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Manche Viehzüchter weisen gern darauf hin, dass in einigen Gebieten der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel unmöglich und Rinderhaltung die gangbare Alternative ist und dass Rindfleisch die Nährstoffversorgung sichern kann, wenn Ernten vernichtet werden. Solche Argumente lassen sich aber nur ernsthaft für Entwicklungsländer anführen. Die wichtigste wissenschaftliche Stimme zu dem Thema ist wohl R.K. Pachauri, der Vorsitzende des Weltklimarats (IPCC), der 2007 für seine Klimaforschung den Friedensnobelpreis erhielt. Er vertritt die Ansicht, dass sich die Einwohner der Industrieländer allein aus Gründen des Umweltschutzes vegetarisch ernähren müssten.

Zu PETA bin ich natürlich des Tierschutzes wegen gekommen, schließlich lernen wir schon in der Schule, dass andere Tiere genau wie wir aus Fleisch, Blut und Knochen bestehen. Ein Schweinehalter in Kanada hat Dutzende Frauen umgebracht und sie an die Fleischerhaken gehängt, wo normalerweise die Schweineleiber hängen. Als vor Gericht herauskam, dass einige der Frauen zu Nahrungsmitteln verarbeitet wurden, gab es in der Öffentlichkeit einen unwillkürlichen Aufschrei der Empörung und des Ekels, denn Menschen hatten das Fleisch in gutem Glauben als Schweinefleisch verzehrt. Den Unterschied zwischen gehacktem Menschen-und Schweinefleisch konnten die Verbraucher nicht erkennen – natürlich nicht. Die anatomischen Unterschiede zwischen Mensch und Schwein (oder auch Rind oder Huhn) sind unbedeutend im Vergleich zu den Übereinstimmungen – ein Kadaver ist ein Kadaver, Fleisch ist Fleisch.

Andere Tiere verfügen über die gleichen fünf Sinne wie wir. Und wir lernen immer mehr darüber, dass sie psychologische und emotionale Bedürfnisse sowie ein Verhalten haben, wie es die Evolution auch bei uns hervorgebracht hat. Wie Menschen empfinden auch andere Tiere Freude und Schmerz, Glück und Unglück. Dass Tiere von vielen gleichen Emotionen bewegt werden wie wir, kann inzwischen als gesichert gelten. Ihre komplexen Gefühle und Verhaltensweisen bloß als »Instinkt« zu beschreiben, ist dumm, da würde mir Nicolette sicher zustimmen. In unserer heutigen Welt ist es leicht, die offensichtlichen moralischen Konsequenzen dieser Übereinstimmungen zu ignorieren – es ist bequem, politisch gewollt und allgemein verbreitet. Außerdem ist es falsch. Aber es reicht nicht zu wissen, was richtig und falsch ist; die andere, wichtigere Seite einer moralischen Erkenntnis ist das Handeln.

Ist Nicolettes Tierliebe echt? Ja, wenn sie ihre Tiere als Individuen betrachtet und ihnen kein Leid zufügen will. Doch für mich ist es nur schwer zu begreifen, wie sie sie trotzdem brandmarken, Kinder ihren Müttern entreißen, ihnen die Kehle aufschlitzen kann. Und zwar aus folgendem Grund: Versuchen Sie mal, ihr Plädoyer für Fleischverzehr auf die Haltung und Schlachtung von Hunden oder Katzen auszuweiten – oder gar auf Menschen. Die wenigsten von uns würden da folgen. Ihre Argumente ähneln auf fatale Weise (und gleichen sogar strukturell) denen von Sklavenhaltern, die dafür warben, Sklaven besser zu behandeln, ohne die Sklaverei ganz abzuschaffen. Man könnte jemanden in die Sklaverei zwingen und ihm trotzdem »ein gutes Leben und einen leichten Tod« bieten, wie Nicolette es in Bezug auf Nutztiere formuliert. Ist das besser, als Sklaven zu misshandeln? Klar. Aber trotzdem will das sicher niemand.

