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Die Menschen sind heute so weit weg von den Tieren. Als ich aufgewachsen bin, versorgte man zuerst die Tiere. Bestimmte Arbeiten wurden vor dem Frühstück erledigt. Man hat uns beigebracht, wenn wir uns nicht um die Tiere kümmern, kriegen wir nichts zu essen. Wir sind nie in Urlaub gefahren. Einer musste immer zu Hause sein. Ich weiß noch, dass wir manchmal Ausflüge gemacht haben, aber wir haben sie immer gehasst, denn wenn wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause waren, dann war klar, dass wir draußen auf der Weide rumlaufen und versuchen mussten, die Kühe reinzuholen, um sie dann im Dunkeln zu melken. Das musste gemacht werden, egal, was geschah. Wer diese Verantwortung nicht übernehmen will, darf nicht Farmer werden. Denn so ist es nun mal, wenn man es richtig machen will. Und wenn man es nicht richtig machen kann, sollte man es gar nicht machen. Und noch etwas: Wenn der Verbraucher den Farmer nicht dafür bezahlen will, dass er es richtig macht, dann soll er kein Fleisch essen.

Den Menschen sind diese Dinge wichtig. Und ich meine nicht mal reiche Leute aus der Stadt. Die meisten Kunden, die meine Puten kaufen, sind überhaupt nicht reich; sie kommen so gerade zurecht. Aber sie sind bereit, mehr zu bezahlen, weil sie es für richtig halten. Sie sind bereit, den echten Preis zu zahlen. Und wenn einer sagt, das sei einfach zu viel für einen Truthahn, dann sage ich: »Dann iss keinen.« Möglicherweise kann man es sich nicht leisten, sich um diese Dinge zu kümmern. Aber man kann es sich mit Sicherheit nicht leisten, sich nicht darum zu kümmern.

Es heißt immer, man soll frisch und aus der Region kaufen. Aber das ist Heuchelei. Es sind alles dieselben Vögel, und das Leiden steckt schon in ihren Genen. Als der Truthahn von heute für die Massentierhaltung designt wurde, wurden dafür bei Experimenten Tausende von Truthähnen getötet. Brauchen wir kürzere Beine oder ein kürzeres Brustbein? Wollen wir das Tier so oder lieber anders? Menschliche Babys werden manchmal mit Deformitäten geboren. Da sind wir nicht darauf aus, das Generation für Generation zu reproduzieren. Aber mit den Puten haben sie genau das getan.

Michael Pollan schrieb in The Omnivore’s Dilemma über die Polyface Farm, als wäre sie etwas Tolles, aber diese Farm ist schrecklich. Das ist wirklich ein Witz. Joel Salatin hält dort Industrievögel. Sie können ihn ja mal anrufen und fragen. Dann setzt er sie eben auf eine Weide, aber das ändert ja nichts. Das ist, als würde man einen kaputten Honda auf die Autobahn setzen und behaupten, es wäre ein Porsche. Die Hühnchen von KFC werden fast immer nach 39 Tagen geschlachtet. Das sind Babys. So schnell wachsen sie. Salatins freilaufendes Biohuhn wird mit 42 Tagen geschlachtet. Denn es ist immer noch dasselbe Huhn. Man kann es gar nicht länger am Leben lassen, weil es genetisch so versaut ist. Das muss man sich mal vorstellen: ein Vogel, den man gar nicht über seine Adoleszenz hinaus leben lassen kann. Vielleicht sagt er, er tut, was er kann, aber es ist ihm zu teuer, gesunde Tiere zu halten. Tut mir leid, dafür kann ich ihm nicht auf die Schulter klopfen und ihm erzählen, was für ein Supertyp er ist. Das sind doch keine Dinge, es sind Tiere, da sollte man nicht über »gut genug« reden. Entweder man macht es richtig oder gar nicht.

Ich mache es vom Anfang bis zum Ende richtig. Das Wichtigste ist, dass ich den alten Genpool benutze, die Vögel, die vor 100 Jahren gehalten wurden. Wachsen sie langsamer? Ja. Muss ich ihnen mehr Futter geben? Ja. Aber sehen Sie sie sich an und sagen Sie mir, ob das gesunde Vögel sind.

