Bereits in den 1960er-Jahren haben Wissenschaftler vor dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika im Tierfutter gewarnt. Heute haben so unterschiedliche Institutionen wie die American Medical Association, das Seuchenzentrum, das Institute of Medicine (eine Abteilung der National Academy of Sciences) und die Weltgesundheitsorganisation einen Zusammenhang zwischen dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika in Massentierhaltungsbetrieben und einer zunehmenden Resistenz gegen antimikrobielle Mittel nachgewiesen und fordern ein Verbot. In den USA hat die Fleischindustrie ein solches Verbot allerdings immer wieder verhindert. Und es ist offensichtlich, dass die Teilverbote in anderen Ländern auch nur eine Teillösung darstellen.
Es gibt einen himmelschreienden Grund dafür, dass das notwendige absolute Verbot der nichttherapeutischen Benutzung von Antibiotika nicht durchgesetzt wurde: Die Fleischindustrie (im Verbund mit der Pharmaindustrie) hat schlicht mehr Macht als die Gesundheitsbehörden. Woher diese ungeheure Macht der Industrie stammt, ist kein Geheimnis: Wir geben sie ihr. Wir haben uns unwissentlich dafür entschieden, diese Industrie in großem Stil zu finanzieren, indem wir Tierprodukte aus Massentierhaltung kaufen (und Wasser, das als Tierprodukt deklariert wird) – und zwar täglich.
Diese Bedingungen, die dazu geführt haben, dass jedes Jahr 76 Millionen Amerikaner durch ihre Ernährung krank werden, und die dafür sorgen, dass Bakterienstämme resistent werden, tragen auch zum Risiko einer Pandemie bei. Was uns wieder zu der erstaunlichen Konferenz von 2004 zurückführt, bei der die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Weltgesundheitsorganisation und die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) ihre ungeheuren Kräfte gebündelt haben, um die vorhandenen Informationen über neue Zoonosen auszuwerten. Zur Zeit der Konferenz standen H5N1 und SARS ganz oben auf der Liste der befürchteten neuen Zoonosen. Heute wäre H1N1 der Erreger Nummer eins.
Die Wissenschaftler unterschieden zwischen »primären Risikofaktoren« für Zoonosen und einfachen »weiteren Risikofaktoren«, die nur das Tempo betreffen, in dem eine Krankheit sich ausbreitet. Als Beispiele für primäre Risikofaktoren führten sie »Veränderungen in einem landwirtschaftlichen Produktionssystem oder Verbrauchergewohnheiten« an. Was für Veränderungen in Landwirtschaft und Verbrauchergewohnheiten waren das genau? Das erste auf der Liste der vier wichtigsten Risikofaktoren war die »zunehmende Nachfrage nach tierischem Eiweiß«, mit anderen Worten, die Nachfrage nach Fleisch, Eiern und Milch ist ein »primärer Risikofaktor« für neue von Tieren übertragene Krankheiten.
Diese Nachfrage nach tierischen Produkten, fährt der Bericht fort, führt zu »Veränderungen der landwirtschaftlichen Methoden«. Damit keine Verwirrung aufkommt: Diese »Veränderungen« betreffen vor allem die Massentierhaltungsbetriebe für Geflügel.
Zu ähnlichen Schlüssen kam das Council for Agricultural Science and Technology, das Experten der Industrie mit denen von WHO, OIE und USDA zusammenbrachte. Ihr Bericht von 2005 führt an, eine wichtige Folge der Massentierhaltung sei »die rasante Selektion und Verbreitung von Erregern aus einem bösartigen Stamm (oft durch schleichende Mutation entstanden), weshalb es ein erhöhtes Risiko für das Auftauchen und/ oder die Verbreitung von Krankheiten« gebe. In überfüllten, stressfördernden, fäkalienverseuchten und künstlich beleuchteten Hühnerfabriken genetisch einheitliche und krankheitsanfällige Vögel zu produzieren fördert Wachstum und Mutation der Erreger. Zu den »Kosten der Effizienzsteigerung«, schließt der Bericht, gehöre ein weltweit erhöhtes Krankheitsrisiko. Wir haben eine einfache Wahclass="underline" billige Hühner oder unsere Gesundheit.
