Vor Kurzem haben mein Freund und ich angefangen, vegetarisches Sushi zu essen oder zum Italiener nebenan zu gehen. Statt der Puten-Burger, die mein Vater gegrillt hat, werden sich meine Kinder meiner vegetarischen Burger erinnern, die ich im Garten anbrennen lassen werde. Bei unserem letzten Pessachfest spielte der Gefilte Fisch eine untergeordnete Rolle, doch wir erzählten uns Geschichten darüber (damit habe ich offensichtlich nicht aufgehört). Dem Auszug aus Ägypten – die großartigste aller Geschichten vom höchst unerwarteten Sieg der Schwachen über die Starken – wurden neue Geschichten von Schwachen und Starken hinzugefügt.
Das Entscheidende an diesen besonderen Mahlzeiten, die wir zu besonderen Anlässen mit besonderen Menschen einnahmen, war doch, dass wir sie willentlich von allen anderen Mahlzeiten abhoben. Indem wir nun eine weitere willentliche Entscheidung hinzufügen, bereichern wir sie. Ich bin auf jeden Fall dafür, Traditionen zugunsten eines guten Zwecks aufzugeben, aber in diesem Fall wurde die Tradition weniger aufgegeben als vielmehr mit neuem Leben gefüllt.
Für mich ist es ganz einfach falsch, Schweinefleisch aus Massentierhaltung zu essen oder es meiner Familie zu essen zu geben. Wahrscheinlich ist es sogar falsch, schweigend dabeizusitzen, wenn Freunde Fleisch aus Massentierhaltung essen, so schwierig es auch sein mag, etwas zu sagen. Schweine sind eindeutig von hoher Intelligenz und sind ebenso eindeutig in den Tierfabriken zu einem elendigen Leben verdammt. Der Vergleich mit einem Hund, der sein Leben lang im Kleiderschrank eingesperrt wird, trifft einigermaßen, auch wenn er noch viel zu harmlos ist. Und die Umweltargumente gegen die Massentierhaltung sind so wasserdicht wie vernichtend.
Aus ähnlichen Gründen würde ich auch kein Geflügel oder Meerestiere aus industrieller Haltung essen. Es bewegt einen vielleicht weniger, diesen Tieren in die Augen zu schauen, als das beim Schwein der Fall ist, aber unser Bewusstsein bestimmt eben auch, was wir sehen. Was ich im Laufe meiner Recherchen über die Intelligenz und die soziale Entwicklung von Vögeln und Fischen gelernt habe, zwingt mich, die Größe ihres Elends ebenso ernst zu nehmen wie das leichter zu begreifende Elend industriell gehaltener Schweine.
Rinder, die auf Mastparzellen, sogenannten »Feedlots«, gemästet werden, finde ich weniger problematisch (und ein Rind, das vollständig auf der Weide groß geworden ist, liefert wahrscheinlich das unbedenklichste Fleisch überhaupt – mehr darüber im nächsten Kapitel). Doch die Feststellung, dass irgendetwas weniger bedenklich ist als Fleisch aus einer der riesigen Schweine- oder Geflügelfabriken, sagt so gut wie nichts aus.
Für mich stellt sich folgende Frage: Wenn es für meine Familie vollkommen unnötig ist, Tiere zu essen – im Gegensatz zu Menschen in anderen Gegenden der Welt kommen wir problemlos an eine reiche Auswahl anderer Nahrungsmittel –, sollten wir sie trotzdem essen? Und ich beantworte diese Frage als jemand, der sehr gern Tiere gegessen hat. Vegetarische Ernährung kann vielseitig und schmackhaft sein, doch im Gegensatz zu vielen Vegetariern könnte ich nicht guten Gewissens behaupten, dass sie ebenso befriedigend ist wie Ernährung mit Fleisch. (Menschen, die Schimpansen essen, sind der Ansicht, dass es der westlichen Nahrungspalette leider an einem großen Genuss mangelt.) Ich liebe Sushi, ich liebe Brathähnchen, ich liebe ein gutes Steak. Aber meine Liebe hat Grenzen.
Seit ich die Wirklichkeit der Massentierhaltung mit eigenen Augen gesehen habe, ist mir die Entscheidung, kein konventionelles Fleisch mehr zu essen, nicht mehr schwergefallen. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass außer denjenigen, die Profit daraus ziehen, irgendjemand diese industrielle Tierhaltung verteidigen wollte.
