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Die Rechtsanwälte David Wolfson und Mariann Sullivan, Experten zu diesem Thema, dazu:

Manche Staaten erlassen nur für bestimmte und nicht für alle gebräuchlichen Zuchtpraktiken Ausnahmeregelungen … So schließt Ohio landwirtschaftliche Nutztiere von Anforderungen wie »Bewegung zur Gesunderhaltung und Luftaustausch« aus. In Vermont gelten die Passagen des Tierschutzrechts, nach denen es verboten ist, Tiere auf eine Art und Weise »zu fesseln, anzubinden oder einzusperren, die unmenschlich ist oder dem Wohlergehen des Tieres zuwiderläuft«, nicht für landwirtschaftliche Nutztiere. Man kommt nicht umhin zu vermuten, dass man in Ohio landwirtschaftlichen Nutztieren Bewegung und Luft versagt, während man sie in Vermont auf eine Art und Weise fesselt, anbindet und einsperrt, die unmenschlich ist.

Festliege

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Man spricht von Festliegen, wenn ein Tier so kränklich ist, dass es zusammenbricht und nicht mehr aufstehen kann. Das setzt keine schwere Krankheit voraus – auch Menschen können schlimm stürzen. Manches festliegende Tier ist zwar ernsthaft krank oder verletzt, aber oft könnte man festliegenden Tieren mit etwas Wasser und Ruhe einen langsamen, schmerzvollen Tod ersparen. Es gibt keine Statistiken über festliegende Tiere (wer würde sie melden?), bei Rindern geht man allerdings von geschätzten 200 000 pro Jahr aus – ungefähr zwei Rinder für jedes Wort in diesem Buch. Aus Tierschutzperspektive wäre das absolute Minimum, das denkbar Mindeste, was wir für festliegende Tiere tun könnten, sie einzuschläfern. Doch das kostet Geld, und festliegende Tiere sind nutzlos und verdienen demzufolge weder Respekt noch Gnade. In den meisten der 50 amerikanischen Bundesstaaten ist es völlig legal (und absolut üblich), festliegende Tiere über mehrere Tage einfach liegen zulassen, bis sie sterben, oder sie lebendig in Müllcontainer zu werfen.

Mein erster Recherchebesuch für dieses Buch führte mich zu einem Gnadenhof für Nutztiere, Farm Sanctuary in Watkins Glen, New York. Dieser Gnadenhof ist kein Hof. Dort wird nichts angebaut oder gezüchtet. Gene Baur und seine damalige Frau Lorri Houston gründeten 1986 diesen Ort, an dem gerettete landwirtschaftliche Nutztiere ihr unnatürliches Leben zu Ende bringen sollten. (Natürliches Leben wäre ein wenig passender Ausdruck für Tiere, die dazu bestimmt sind, in ihrer Adoleszenz geschlachtet zu werden. Schweine aus Massentierhaltung etwa werden gewöhnlich mit rund 125 Kilo geschlachtet. Lässt man diese genetischen Mutanten wie bei Farm Sanctuary weiterleben, können sie bis zu 400 Kilo schwer werden.)

Farm Sanctuary hat sich in Amerika zu einer der wichtigsten Organisationen für Tierschutz, Aufklärungs- und Lobbyarbeit für Tiere entwickelt. Ursprünglich finanzierte sie sich aus dem Verkauf von vegetarischen Hotdogs – bei Konzerten von Grateful Dead von der Ladefläche eines Kleintransporters aus. (Der Name der Gruppe »die dankbaren Toten« ist ein lustiger Zufall, nur ist das alles nicht lustig.) Farm Sanctuary hat sich im Staat New York auf inzwischen 45 Hektar ausgeweitet und unterhält in Nordkalifornien einen weiteren Gnadenhof mit 75 Hektar Fläche. Die Organisation hat über 200 000 Mitglieder, ein jährliches Budget von rund sechs Millionen Dollar und kann bei der Gestaltung der lokalen und nationalen Tierschutznormen mitreden. Doch all das hat nichts damit zu tun, warum ich mich entschied, dort anzufangen. Ich wollte endlich einmal landwirtschaftlichen Nutztieren begegnen, weil die einzigen Schweine, Kühe und Hühner, die ich in den 30 Jahren meines Lebens berührt hatte, tot und zerlegt waren.

Als wir über die Weide liefen, erklärte Baur, dass Farm Sanctuary weniger sein Traum oder eine geniale Idee war, sondern eher die Folge eines zufälligen Ereignisses.

