Früher wurde Intelligenz sehr eng als intellektuelle, kognitive Fähigkeit definiert, inzwischen sprechen wir von verschiedenen Intelligenzen wie räumlich-visueller, zwischenmenschlicher, emotionaler oder musikalischer Intelligenz. Ein Gepard ist nicht intelligent, weil er schnell rennen kann. Aber seine unheimliche Fähigkeit, den Raum zu vermessen – die Hypotenuse zu berechnen, die Bewegungen der Beute vorauszuahnen und im richtigen Moment anzugreifen –, das ist eine bedeutsame geistige Leistung. Das als bloßen Instinkt abzutun ist ungefähr so sinnvoll, wie den Kniesehnenreflex beim ärztlichen Hammerschlag aufs Knie mit der Fähigkeit gleichzusetzen, einen entscheidenden Elfmeter zu verwandeln.
Intelligenz
Generationen von Farmern wussten, dass kluge Schweine lernen, die Riegel ihrer Gattertore zu öffnen. Der britische Naturkundler Gilbert White schrieb 1789 von einer solchen Sau, die zunächst den Riegel des Gattertors aufbekommen hatte, um sodann »alle weiteren dazwischenliegenden Tore zu öffnen und ganz allein zu einem entfernt liegenden Hof zu marschieren, wo [ein Eber] gehalten wurde; und sobald ihrem Zweck gedient war« – wunderbar ausgedrückt –, »kehrte sie auf nämlichem Wege nach Hause zurück«.
Wissenschaftler haben eine Art Schweinesprache belegt, Schweine kommen, wenn man (ein Mensch oder ein anderes Schwein) sie ruft, sie spielen mit Spielzeugen (mit manchen lieber als mit anderen), und man hat beobachtet, dass sie anderen Schweinen in Not zu Hilfe eilen. Dr. Stanley Curtis, ein der Industrie zugeneigter Nutztierforscher, hat die kognitiven Fähigkeiten von Schweinen empirisch untersucht, indem er ihnen beibrachte, mithilfe eines Joysticks, der für Rüssel umgebaut war, Videospiele zu spielen. Sie lernten die Spiele nicht nur, sondern auch genauso schnell wie Schimpansen und zeigten dabei eine bemerkenswerte Auffassungsgabe für abstrakte Repräsentation. Und die Geschichte von Schweinen, die Riegel öffnen, geht noch weiter: Dr. Ken Kephart, ein Kollege von Curtis, bestätigt nicht nur, dass Schweine dazu in der Lage sind, sondern ergänzt, dass sie dabei oft paarweise arbeiten, dass die meisten Ausbrecher Wiederholungstäter sind und dass sie gelegentlich auch anderen Schweinen die Tore öffnen. Schweineintelligenz gehört zur amerikanischen Bauernhof-Folklore, die gleichzeitig Fische und Hühner für besonders dumm hält. Sind sie das wirklich?
Intelligenz?
1992 gab es lediglich 70 Fachartikel über Lernverhalten bei Fischen – ein Jahrzehnt später waren es bereits 500 (inzwischen gibt es mehr als 640 Artikel). Bei keinem anderen Tier hat sich unser Kenntnisstand so rasch und so dramatisch verändert. Wer Anfang der 1990er-Jahre weltweit anerkannter Fachmann für die geistigen Fähigkeiten von Fischen war, wäre heute allenfalls Einsteiger.
Fische bauen komplexe Nester, gehen monogame Beziehungen ein, jagen zusammen mit anderen Arten und benutzen Hilfsmittel. Sie erkennen einander als Individuen (und merken sich, wem zu trauen ist und wem nicht). Sie treffen individuelle Entscheidungen, kennen Sozialprestige und kämpfen um eine bessere soziale Stellung (um aus dem Peer-Review-Journal Fish and Fisheries zu zitieren: Sie verwenden »machiavellistische Strategien der Manipulation, Bestrafung und Versöhnung«). Sie haben ein bedeutendes Langzeitgedächtnis, sind versiert darin, Wissen innerhalb sozialer Netzwerke zu vermitteln, und können Informationen über Generationen hinweg weitergeben. Sie haben sogar, wie es in der Forschungsliteratur heißt, »lang währende ›kulturelle Traditionen‹, die ihnen bestimmte Wege zu Futter-, Lern-, Ruhe-oder Paarungsgründen weisen«.
