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Ich bin Fleischproduzent
Wenn man mich fragt, was ich mache, dann sage ich, ich bin Farmer im Ruhestand. Mit sechs Jahren habe ich angefangen, Kühe zu melken. Wir haben in Wisconsin gelebt. Mein Daddy hatte eine kleine Herde – 50 Tiere, übern Daumen gepeilt, das war damals typisch. Ich habe jeden Tag gearbeitet, bis ich zu Hause ausgezogen bin, hart gearbeitet. Ich hatte die Nase voll davon, ich dachte, das muss doch besser gehen.
Nach der Highschool habe ich einen Abschluss in Tierwissenschaften gemacht und bei einer Geflügelfirma gearbeitet. Ich habe bei Versorgung, Management und Entwicklung von Putenzuchtfarmen geholfen. Danach war ich bei verschiedenen Unternehmen. Ich habe große Farmen gemanagt, mit einer Million Vögel. Habe Seuchenmanagement gemacht und Herdenmanagement. Problemlösung, könnte man sagen. Landwirtschaft hat viel mit Problemlösung zu tun. Inzwischen bin ich auf Ernährung und Gesundheit von Hühnern spezialisiert. Ich bin im Agribusiness. Man nennt es auch Massentierhaltung, aber ich mag das Wort nicht.
Die Welt ist nicht mehr die, in der ich aufgewachsen bin. In den letzten 30 Jahren ist der Preis für Lebensmittel nicht gestiegen. Im Gegensatz zu allen anderen Ausgaben ist der Preis für Proteine immer derselbe geblieben. Die Farmer mussten immer mehr produzieren, um überleben zu können – ich meine gar nicht reich werden, ich meine nur, etwas zu essen auf den Tisch zu bringen, die Kinder zur Schule schicken und bei Bedarf ein neues Auto kaufen zu können. Eine einfache Rechnung. Wie gesagt, mein Daddy hatte 50 Kühe. Heutzutage hat ein Milchbetrieb normalerweise 1200 Kühe. Mit weniger kann man nicht im Geschäft bleiben. Und weil eine Familie nicht 1200 Kühe melken kann, braucht man vier bis fünf Angestellte, von denen jeder seinen Arbeitsbereich hat: melken, sich um kranke Tiere oder die Ernte kümmern, Futter anbauen. Das ist effizient, und man kann mal so gerade davon leben, aber viele sind Farmer geworden, weil das Landleben so abwechslungsreich ist. Das ist verloren gegangen.
Der wirtschaftliche Druck hat außerdem dazu geführt, dass man Tiere brauchte, die bei geringeren Kosten mehr produzieren. Also züchtet man auf schnelleres Wachstum und verbesserten Stoffwechsel. Solange Lebensmittel im Verhältnis zu allem anderen immer billiger werden, hat der Farmer keine andere Wahl, als bei immer weniger Kosten immer mehr zu produzieren. Er muss ein Tier entwickeln, das dem genetisch standhält, auch wenn sein Wohlergehen dabei auf der Strecke bleibt. Ein bisschen Schwund ist immer. Wenn man 50 000 Hühner in einem Stall hat, geht man davon aus, dass schon in den ersten Wochen Tausende sterben. Mein Vater konnte es sich nicht leisten, ein Tier zu verlieren. Heute geht man von vornherein von 4 Prozent Verlust aus.
Ich erzähle Ihnen von diesen Schattenseiten, weil ich ganz offen sein will. Aber eigentlich haben wir ein großartiges System. Aber perfekt? Das ist es nicht. Kein System ist perfekt. Wenn Sie jemanden finden, der die perfekte Lösung hat, um Millionen und Milliarden Menschen zu füttern, dann sehen Sie noch mal genauer hin. Es ist ja viel die Rede von Eiern von freilaufenden Hühnern und von Kühen, die Gras fressen, und das ist ja auch alles schön und gut. Ich glaube, das geht in die richtige Richtung. Aber damit kriegen wir die Welt nicht satt. Niemals. Man kann nicht Milliarden Menschen mit Eiern von freilaufenden Hühnern füttern. Wenn jemand die kleinen Bauernhöfe für vorbildlich hält, nenne ich das gern das Marie-Antoinette-Syndrom: Wenn das Volk kein Brot hat, soll es Kuchen essen. Erst die Hochleistungsmast hat dafür gesorgt, dass alle genug zu essen haben. Denken Sie mal darüber nach. Wenn wir das aufgeben, geht es den Tieren vielleicht besser, vielleicht sogar auch der Umwelt, aber ich will auch keine Zustände mehr wie 1918 in China. Ich meine Hungersnöte.
