Die Gesundheitsprobleme, mit denen die Nachbarn der Tierfabriken heftig zu kämpfen haben, verbreiten sich unmerklich, aber stetig im ganzen Land. Die American Public Health Association, der weltgrößte Berufsverband im Bereich Gesundheitswesen, fand die Entwicklung so alarmierend, dass man unter Auflistung eines ganzen Spektrums von Krankheiten, die mit Tierexkrementen und dem Missbrauch von Antibiotika zusammenhängen, einen Genehmigungsstopp für Massentierhaltungsbetriebe forderte. Die Stiftung Pew Charitable Trusts, die Studien zu gesellschaftspolitischen Zukunftsfragen finanziert, hat eine Expertenkommission eingesetzt, die nach zweieinhalbjähriger Forschungsarbeit sogar noch weiter geht: Der Abschlussbericht fordert zur Verbesserung des Tierschutzes und der öffentlichen Gesundheit eine stufenweise, aber letztlich völlige Abschaffung bestimmter »intensiver und inhumaner Tierhaltungspraktiken«.
Die wichtigsten Entscheidungsträger – die täglich auswählen, was sie essen und was nicht – sind allerdings untätig geblieben. Bis jetzt haben wir weder ein landesweites Moratorium noch gar eine Abschaffung der Massentierhaltung gefordert. Wir haben Smithfield und Konsorten so reich gemacht, dass sie Hunderte von Millionen Dollar investieren können, im Ausland zu expandieren. Und das tun sie nicht zu knapp: Smithfield, das sich noch vor nicht allzu langer Zeit aufs US – Geschäft beschränkte, hat sich inzwischen über den ganzen Globus ausgebreitet und operiert in Belgien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien und Spanien. Der Wert der Smithfield-Aktien im Besitz von Joseph Luter III. wurde vor Kurzem auf 138 Millionen Dollar geschätzt. Sein Nachname wird wie das englische Wort »looter« ausgesprochen, was »Plünderer« bedeutet.
4.
Unser neuer Sadismus
UMWELTPROBLEME LASSEN SICH von Ärzten und Behörden aufspüren, deren Aufgabe es ist, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern, aber wie findet man etwas über das Leiden der Tiere in Massenhaltung heraus, das meistens keine Spuren hinterlässt?
Verdeckte Ermittlungen von engagierten gemeinnützigen Organisationen sind das einzige Schlüsselloch, das der Öffentlichkeit einen Blick auf den unzulänglichen Arbeitsalltag von industriellen Mastbetrieben und Schlachtfabriken gewährt. Ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Video aus einer Tierfabrik in North Carolina zeigte, dass einige Arbeiter täglich Tiere verprügelten, mit einem Schraubenschlüssel auf trächtige Sauen eindroschen, Muttertieren eine Eisenstange tief in Rektum oder Vagina rammten. Damit sollen nicht etwa der Geschmack des zu gewinnenden Fleisches verbessert oder die Schweine aufs Schlachten vorbereitet werden – es ist reine Perversion. Weitere Aufnahmen zeigen, wie Mitarbeiter Schweinen bei vollem Bewusstsein Beine absägten oder die Haut abzogen. In einem anderen Betrieb eines der größten Schweinefleischproduzenten der Vereinigten Staaten wurden Arbeiter gefilmt, wie sie Schweine herumwarfen, prügelten, traten; sie auf den Betonboden knallten, ihnen mit eisernen Torstangen und Hämmern auf den Kopf schlugen. Mehrere Jahre dauernde Untersuchungen in einem weiteren Betrieb wiesen die systematische Misshandlung von 10 000 Schweinen nach: Mitarbeiter drückten Zigaretten auf Tieren aus, schlugen sie mit Harken oder Schaufeln, strangulierten sie, warfen sie in Güllegruben und ließen sie ertrinken. Man steckte den Schweinen Elektroschocker in die Ohren, in die Vagina oder den Anus. Die Untersuchung belegte, dass die Betriebsleiter diese Misshandlungen billigten, doch die Behörden weigerten sich, Ermittlungen einzuleiten. Dieser Verzicht auf Strafverfolgung ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es ist nicht so, dass die Behörden derzeit sehr milde gestimmt wären – Unternehmen brauchten schlicht noch nie ernsthafte Bestrafungen zu fürchten, wenn ihre Nutztiere misshandelt wurden.
