augen und blendete die Realität aus.

Vor seinem inneren Auge sah er, wie er auf einer Felsspitze neben einer schönen, gebeugten Gestalt saß. Alexstrasza blickte ihn an, ihr Körper strahlte Trauer und dumpfe Verzweiflung aus.

Ihr versteht es nicht, hatte sie zu ihm gesagt.

Was verstehe ich nicht, Alexstrasza?

Das ist egal. Alles. Es ist egal, ob alles miteinander in Verbindung steht. Es ist egal, wie lange das schon so läuft. Es ist auch egal, ob wir es aufhalten können.

Die Kinder sind tot. Korialstrasz ist tot. Ich bin praktisch auch schon tot, lange wird es nicht mehr dauern. Es gibt keine Hoffnung mehr. Nichts ist mehr da. Nichts ist wichtig.

Er hatte es nicht erkannt, nicht damals. Er war voller Hoffnung gewesen, nachdem er Nozdormu befreit hatte. Auch Kalec mit seinem fröhlichen Optimismus hatte Thrall ermutigt, weiterzukämpfen, sich weiter abzumühen, sich dem eindringenden Zwielicht entgegenzustellen.

Aber Alexstrasza hatte recht. Das alles war egal.

Kalecgos war wahrscheinlich von der schrecklichen Kreatur besiegt worden, die es geschafft hatte, den Angriff der blauen Drachen zurückzuschlagen, als wären es nur Stiche von vielen wütenden Insekten gewesen. Der Schattenhammerkult würde siegen. Sie würden sie erst versklaven und dann vernichten.

Wie egal war es da, dass er weiteratmete? Wie egal war da all die harte Arbeit, Sorge und Anstrengung, die der Irdene Ring aufbot, um die Welt zu heilen? Es war für nichts.

Es sei denn...

Das feine Gesicht der erschütterten Lebensbinderin wich einem anderen. Es war schroffer, kantiger, mit Stoßzähnen und dunkler Haut. Doch sein Herz begann plötzlich zu pochen und zu schmerzen, als würde es erwachen.

Vielleicht zerstörte der Kult diese Welt. Vielleicht hielten sich die Schamanen vom Irdenen Kult selbst zum Narren, wenn sie versuchten, das Land zu heilen, nur um in ihren Untergang zu gehen.

Doch in der Trostlosigkeit, der Verzweiflung und der Dunkelheit wusste Thrall eine Sache.

Korialstrasz ist tot, hatte Alexstrasza gesagt. Sie würde niemals wieder ihren Gefährten sehen, ihren Begleiter und Freund, niemals wieder sein Gesicht berühren, niemals wieder sein Lächeln sehen.

Aber Aggra war nicht tot. Und überraschenderweise war Thrall es nach diesem Sturz auch nicht.

Er keuchte, als der Schmerz zurückkehrte. Seine kühlen Lippen bewegten sich und flüsterten einen Namen: „Aggra...“

Sie hatte ihn ermutigt, zu gehen – hatte es ihm auf ihre schroffe Art praktisch befohlen. Doch hinter diesem „Befehl“ steckte so viel Liebe, das erkannte er erst jetzt. Sie hatte ihn nicht zu ihrem eigenen Wohl weggeschickt. Sie hatte es, weil es für ihn gut war und für diese Welt. Er erinnerte sich daran, wie sehr ihn ihre Weisheit und ihre spitze Zunge irritiert hatten. Sie sagte, was sie dachte, und fühlte, was sie fühlte, während sie es dachte und fühlte. Er erinnerte sich an die Zärtlichkeit, als sie ihn während des Ritus der Vision beschützt und geführt hatte. Und die wahrlich süße Mischung aus Freundlichkeit und Wildheit, die ihre Beziehung ausmachte.

Er wollte sie wiedersehen. Vor dem Ende aller Dinge.

Und anders als Alexstrasza, die verletzt und allein in Desolace kauerte, die sich mit einer Leere umgab, die für ihr eigenes verwüstetes Herz stand, konnte er seine Geliebte wiedersehen.