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„Nein!“, rief Thrall, doch sein Ruf kam in dem Moment über seine Lippen, als sich die Aspekte bereits erholten. Sie fingen ihren Taumel ab – anmutig und vereint wie schon zuvor setzten sie ihren Angriff fort.

Thrall brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er sie deutlicher erkennen konnte, als es hätte möglich sein sollen. Und plötzlich wurde ihm klar, dass jede Gestalt, obwohl ihre Farbe geblieben war, von einem goldweißen Licht umgeben war. Während er zusah, schien dieses Licht zu knistern und zu pulsieren. Ihre Haltungen strahlten... irgendwie Ruhe aus. Zwar unbeirrt, aber nicht drängend. Sie hatten ein Ziel und erreichten es als geschlossene Einheit, nicht als vier Individuen.

Auch Chromatus schien das zu bemerken. Er schoss plötzlich hoch, wirbelte herum, sein Körper angespannt und alarmiert. „So“, bellte der schwarze Kopf. „Ihr glaubt, ihr könnt mich besiegen, indem ihr euch vereint. Ich spüre die neue Einigkeit unter euch. Wisset, dass ihr garantiert versagen werdet. Wie nett. Aber ihr werdet nie vollständig sein! Euch fehlt jemand, oder habt ihr das vergessen? Todesschwinge ist mein Patron und er will, dass ihr alle vernichtet werdet!“

Die Stimme hatte lauter geklungen, als sie es tatsächlich gewesen war, dröhnend und schrecklich. Thrall konnte seine Augen nicht von dem Spektakel lösen, obwohl er seinen Freunden in diesem vielleicht letzten Gefecht unbedingt helfen wollte. Und letztlich war er ja jetzt ein elementarer Bestandteil von ihnen. Deshalb hatte er auch solche Probleme, wieder er selbst zu werden: weil ein Teil von ihm immer noch mit den Drachenaspekten verbunden war.

Sie hatten Todesschwinge für das Ritual nicht gebraucht. Sie hatten die Erde. Sie hatten Thrall und für diese kleine Weile hatte der Geist des Lebens ihm die Stärke verliehen, die ihnen einst von den Titanen persönlich gewährt worden war.

Gerade als er seine Rüstung gegen die Robe austauschte, um eine andere Art von Schlacht zu schlagen – eine, um die Erde zu beruhigen und zu heilen –, musste Thrall erkennen, dass er seine Fähigkeit als Individuum gegen etwas Größeres eingetauscht hatte. Er war kein Aspekt, konnte nie einer sein. Aber er half dabei, sie aneinander zu binden, damit sie tun konnten, was sie tun mussten.

Tick stellte Thralls plötzliche Untätigkeit nicht infrage, kämpfte selbst aber weiter. Sie wirkte einen Zauber, der mehrere Zwielichtdrachen einzufrieren schien, und Thrall erkannte, dass für diese Unglücklichen die Zeit selbst stehen geblieben war. Tick stieß nun herab und griff an, schlug mit den mächtigen Klauen zu und traf sie hart mit ihrem riesigen Schwanz. Thrall sah zu, doch seine wahre Aufmerksamkeit war weiterhin darauf gerichtet, den Aspekten zu helfen, ihre neu entdeckte Einheit zu wahren.

Er schüttelte den Kopf und fand es plötzlich schwer, sich zu konzentrieren. Warum? Vor einem Moment war er noch so hoch konzentriert. Seine Gedanken wirbelten durcheinander, entglitten seinem Griff. Plötzliche Furcht erfasste ihn. Er war der Anker, was half es da... was?

Wütend kratzte sich Thrall mit der linken Hand am rechten Arm, der Schmerz half ihm, sich zu konzentrieren. Seine Gedanken gingen drunter und drüber. Er blickte auf und sah die Gestalt auf Chromatus die Hände nach ihm ausstrecken – und diese Gestalt war ein lilablaue Wellen werfender Schatten über ihm. Thrall knurrte, grub sich die Nägel tiefer in den Arm und kämpfte dagegen an.

Chromatus schüttelte seine hässlichen Köpfe. Das krankhafte Grün, das alle zehn Augen ausstrahlten, war ein düsteres Abbild der Strahlung, das die Aspekte umgab, während sie gewandt um ihn herumflogen. Ein lilafarbenes Licht erhellte die missgebildeten Gesichtszüge auf grausige Weise. Und als er sich spannte und seine Mäuler öffnete, glaubte Thrall, er würde wieder etwas derart Düsteres, Böses und Unnatürliches bekämpfen wie die Brennende Legion.