Ich lasse nicht zu, dass Küken mit der Post verschickt werden. Vielen Leuten ist es egal, dass die Hälfte ihrer Puten beim Verschicken an Stress sterben oder dass die, die überleben, am Ende fünf Pfund leichter sind als die, denen man sofort Futter und Wasser gibt. Mir ist das nicht egal. All meine Tiere bekommen so viel Weideland, wie sie wollen, ich verstümmle sie nicht und gebe ihnen keine Medikamente. Ich manipuliere das Licht nicht und lasse sie nicht hungern, damit sie sich zu unnatürlichen Zeiten fortpflanzen. Ich lasse meine Puten nicht transportieren, wenn es zu kalt oder zu heiß ist. Ich lasse sie nachts transportieren, da sind sie ruhiger. Ich lasse auch nur eine bestimmte Menge Puten in einen Laster, auch wenn man noch viel mehr reinstopfen könnte. Meine Puten werden immer aufrecht getragen, nie an den Füßen gepackt, auch wenn das viel länger dauert. In unserem Verarbeitungsbetrieb müssen sie alles langsamer machen. Ich zahle ihnen doppelt so viel, damit sie es halb so schnell machen. Sie müssen die Puten vorsichtig aus dem Lastwagen holen. Ohne dass Knochen brechen und ohne unnötigenStress. Alles wird von Hand und sorgfältig gemacht. Es wird immer richtig gemacht. Die Puten werden betäubt, bevor sie angehängt werden. Normalerweise werden sie unbetäubt angehängt und durch ein elektrisch geladenes Bad gezogen, aber das machen wir nicht. Wir machen ein Tier nach dem anderen. Ein Mensch macht das, und zwar von Hand. Wenn sie ein Tier nach dem anderen nehmen, dann machen sie es gut. Meine große Angst ist, dass lebende Tiere im kochenden Wasser landen. Meine Schwester hat mal auf einer großen Geflügelfarm gearbeitet. Sie brauchte das Geld. Zwei Wochen hat sie es ausgehalten. Das ist viele Jahre her, aber sie spricht immer noch über den Horror, den sie dort erlebt hat.

Den Menschen sind Tiere nicht egal. Daran glaube ich. Sie wollen es nur nicht wissen oder bezahlen. Ein Viertel aller Hühner hat Ermüdungsbrüche. Das ist doch falsch. Sie sind dicht an dicht gepackt, stehen in ihren eigenen Exkrementen und sehen nie die Sonne. Ihre Krallen wachsen um die Gitter der Käfige herum. Das ist falsch. Sie merken, dass sie geschlachtet werden. Das ist falsch, und die Leute wissen auch, dass es falsch ist. Man muss sie nicht erst überzeugen. Sie müssten sich nur anders verhalten. Ich bin kein besserer Mensch als andere, und ich will niemanden überreden, nach meinen Überzeugungen zu leben. Ich will sie dazu bringen, nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben.

Meine Mutter war Halbindianerin. Ich habe immer noch die Angewohnheit, mich zu entschuldigen wie ein Indianer. Zu Thanksgiving, wenn andere Leute danken, entschuldige ich mich. Ich hasse es, wenn die Puten auf dem Laster sind und zum Schlachthof gefahren werden. Sie sehen mich an und sagen: »Hol mich hier runter.« Töten ist … ist sehr … Manchmal rechtfertige ich mich vor mir selbst damit, dass es die Tiere in meiner Obhut wenigstens so gut wie möglich haben. Es ist wie … sie sehen mich an, und ich sage zu ihnen: »Bitte verzeiht mir.« Ich kann nicht anders. Für mich sind es Individuen. Tiere sind hart. Heute Abend gehe ich raus und hole alle, die über den Zaun gesprungen sind, wieder rein. Diese Puten sind an mich gewöhnt, sie kennen mich, und wenn ich da rausgehe, kommen sie angelaufen, ich mache das Tor auf, und sie kommen herein. Aber gleichzeitig lade ich Tausende von ihnen auf Lastwagen und schicke sie zum Schlachthof.