Die nächste Schlachtstraßenstation des Vogels, der zwar unbeweglich, aber bei Bewusstsein ist, ist der Halsschnittautomat. Langsam läuft das Blut aus den Vögeln heraus, außer wenn die wichtigsten Arterien nicht getroffen wurden, was, wie mir ein anderer Arbeiter erzählte, »andauernd« passiert. Also brauchen Sie weitere Arbeiter, die als sogenannte Nachschneider – »Killer« – den Hühnern, die die Maschine nicht erwischt hat, die Kehle aufschlitzen. Es sei denn, diese Arbeiter erwischen die Vögel ebenfalls nicht, was, wie man mir berichtete, ebenfalls »andauernd« passiert. Laut National Chicken Council (den Vertretern der Industrie) werden jedes Jahr 180 Millionen Hühner unsachgemäß geschlachtet. Auf die Frage, ob diese Zahlen ihn beunruhigen, seufzte Richard L. Lobb, der Sprecher des Councils, und sagte: »Die Sache dauert nur ein paar Minuten.«
Ich habe mit vielen Stopfern, Anhängern und Nachschneidern gesprochen, die beschrieben haben, wie Hühner lebendig und bei Bewusstsein ins Brühbad kommen. (Schätzungen der amerikanischen Regierung zufolge, die ich dank des Freedom of Information Act einsehen konnte, betrifft das etwa vier Millionen Vögel pro Jahr.) Kot auf Haut und Federn verbleibt in den Kesseln, sodass Vögel, die bislang keine hatten, hier durch Einatmen oder über die Haut Krankheitserreger aufnehmen (das heiße Wasser öffnet die Poren).
Nachdem den Vögeln der Kopf abgerissen und die Füße entfernt wurden, werden sie mit einem Vertikalschnitt maschinell geöffnet und ausgenommen (Eviszeration). Hier kommt es oft zu Verschmutzungen, weil die Hochleistungsmaschinen oft die Eingeweide mit aufreißen, sodass Fäkalien in die Körperhöhlen des Huhns geraten. Früher mussten die USDA – Inspektoren diese fäkalverschmutzten Tiere aussortieren. Aber vor ungefähr 30 Jahren überzeugte die Geflügelindustrie das Agrarministerium davon, Fäkalien neu zu klassifizieren, damit sie die Tiere weiterhin maschinell ausweiden lassen konnten. Einst eine gefährliche Verschmutzung, sind Fäkalien jetzt »kosmetische Mängel«. Und die Inspektoren sortieren nur noch halb so viele Tiere aus. Vielleicht würden Lobb und das National Chicken Council dazu auch nur seufzen und sagen: »Das bisschen Kot ist doch in ein paar Minuten gegessen.«
Dann werden die Vögel also von einem Beamten des Agrarministeriums inspiziert, dessen vorgebliche Aufgabe der Verbraucherschutz ist. Der Kontrolleur hat für jeden Vogel ungefähr zwei Sekunden Zeit, um ihn von innen und außen, sowohl den Schlachtkörper als auch die Innereien, auf mehr als ein Dutzend Krankheiten und Anomalien zu untersuchen. Er begutachtet ungefähr 25 000 Vögel am Tag. Der Journalist Scott Bronstein hat eine bemerkenswerte Serie für das Atlanta Journal-Constitution über die Geflügelinspektion geschrieben, die Pflichtlektüre für jeden sein sollte, der darüber nachdenkt, Hühnchen zu essen. Er hat mit fast 100 USDA – Geflügelinspektoren von 37 Schlachthöfen Interviews geführt. »Jede Woche«, berichtet er, »werden Hühner, aus denen gelber Eiter rinnt, die mit grünen Fäkalien verschmutzt, mit gesundheitsgefährdenden Bakterien verseucht oder durch Lungen-oder Herzkrankheiten gezeichnet sind, zum Verkauf an den Verbraucher verladen.«
Als Nächstes kommen die Hühner in ein riesiges Kühlwasserbecken, in dem Tausende von Vögeln zusammen gekühlt werden. Tom Devine vom Government Accountability Project (einer gemeinnützigen Organisation zum Schutz von Informanten aus staatlichen Stellen und Konzernen) berichtet, dass »das Wasser in diesen Becken passenderweise ›Fäkalsuppe‹ genannt wird, weil so viel Dreck und Bakterien darin herumschwimmen. Indem man saubere, gesunde Vögel im selben Becken mit den verschmutzten kühlt, stellt man quasi sicher, dass alle verseucht werden.«
In Europa und Kanada verwendet eine beträchtliche Anzahl der Geflügelverarbeiter Luftkühlungssysteme, in den USA hingegen benutzen 99 Prozent der Geflügelproduzenten weiterhin die überholte Wasserkühlung, trotz Klagen von Verbrauchern und der Rinderindustrie. Der Grund liegt auf der Hand. Bei Luftkühlung sinkt das Gewicht des Kadavers, bei Wasserkühlung saugt das Fleisch Wasser auf (das Wasser, das Fäkalsuppe genannt wird). Eine Studie hat gezeigt, dass die Übertragung von Krankheitserregern vermieden werden könnte, wenn man die Tierkadaver zum Kühlen einfach einzeln in Plastik einschweißen würde. Aber das würde natürlich auch verhindern, dass das Abwasser sich in Form von zusätzlichem Gewicht in zig Millionen Dollar verwandelt.
Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen vom Agrarministerium festgelegten Grenzwert von acht Prozent absorbierter Flüssigkeit, die man offiziell mit dem Fleisch verkaufen durfte. Als das in den 1990er-Jahren publik wurde, gab es verständlicherweise einen Aufschrei. Verbraucher klagten dagegen, weil sie das nicht nur abstoßend fanden, sondern sie sich zudem betrogen fühlten. Die Gerichte kippten die Achtprozentgrenze, weil sie »willkürlich und nicht kalkulierbar« sei.
Ironischerweise gestattete die Interpretation der gerichtlichen Entscheidung durch das Agrarministerium es der Hühnerindustrie, ihre eigenen Untersuchungen durchzuführen, um zu definieren, wie viel Prozent des Hühnerfleischs aus fauligem Chlorwasser bestehen sollten. (Das kommt davon, wenn man die industrielle Landwirtschaft herausfordert.) Inzwischen sind jetzt etwas mehr als elf Prozent Flüssigkeitsaufnahme zulässig (der genaue Prozentsatz steht klein gedruckt auf den Packungen). Sobald die öffentliche Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet war, setzte die Geflügelindustrie die Verordnungen, die zum Schutz der Verbraucher gedacht waren, zu ihrem eigenen Vorteil ein.
Geflügelkonsumenten in den USA schenken mächtigen Geflügelproduzenten dank dieser Flüssigkeit jedes Jahr Millionen zusätzlicher Dollars. Das Agrarministerium weiß das und verteidigt dieses Vorgehen – schließlich tun die Geflügelverarbeiter, wie so viele Farmer es ebenfalls ausdrücken, nur ihr Bestes, um »die Welt zu ernähren«. (Oder in diesem Fall mit Wasser zu versorgen.)
Was ich hier beschrieben habe, ist nicht die Ausnahme. Es hat nichts mit masochistischen Arbeitern, defekten Maschinen oder schwarzen Schafen zu tun. Es ist die Regel. Mehr als 99 Prozent aller in den USA verkauften Hühnchen leben und sterben auf diese Weise.
In einigen Bereichen können die Fabriksysteme sich beträchtlich unterscheiden, beispielsweise beim Prozentsatz der Vögel, die während der Verarbeitung lebendig gebrüht werden, oder bei der Menge Fäkalsuppe, die das Fleisch aufnimmt. Diese Unterschiede sind von Bedeutung. In anderen Bereichen jedoch sind alle Hühnerfarmen – gut oder schlecht bewirtschaftet, mit »Bodenhaltung« oder nicht – im Wesentlichen gleich: Alle Vögel stammen aus Frankensteins Genpool; alle sind eingesperrt; keines der Tiere kennt frische Luft oder die Wärme der Sonne; keines ist zu artspezifischem Verhalten in der Lage wie Nestbau, auf der Stange sitzen, die Umgebung erkunden, eine Hackordnung festlegen; es gibt immer Krankheiten; Leiden ist immer die Regel; die Tiere sind immer nur eine Einheit, ein Gewicht; der Tod ist unvermeidlich grausam. Diese Gemeinsamkeiten sind wichtiger als die Unterschiede.
Dass die Geflügelindustrie so riesig ist, bedeutet: Wenn mit dem System etwas nicht stimmt, dann stimmt mit der Welt etwas nicht. Unter ungefähr diesen Bedingungen werden heute in der Europäischen Union sechs Milliarden Hühner pro Jahr produziert, über neun Milliarden in den USA und mehr als sieben Milliarden in China. Indiens Milliardenbevölkerung isst weniger Huhn pro Kopf, kommt aber dennoch auf jährlich zwei Milliarden Vögel aus Hühnerfabriken, und die Zahlen steigen – wie auch in China – in einem rasanten Tempo, das globale Auswirkungen hat (oft doppelt so schnell wie die schnell wachsende Geflügelindustrie der USA). Alles in allem werden weltweit 50 Milliarden (und mehr) Vögel in Geflügelfabriken produziert. Wenn Indien und China anfangen, ähnliche Mengen Geflügel zu verspeisen wie die Amerikaner, verdoppelt sich diese schwindelerregende Zahl noch einmal.