Der Zusammenhang zwischen Massentierhaltung und Pandemie könnte nicht offensichtlicher sein. Der Urvater des kürzlich ausgebrochenen H1N1 (Schweinegrippe) stammt von einer Schweinefarm in North Carolina, dem amerikanischen Bundesstaat mit der höchsten Dichte an Schweinefarmen, und verbreitete sich schnell in Nord-und Südamerika. In diesen Massentierhaltungsbetrieben fanden Wissenschaftler zum ersten Mal Viren, die das genetische Material von Hühner-, Schweine-und Menschenviren trugen. Wissenschaftler der Universitäten Columbia und Princeton haben tatsächlich sechs der acht genetischen Sequenzen des (im Moment) am meisten gefürchteten Virus der Welt direkt auf amerikanische Massentierhaltungsbetriebe zurückgeführt.
Vielleicht verstehen wir im Grunde auch ohne diese ganzen wissenschaftlichen Erkenntnisse längst, dass irgendetwas schrecklich schiefläuft. Unsere Nahrung besteht aus Leiden. Wenn man uns anbietet, uns einen Film darüber zu zeigen, woher unser Fleisch kommt, wissen wir, dass es ein Horrorfilm sein wird. Wir wissen vielleicht mehr, als wir zugeben, und schieben das in den hintersten Winkel unseres Bewusstseins – wir wollen damit nichts zu tun haben. Wenn wir Fleisch aus Massentierhaltung essen, leben wir buchstäblich von gefoltertem Fleisch. Und dieses gefolterte Fleisch wird zunehmend unser eigenes.
Weitere Einflüsse
DER VERZEHR VON INDUSTRIEFLEISCH kann nicht nur zu lebensmittelinduzierten und übertragbaren Krankheiten führen, sondern beeinflusst die menschliche Gesundheit auch auf andere Weise: Am offensichtlichsten ist der inzwischen anerkannte Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und den wichtigsten Todesursachen (erstens Herzinfarkt, zweitens Krebs, drittens Schlaganfall). Etwas weniger offensichtlich ist der verzerrende Einfluss der Fleischindustrie auf die Ernährungsinformationen, die wir von der Regierung und von Medizinern erhalten.
1917, als der Erste Weltkrieg Europa verwüstete und kurz bevor die Spanische Grippe die ganze Welt verwüstete, gründete eine Gruppe von Frauen – teilweise durch den Wunsch motiviert, die amerikanischen Lebensmittelvorräte in Kriegszeiten optimal nutzen zu können – die heute wichtigste US – Organisation von Menschen in Lebensmittel-und Ernährungsberufen, die American Dietetic Association (ADA). Seit den 1990erJahren gibt die ADA das Standardwerk zu den nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteilen einer vegetarischen Ernährung heraus. Die ADA nimmt dabei eine vorsichtige Haltung ein und lässt eine Menge gut dokumentierter gesundheitlicher Vorteile außer Acht, die mit einer Reduktion des Konsums tierischer Produkte einhergeht. Hier sind die drei Schlüsselsätze aus der Zusammenfassung ihrer Zusammenfassung der relevanten wissenschaftlichen Literatur. Erstens:
Eine ausgewogene vegetarische Ernährung ist für alle Menschen in jeder Lebensphase geeignet, einschließlich Schwangerer, stillender Mütter, Kinder und Jugendlicher, ebenso wie für Sportler.
Zweitens:
Eine vegetarische Ernährung enthält weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin, aber mehr Ballaststoffe, Magnesium und Kalium, Vitamine C und E, Folsäure, Karotinoide, Flavonoide und andere Phytochemikalien.
An anderer Stelle weist das Papier darauf hin, dass Vegetarier und Veganer (einschließlich Sportlern) »ausreichend oder sogar mehr« Protein zu sich nehmen. Es sagt außerdem, dass eine übermäßige Zufuhr von tierischem Eiweiß schädlich sein kann und mit Osteoporose, Nierenleiden, Harnsteinen und einigen Krebsarten in Zusammenhang steht. Laut ADA sind Vegetarier und Veganer in der Regel viel besser mit Proteinen versorgt als Allesesser.
Und schließlich die wirklich wichtige Neuigkeit, die nicht auf Vermutungen basiert (so fundiert solche Vermutungen auch sein mögen), sondern auf dem Nonplusultra der Ernährungsforschung: Studien an lebenden Menschen.