Egal, welche Art Massentierhaltung wir betrachten, überall zeigen sich ähnliche Probleme. Tyson Foods ist einer der größten Lieferanten von Kentucky Fried Chicken. Eine Untersuchung in einem großen Betrieb des Unternehmens ergab, dass einige Mitarbeiter regelmäßig Hühnern bei vollem Bewusstsein den Kopf abrissen (mit ausdrücklicher Erlaubnis ihres Vorgesetzten), in den Bereich urinierten, wo die Tiere lebend zur Schlachtung aufgehängt werden (auch auf das Schlachtband, die Transportschiene für die Tiere), und dass sie fehlerhaftes Schlachtgerät, das den Tieren nicht den Hals durchtrennte, sondern in den Körper schnitt, ungerührt weiterlaufen ließen. Bei einem »Lieferanten des Jahres« von KFC, Pilgrim’s Pride, wurden Hühner bei vollem Bewusstsein getreten, zertrampelt, gegen Wände geschleudert, ihnen wurde Tabaksaft in die Augen gespuckt, buchstäblich die Scheiße aus dem Leib gedrückt oder die Schnäbel abgerissen. Tyson und Pilgrim’s Pride beliefern nicht allein KFC; während ich dies schreibe, sind sie die beiden größten Hühnchenverarbeiter des Landes, die zusammen jedes Jahr fast fünf Milliarden Tiere töten.
Auch ohne verdeckte Nachforschungen und Enthüllungen über die extremen (wenn auch nicht ungewöhnlichen) Misshandlungen durch Mitarbeiter, die ihren Frust an Tieren auslassen, wissen wir, dass Tiere aus industrieller Viehzucht elendig dahinvegetieren.
Schauen wir uns das Leben einer trächtigen Sau an. Ihre unglaubliche Fruchtbarkeit ist der Grund für ihre besondere Hölle. Während eine Kuh immer nur ein Kalb zur Welt bringt, kann die moderne Zuchtsau im Schnitt neun Ferkel werfen, säugen, großziehen – und die Zahl wird von den industriellen Züchtern ständig weiter erhöht. Sie muss unweigerlich so häufig wie nur irgend möglich trächtig sein, also den größten Teil ihres geschlechtsreifen Lebens. Wenn der Wurftermin naht, werden ihr wahrscheinlich Medikamente verabreicht, damit sie zu einem dem Züchter genehmen Zeitpunkt wirft. Sobald die Ferkel entwöhnt sind, werden der Sau Hormone gespritzt, damit sie so rasch wie möglich wieder empfängnisbereit ist und nur drei Wochen später bereits wieder künstlich befruchtet werden kann.
In vier von fünf Fällen verbringt die Sau die 16 Wochen Schwangerschaft in einem Kastenstand, der so eng ist, dass sie sich nicht umdrehen kann. Ihre Knochendichte nimmt aufgrund des Bewegungsmangels ab. Sie hat keinerlei Einstreu und bekommt daher vom Reiben am Käfig oft münzgroße, schwärzlich schwärende wunde Stellen. (Bei einer verdeckten Ermittlung in Nebraska wurden trächtige Sauen mit einer Vielzahl offener, entzündeter Wunden im Gesicht, an Kopf, Schultern, Rücken und Beinen – manche davon faustgroß – auf Video aufgenommen. Ein Mitarbeiter kommentierte: »Die haben alle Wunden … hier drin gibt es kaum ein Schwein, das nicht solche Wunden hat.«)
Noch ernster und tief greifender ist das Leiden der trächtigen Sauen aufgrund von Langeweile, Isolation und Unterdrückung des starken Brutpflegetriebs. In der Natur würde sie viel Zeit damit verbringen, zu scharren und schließlich aus Gras, Heu oder Stroh ein Nest zu bauen. Um zu starke Gewichtszunahme