»Ich fuhr am Schlachthof von Lancaster vorbei und sah auf der Rückseite des Gebäudes einen Haufen Tierkadaver. Als ich näher kam, bewegte eins der Schafe den Kopf. Es lebte noch, man hatte es einfach seinem Leiden überlassen. Ich verfrachtete es hinten in den Van. Ich hatte noch nie so was gemacht, aber ich konnte es nicht einfach so da lassen. Ich brachte es zum Tierarzt und ging davon aus, dass es eingeschläfert würde. Aber nach ein paar Stupsern stand es wieder auf. Wir nahmen es mit zu uns nach Wilmington, und als wir dann den Hof hatten, nahmen wir es mit hierher. Es lebte noch zehn Jahre. Zehn gute Jahre.«

Ich erzähle diese Geschichte nicht, um für weitere Gnadenhöfe Werbung zu machen. Diese Höfe tun viel Gutes, aber dabei geht es um Aufklärung (man ermöglicht Menschen wie mir den Kontakt zu lebenden Tieren) und nicht um praktische Arbeit in dem Sinne, dass man dort eine große Anzahl von Tieren retten und pflegen könnte. Baur würde dem sofort zustimmen. Ich erwähne die Geschichte, um deutlich zu machen, dass festliegende Tiere oft fast völlig gesund sind. Und jedes Tier, das fast völlig gesund ist, sollte gerettet oder gnädigerweise getötet werden.

Freilaufend

»Freilaufend« wird in den USA zur Bezeichnung verschiedenster Produkte verwendet – Fleisch, Eier und Milchprodukte –und gehört zur Kategorie »Bullshit« (siehe: BULLSHIT). Es sollte einen genauso wenig beruhigen wie die Etiketten »naturbelassen«, »frisch« oder »magisch«.

Bei Masthühnern spricht man von »freilaufend«, wenn sie »Zugang ins Freie« haben, was wörtlich genommen überhaupt nichts bedeutet. (Stellen Sie sich einen riesigen Schuppen mit 30 000 Hühnern darin vor, mit einer kleinen Tür auf einer Seite, die auf ein zweieinhalb Quadratmeter großes schmutziges Fleckchen Erde hinausführt – und diese Tür ist bis auf seltene Gelegenheiten geschlossen.)

Das amerikanische Agrarministerium (USDA) hat für Legehennen nicht einmal eine Definition des Begriffs »freilaufend« und verlässt sich stattdessen darauf, dass die Angaben der Produzenten zutreffend sind. Sehr oft werden Eier aus Massentierhaltung – also von Tieren, die in riesigen kahlen Schuppen dicht an dicht zusammengepfercht sind – als »von freilaufenden Hühnern« bezeichnet. (Für die Bezeichnung »cage-free«, also »aus käfigfreier Haltung«, gibt es zwar eine Verordnung, doch die sagt nicht mehr oder weniger als die wörtliche Bedeutung: Es gibt keine Einzelkäfige.) Man kann sich darauf verlassen, dass so gut wie alle »freilaufenden« oder »käfigfreien« Legehennen entschnabelt, unter Drogen gesetzt und auf grausame Weise getötet werden, wenn sie ihren Dienst getan haben. Ich könnte auch eine Schar Hühner unter meiner Spüle halten und sie »freilaufend« nennen.

Frisch

Bullshit (siehe: BULLSHIT). Nach Vorgabe des amerikanischen Agrarministeriums (USDA) darf die Innentemperatur von »frischem« Geflügelfleisch nie unter –4 Grad Celsius und nie über +4 Grad Celsius liegen. Frisches Hühnerfleisch kann gefroren sein (daher das Oxymoron »frisch gefroren«), die Frische lässt sich also haltbar machen. Von Pathogenen befallenes, mit Fäkalien bespritztes Hühnerfleisch kann im Prinzip frisch sein, aus käfigfreier und Freilandhaltung stammen und ganz legal im Supermarkt verkauft werden (allerdings sollte man vor dem Verzehr die Scheiße abspülen).

Futter und Licht

In der Massentierhaltung werden Futter und Licht üblicherweise manipuliert, um die Produktivität zu steigern, was oft zulasten der Tiere geht. Die Hühnerfarmer schalten damit die innere Uhr der Tiere aus, sodass sie mit dem geldbringenden Eierlegen früher und – sehr wichtig – alle gleichzeitig anfangen. Ein Geflügelfarmer beschrieb mir die Situation folgendermaßen:

Sobald das weibliche Geflügel geschlechtsreif wird – in der industriellen Putenzucht dauert das 23 bis 26 Wochen, bei Legehennen 16 bis 20 –, werden die Tiere in gering beleuchtete Hallen gebracht, manchmal werden sie dort 24 Stunden am Tag und sieben Tage pro Woche bei völliger Dunkelheit gehalten. Gleichzeitig werden sie auf äußerst eiweißarmes Futter gesetzt, bei dem sie fast schon hungern. Das geht ungefähr zwei, drei Wochen so. Dann wird das Licht 16 Stunden pro Tag, bei Hennen sogar 20 Stunden lang, angeschaltet, damit die Tiere denken, es ist Frühling. Gleichzeitig setzt man sie auf eiweißreiches Futter. Die Tiere fangen