Bei Betrieben wie Paul Willis’ Schweinefarm oder Frank Reeses Geflügelhof wird die Sache allerdings komplizierter. Ich bewundere ihre Arbeit, und in Anbetracht der Alternativen kann man sie im Grunde nur heldenhaft nennen. Die Tiere, die sie aufziehen, bedeuten ihnen etwas, und sie behandeln sie so gut, wie es ihnen möglich ist. Und wenn wir Verbraucher unsere Nachfrage nach Schwein und Geflügel auf die Menge reduzieren könnten, die das Land bei vernünftiger Produktion hergibt (ein sehr großes Fragezeichen), gäbe es keine schlagenden ökologischen Argumente gegen ihre Form der Landwirtschaft.
Es stimmt natürlich, dass jede Form des Tierverzehrs notwendigerweise die Massentierhaltung unterstützt, wenn auch indirekt, indem sie die Nachfrage nach Fleisch erhöht. Das ist gar nicht so nebensächlich, aber dennoch nicht der Hauptgrund, warum ich kein Schweinefleisch von Paul Willis’ oder Geflügel von Frank Reeses Hof essen würde – und es fällt mir schwer, diesen Satz zu schreiben, denn ich weiß, dass Paul und Frank, die inzwischen meine Freunde sind, ihn lesen werden.
Paul tut, was er kann, doch auch seine Schweine werden kastriert, und sie werden über weite Strecken zum Schlachthof transportiert. Und bevor er Diane Halverson kennenlernte, die Tierschutzexpertin, die seine Arbeit für Niman Ranch von Anfang an unterstützte, kupierte auch er die Schwänze der Schweine, was nur zeigt, dass auch die mitfühlenden Farmer manchmal weniger auf das Wohl ihrer Tiere bedacht sind, als sie könnten.
Und schließlich die Schlachthöfe. Frank spricht ganz offen darüber, wie schwierig es ist, seine Truthähne auf eine für ihn akzeptable Weise schlachten zu lassen – den optimalen Schlachthof für seine Vögel hat er noch nicht gefunden. Was die Schweineschlachtung betrifft, ist Paradise Locker Meats tatsächlich eine Art Paradies. Doch die strukturelle Organisation der amerikanischen Fleischindustrie und die Bestimmungen des Agrarministeriums zwingen Paul und Frank, ihre Tiere in Schlachthöfe zu schicken, über deren Tun sie nur sehr begrenzte Kontrolle haben.
Wie alles hat auch jeder landwirtschaftliche Betrieb seine Schwachstellen, ist Fehlleistungen und Unfällen ausgesetzt, arbeitet manchmal nicht nach Plan. Das Leben ist voller Fehler, aber manche zählen mehr als andere. Wie fehlerhaft müssen Viehzucht und Schlachtung sein, damit es zu viel ist? Verschiedene Menschen werden die Grenze unterschiedlich ziehen, wenn es um Betriebe wie die von Paul und Frank geht. Auch Menschen, die ich respektiere, werden sie an anderer Stelle ziehen als ich. Doch für mich – und für meine Familie – sind heute die Bedenken angesichts der Realität der Fleischproduktion, angesichts dessen, was aus Fleisch geworden ist, so groß, dass ich ganz darauf verzichte.
Natürlich kann ich mir Umstände vorstellen, unter denen ich Fleisch essen würde – sogar solche, unter denen ich einen Hund verzehren würde –, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich mich je in solchen Umständen wiederfinden werde. Vegetarier zu sein ist in einigen Bereichen Auslegungssache. Ich für meinen Teil habe mich von einer Geisteshaltung verabschiedet, in der ich ständig Einzelentscheidungen darüber treffe, ob ich ein bestimmtes Tier esse (wer kann das schon ständig aushalten?), und mich entschieden, gar keine mehr zu essen.
Was mich wieder zum Bild von Kafka bringt, wie er im Berliner Aquarium vor den Fischen steht und sie mit neu gewonnener innerer Ruhe betrachtet, nachdem er beschlossen hatte, keine Tiere mehr zu essen. Für Kafka waren die Fische Teil seiner unsichtbaren Familie – nicht ebenbürtig, aber doch andere Lebewesen, denen sein Mitgefühl galt. Eine ähnliche Erfahrung machte ich bei Paradise Locker Meats. Ich war nicht unbedingt »ruhig«, als mich in Marios Schlachthof unerwartet der Blick eines Schweins traf, das nur noch Sekunden zu leben hatte. (Waren Sie schon einmal das Letzte, was jemand im Leben sah?) Aber ich war auch nicht zutiefst beschämt. Das Schwein war kein Behältnis meines Vergessens, sondern meines Mitgefühls. Das erleichterte mich, erleichtert mich immer noch. Für das Schwein spielt meine Erleichterung keine Rolle. Aber für mich. Und das gehört zu meiner Einstellung zum Essen von Tieren. Wenn ich nur meine Seite betrachte – die des essenden Tieres, nicht die des gegessenen –, fühle ich mich einfach nicht ganz, wenn ich so bewusst, so absichtlich vergesse.