Oder versuchen Sie es mit einem anderen Gedankenexperiment: Würden Sie Tiere ohne Schmerzlinderung kastrieren? Würden Sie sie brandmarken? Würden Sie ihnen die Kehle aufschlitzen? Versuchen Sie bitte, sich diese Praktiken anzuschauen (das Video »Meet Your Meat« ist im Internet leicht zu finden und ein guter Einstieg). Die meisten Menschen würden so etwas nicht tun. Die meisten von uns möchten es nicht einmal sehen. Wie unredlich ist es dann, andere dafür zu bezahlen, solche Dinge zu tun? Bezahlte Tierquälerei, gefolgt von Auftragsmord – und wofür? Für ein Produkt, das niemand braucht: Fleisch.

Es mag »natürlich« sein, Fleisch zu essen, und die meisten Menschen mögen es akzeptabel finden – sie tun es jedenfalls schon seit sehr langer Zeit –, aber das sind keine ethischen Argumente. Tatsächlich sind die gesamte menschliche Zivilisation und jeglicher moralische Fortschritt eine ausdrückliche Überwindung des »Natürlichen«. Dass die meisten Menschen in den Südstaaten die Sklaverei befürwortet haben, sagt nichts darüber, ob es moralisch in Ordnung war oder nicht. Das Gesetz des Dschungels ist kein moralischer Standard, auch wenn es den Fleischessern hilft, ihr Fleisch mit besserem Gewissen zu essen.

Der Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, der aus dem von den Nazis besetzten Polen fliehen konnte, setzte die Ungleichbehandlung der Spezies mit den »extremsten rassistischen Theorien« gleich. Für Singer war das Eintreten für Tierrechte die reinste Form des Kampfes für soziale Gerechtigkeit, weil Tiere die wehrlosesten unter den Geknechteten dieser Erde seien. Für ihn war die Misshandlung von Tieren der Inbegriff des moralisch falschen Rechts des Stärkeren. Wir opfern ihre grundsätzlichsten und wichtigsten Bedürfnisse der Befriedigung flüchtigster menschlicher Interessen, und das nur, weil wir es können. Natürlich unterscheidet sich das menschliche Tier von allen anderen Tieren. Menschen sind einzigartig, nur eben nicht so, dass deshalb tierisches Leiden bedeutungslos würde. Denken Sie mal nach: Essen Sie Huhn, weil Sie die wissenschaftliche Literatur über Hühner kennen und auf dieser Grundlage beschlossen haben, dass ihr Leiden zu vernachlässigen sei, oder weil Huhn Ihnen schmeckt?

Üblicherweise bedeuten ethisch-moralische Entscheidungen eine Wahl zwischen unvermeidlichen und ernsthaften Interessenkonflikten. In diesem Fall sehen die widerstreitenden Interessen so aus: auf der einen Seite das Verlangen eines Menschen nach Gaumenfreuden, auf der anderen Seite das Bedürfnis eines Tieres, nicht die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen. Nicolette erzählt Ihnen, bei ihr bekämen die Tiere »ein gutes Leben und einen leichten Tod«. Aber das Leben, das sie ihren Tieren bietet, ist bei Weitem nicht so angenehm wie das, was die meisten von uns unseren Hunden und Katzen gönnen. (Sicherlich leben und sterben ihre Tiere besser als die von Smithfield, aber gut?) Und selbst wenn, was wäre das für ein Menschenleben, das mit zwölf Jahren zu Ende ist? So alt werden nämlich nach Menschenalter die ältesten Tiere auf Bills und Nicolettes Ranch, wenn sie nicht zur Zucht bestimmt sind.

Nicolette und ich sind einer Meinung, dass unsere Ernährungsentscheidungen einen großen Einfluss auf andere Menschen haben. Wenn man selbst Vegetarier wird, hat man eine vegetarische Einheit in seinem Lebensumfeld geschaffen; überzeugt oder beeinflusst man eine weitere Person vom Vegetarismus, ist diese Einheit bereits doppelt so groß. Und man kann natürlich noch viel mehr Menschen erreichen. Welche Ernährungsweise man auch wählt, die öffentliche Seite des Essens ist entscheidend.

Der Entschluss, überhaupt Fleisch zu essen (selbst wenn es aus weniger tierquälerischer Produktion stammt), wird andere ermuntern, Fleisch aus Massentierhaltung zu essen, auch wenn sie es sonst vielleicht nicht getan hätten. Was sollen wir davon halten,