Man könnte natürlich sagen, die Leute sollen weniger Fleisch essen, aber ich sag Ihnen eins: Die Leute wollen nicht weniger Fleisch essen. Sie können wie PETA so tun, als würde die Welt morgen aufwachen und feststellen, dass sie Tiere liebt und keine mehr essen will, aber die Geschichte hat gezeigt, dass die Menschen sehr wohl Tiere lieben und sie essen können. Es ist kindisch, und ich würde sogar sagen unmoralisch, über eine vegetarische Welt zu fantasieren, wenn wir schon solche Schwierigkeiten mit dieser hier haben.
Sehen Sie, der amerikanische Farmer hat die Welt satt gemacht. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg darum gebeten, und er hat es getan. Die Menschen konnten noch nie so essen wie heute. Proteine waren noch nie so erschwinglich. Meine Tiere sind vor den Elementen geschützt, sie bekommen so viel Futter, wie sie brauchen, und sie wachsen gut. Tiere werden krank. Tiere sterben. Aber was glauben Sie, was Tieren in freier Wildbahn passiert? Meinen Sie, dort sterben sie an natürlichen Ursachen? Meinen Sie, die werden betäubt, bevor sie getötet werden? In der Natur verhungern Tiere oder werden von anderen Tieren gerissen. So sieht’s aus.
Die Leute wissen heute gar nicht mehr, woher ihr Essen kommt. Es ist nicht synthetisch, es wird nicht im Labor hergestellt, es wächst tatsächlich. Ich kann es nicht leiden, wenn Verbraucher so tun, als würden die Farmer diese Dinge wollen, wo doch in Wahrheit der Verbraucher dem Farmer sagt, was er produzieren soll. Sie wollten billiges Essen. Haben wir produziert. Wenn sie Eier wollen, die nicht aus Käfighaltung stammen, müssen sie deutlich mehr dafür bezahlen. Punkt. Es ist billiger, Eier in riesigen Legebatterien mit Hühnern in Käfigen zu produzieren. Es ist effizienter und deswegen nachhaltiger. Ja, ich behaupte, dass Massentierhaltung nachhaltiger sein kann, obwohl ich weiß, dass das Wort oft gegen die Industrie verwendet wird. Von China über Indien bis Brasilien wächst der Bedarf an tierischen Lebensmitteln – und zwar schnell. Glauben Sie, dass Familienbetriebe eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen ernähren können?
Einem Freund von mir ist vor ein paar Jahren Folgendes passiert: Zwei junge Männer fragten ihn, ob sie für einen Dokumentarfilm über das Farmleben ein bisschen drehen dürften. Sie waren nett, also hat er Ja gesagt. Aber dann haben sie es so dargestellt, als würden die Vögel misshandelt. Sie haben gesagt, die Puten würden geschändet. Ich kenne die Farm. Ich habe sie viele Male besucht, und ich kann Ihnen versichern, dass die Puten dort haben, was sie brauchen, um zu überleben und produktiv zu sein. Man kann Dinge natürlich aus dem Zusammenhang reißen. Wer sich nicht auskennt, kann das manchmal nicht beurteilen. Das Geschäft ist nicht immer schön, aber es ist ein Riesenfehler, etwas Unschönes gleich für falsch zu halten. Jedes Kind mit einer Videokamera meint, es wäre ein Veterinärwissenschaftler, meint, es wüsste alles, was man tatsächlich in langen Jahren lernen muss. Ich weiß, dass man Dinge überzogen darstellen muss, um Menschen zu motivieren, aber ich halte es lieber mit der Wahrheit.