Und Hühner? Auch hier hat eine Revolution im wissenschaftlichen Verständnis stattgefunden. Dr. Lesley J. Rogers, eine renommierte Professorin für Neurologie und Tierverhaltensforschung, hat die Lateralisation von Vogelhirnen – die Aufteilung des Gehirns in eine rechte und eine linke Hälfte, die unterschiedlich spezialisiert sind – zu einer Zeit entdeckt, als man diese noch für ein Alleinstellungsmerkmal des menschlichen Gehirns hielt. (Inzwischen ist sich die Wissenschaft einig, dass es im Tierreich durchweg Lateralisation gibt.) Nach 40 Jahren Forschungsarbeit über Vogelhirne sei erwiesen, so Rogers, »dass Vögel über kognitive Fähigkeiten verfügen, die denen von Säugetieren, sogar denen von Primaten entsprechen«. Sie führt an, dass sie über ein komplexes Gedächtnis verfügen, das »Ereignisse in einer Art chronologischer Reihenfolge aufzeichnet, woraus sich eine individuelle Autobiografie ergibt«. Wie Fische können auch Hühner Informationen über Generationen hinweg weitergeben. Außerdem betrügen sie einander und können Bedürfnisbefriedigung aufschieben, wenn eine größere Belohnung winkt.
Solche Forschungsergebnisse haben unser Verständnis vom Vogelhirn so sehr verändert, dass im Jahr 2005 Experten aus aller Welt zusammenkamen, um damit zu beginnen, die verschiedenen Bereiche des Vogelhirns neu zu benennen. Sie wollten die alten Begriffe, die sich auf »primitive« Funktionen bezogen, ersetzen – unter Maßgabe der neuen Erkenntnis, dass Vogelhirne Informationen auf analoge (wenn auch nicht gleiche) Weise verarbeiten wie die menschliche Hirnrinde.
Die Vorstellung, wie sich nüchterne Wissenschaftler über Diagramme von Hühnerhirnen beugen und darüber diskutieren, wie sie zu benennen sind, weckt vielschichtige Assoziationen. Man denke an den Anfang der Geschichte vom Anfang der Welt: Adam (noch ohne Eva und ohne göttliche Anleitung) gibt den Tieren einen Namen. Wir setzen seine Arbeit fort, indem wir dumme Menschen »Pute« oder »Kuh« nennen und kopfloses Verhalten mit einem Hühnerhaufen gleichsetzen. Fällt uns nichts Besseres ein? Wenn wir die Auffassung revidieren können, dass die Frau aus einer Rippe geschnitzt wurde, könnten wir dann nicht auch unsere Kategorisierung der Tiere überdenken, die als Rippchen mit Barbecuesoße auf unserem Teller enden – oder die wir als KFC (siehe: KFC) in der Hand halten?
Käfigbatterie
Ist es ein Anthropomorphismus (siehe: ANTHROPOMORPHISMUS), wenn man versucht, sich in den Käfig eines Tieres in Intensivhaltung hineinzudenken? Leugnet man das Menschliche im Tier (siehe: LEUGNEN DES MENSCHLICHEN IM TIER), wenn man es nicht tut?
Der typische Käfig für eierlegende Hühner sieht in den Vereinigten Staaten für jedes Tier 0,043 Quadratmeter Bodenraum vor–irgendwas zwischen der Größe dieser Seite und einem DIN – A4-Blatt. Diese Käfige werden drei bis neun Etagen hoch gestapelt. In Japan gibt es die höchste Käfigbatterie der Welt, dort stehen die Käfige in fensterlosen Leichtbauhallen 18 Etagen hoch.
Versetzen Sie sich in einen überfüllten Aufzug, einen so überfüllten Aufzug, dass Sie sich nicht umdrehen können, ohne Ihren Nachbarn anzurempeln (oder zu verärgern). Der Aufzug ist so überfüllt, dass Sie oft in der Luft hängen. Das ist fast ein Segen, denn der abgeschrägte Boden ist aus Draht, der Ihnen in die Füße schneidet.
Nach einiger Zeit werden die Wesen im Aufzug die Fähigkeit verlieren, im Interesse der Gruppe zu funktionieren. Einige werden gewalttätig, andere drehen durch. Und ein paar werden, da ihnen Futter und Hoffnung versagt ist, zu Kannibalen.
Es gibt keine Auszeit, keine Hilfe. Kein Aufzugmechaniker kommt. Die Tür wird sich nur einmal öffnen, nämlich am Ende Ihres Lebens zu Ihrer Reise an den einzigen Ort, der noch schlimmer ist (siehe: VERARBEITUNG).
KF
C
Stand früher einmal für Kentucky Fried Chicken, heute für gar nichts mehr. KFC kann mit Recht beanspruchen, das Leiden in der Welt mehr gesteigert zu haben als jedes andere Unternehmen in der Geschichte der Menschheit. KFC kauft Jahr für Jahr fast eine Milliarde Hühner – würde man die alle dicht an dicht packen, würden sie die gesamte Halbinsel Manhattan bedecken und noch aus den oberen Stockwerken der Bürohochhäuser quellen –, daher haben die Praktiken des Unternehmens weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche der Geflügelindustrie.