Wo zuvor jeder der fünf Köpfe des Monsters noch einzeln gekämpft hatte, agierten sie nun als Einheit. Alle Köpfe zogen sich zurück, inhalierten tief und dann öffneten sich fünf Mäuler zum Angriff. Diesmal wurden aus fünf einzelnen Farben von fünf einzelnen Köpfen dunkelviolette Flammen, die das schimmernde goldweiße Licht angriffen. Mehr als einer der Aspekte schrie vor Schmerz und Thrall sah Kalecgos und Ysera im selben Moment kurz zusammenbrechen. Ihre Farben verdunkelten sich, als die Strahlung nachgab, dann leuchtete sie in neuer Stärke wieder auf.

Die Aspekte stießen wie zuvor hinab, koordiniert und elegant, und als sie ihre riesigen Mäuler öffneten, schien weißes Feuer förmlich daraus zu explodieren. Es war nicht das leichte Lavendel der arkanen Magie noch sah es überhaupt aus wie ein Zauber, den Thrall je gesehen hatte. Es war Atem in der Gestalt einer Flamme, das reinste Weiß, dass Thrall je erblickt hatte. Sie alle zielten auf denselben Punkt – Chromatus’ Brust, die frei lag, weil alle fünf Hälse sich zurückgezogen hatten, um einen zweiten giftigen Atemangriff zu starten.

Thrall musste seine Augen abschirmen, so blendend hell war das Licht, als es auftraf. Vier Ströme von strahlendem Weiß krachten in den großen Drachen und ließen ihn taumeln. Chromatus schrie vor Schmerz. Er verlor für einen Moment die Kontrolle, bevor er ungelenk mit den Flügeln flatterte, um sich abzufangen. Seine Köpfe handelten nicht länger in schöner Einträchtigkeit, sondern zuckten wild und stießen dunkle Flammen aus, verpassten ihre Ziele aber weit. In seinem verzweifelten Kampf, die Kontrolle zurückzugewinnen, tat er nichts anderes, als seine bereits geschwärzte Brust erneut zu entblößen.

Wieder stießen die Aspekte vereint den Atem aus, erschufen die merkwürdige Flamme, die eigentlich keine war, und lenkten sie auf das Herz des chromatischen Drachen. Er bockte und zuckte, seine Köpfe verdrehten sich und er stieß noch Flüche aus, als sich sein Körper bereits zusammenzog.

„Ihr könnt mich nicht aufhalten!“, schrie der blaue Kopf und dann fiel er mit geschlossenen Augen zurück.

„Ich kenne all eure Geheimnisse“, warnte sie der rote Kopf, bevor auch sein Lebenslicht erlosch.

Am erschreckendsten war der schwarze Kopf. „Ihr musstet euch vereinen, um auch nur den Versuch zu starten, mich zu vernichten! Glaubt ihr, Todesschwinge zu besiegen, wird leichter? Er wird diese Welt zerreißen, euch zermalmen! Und ich werde dort sein mit...“ Es gab ein letztes Zucken, ein raues Krächzen vom schwarzen Kopf und dann starb Chromatus.

Der Vater des Zwielichts klammerte sich verzweifelt an Chromatus, als die beiden in Richtung Erde stürzten. Sein Geist war taub vor Schreck. Er fand kaum genug Entschlusskraft, um einen Schild zu erschaffen, der ihn schützte. Schon vor wenigen Augenblicken, als der Drache verletzt worden war, waren dem Vater des Zwielichts Fragen durch den Kopf geschossen. Was war mit den Aspekten geschehen? Wo hatten sie diese neue Fähigkeit her? Was war das? Wie konnte so etwas geschehen? Chromatus war doch unverwundbar!

Und dann verschwanden alle Fragen hinter der Panik. Er klammerte sich an einen toten Drachen und stürzte auf schartige Felsen und Schnee zu.

Er schloss die Augen. Der große Körper landete mit einem lauten Schlag und der Vater des Zwielichts schrie auf, als er in einen Schneehaufen fiel. Heftig zitternd bahnte er sich einen Weg aus dem pudrigen Schnee. Er war dankbar, irgendwie überlebt zu haben, doch erschrocken über den Widerhall des Versagens. Er streckte die Hände zu Chromatus aus und versuchte, irgendwelche Lebenszeichen zu spüren.

Es gab keine. Allerdings – der Drache war weder tot noch untot. Kein Atem, keine Bewegung, kein Herzschlag, aber genauso wenig war da die Leere eines Leichnams. Er befand sich in einer Art Übergangsstadium. Ihm fehlte der Funke des Lebens. Und der Vater des Zwielichts wusste, dass es einen anderen Weg gab, wie der Körper wiederbelebt werden konnte. Das war immerhin schon mal etwas. Wäre Chromatus völlig zerstört worden, wäre auch der Vater des Zwielichts lieber im Kampf gestorben. Denn das wäre süß und schmerzlos gewesen im Vergleich zu dem, was Todesschwinge mit ihm gemacht hätte. Oder ihm immer noch antun konnte.