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Früher waren amerikanische Bürger der Lebensmittelproduktion sowohl räumlich als auch geistig näher. Diese Verbindung und Vertrautheit sorgte dafür, dass diese Lebensmittel auf eine Weise produziert wurden, die den Werten der Bürger entsprach. Doch die Industrialisierung der Landwirtschaft hat die Verbindung gekappt und diese moderne Ära der Entfremdung eingeleitet. Unsere derzeitige Lebensmittelproduktion, vor allem die Massentierhaltung in engen Käfigen, widerspricht den Grundwerten der meisten Amerikaner, die Nutztierhaltung an sich für ethisch vertretbar halten, aber überzeugt sind, dass jedem Tier ein anständiges Leben und ein humaner Tod zusteht. Das war schon immer fester Bestandteil des amerikanischen Wertesystems. Als Präsident Eisenhower im Jahr 1958 das Gesetz über humane Schlachtmethoden (Humane Methods of Slaughter Act) unterzeichnete, bemerkte er, nach Lektüre der Briefe, die er zu diesem Gesetzesvorhaben erhalten habe, könne man zu dem Schluss kommen, Amerikaner interessierten sich ausschließlich für humane Schlachtmethoden.

Gleichzeitig war und ist die große Mehrheit der Amerikaner wie auch der Bewohner zahlreicher anderer Länder der Ansicht, dass Fleischverzehr ethisch vertretbar ist. Das ist ebenso natürlich wie kulturell bedingt. Kulturell bedingt in der Hinsicht, dass jeder Mensch, der in einem Haushalt aufwächst, wo täglich Fleisch und Milchprodukte konsumiert werden, dieses Schema normalerweise übernimmt. Sklaverei ist da eine unpassende Analogie. Zwar war die Sklaverei in bestimmten historischen Epochen oder geografischen Grenzen weitverbreitet, aber sie war nie eine so allgemeingültige, alltägliche Praxis wie der Verzehr von Fleisch, Fisch, Eiern oder Milchprodukten in menschlichen Gesellschaften überall auf der Welt.

Ich sage, dass Fleischessen natürlich ist, weil eine riesige Anzahl von Tieren in freier Wildbahn das Fleisch anderer Tiere isst. Dazu gehören natürlich auch der Mensch und seine menschenähnlichen Vorfahren, die vor ungefähr anderthalb Millionen Jahren angefangen haben, Fleisch zu essen. In den meisten Weltgegenden und für den weitaus größten Teil der Geschichte von Mensch und Tier war Fleischverzehr nie bloß eine Frage des Genusses, sondern Überlebensgrundlage.

Der Nährstoffreichtum von Fleisch sowie die Allgegenwart des Fleischverzehrs in der Natur sind für mich deutliche Fingerzeige, dass er artgerecht ist. Manchmal wird darauf hingewiesen, man dürfe sich bei moralischen Bewertungen nicht an der Natur orientieren, weil sich in freier Wildbahn auch Verhaltensweisen wie Vergewaltigung und Kindsmord beobachten lassen. Dieses Argument trägt jedoch nicht, denn es zieht Verhaltensanomalien zur Begründung heran. So etwas geschieht bei Tieren unter normalen Umständen nicht. Es wäre eindeutig falsch und dumm, sich an den Abweichungen zu orientieren, um normales und akzeptables Verhalten zu definieren. Die Regeln natürlicher Ökosysteme sind im Hinblick auf Ökonomie, Stabilität und Ordnung von unendlicher Weisheit. Und Fleischverzehr ist (war schon immer) die Regel in der Natur.

Was ist zu dem Argument zu sagen, dass wir Menschen, unabhängig von natürlichen Gesetzmäßigkeiten, kein Fleisch essen sollten, weil Fleischproduktion an sich eine Verschwendung von Ressourcen darstellt? Auch diese Behauptung ist irreführend. Diesbezügliche Zahlenwerte gehen davon aus, dass Nutzvieh industriell gehalten und mit Getreide und Soja gefüttert wird, das mit intensivem Kunstdüngereinsatz angebaut wurde. Solche Daten lassen sich jedoch nicht auf grasfressende Tiere wie Rinder, Ziegen, Schafe oder Hirsche anwenden, die ausschließlich auf Weideland aufgezogen werden.

David Pimentel von der Cornell University war lange Zeit der führende Forscher im Bereich der Energiebilanzen in der Lebensmittelproduktion. Pimentel propagiert keinen Vegetarismus. Er merkt sogar an, dass »alle verfügbaren Daten nahelegen, dass der Mensch ein Allesesser ist«. In seinem wegweisenden Werk Food, Energy, and Society sagt er, dass Nutzvieh »eine wichtige Rolle … bei der Nahrungsversorgung des Menschen« spiele. Das erklärt er folgendermaßen: »Zunächst einmal wandelt Nutzvieh Weidefutter in Randhabitaten effektiv in für den Menschen nutzbare Nahrung um. Zweitens dienen die Viehherden als lebendes Nahrungslager. Drittens können Nutztiere in Jahren mangelnder Niederschläge und schwacher Ernteerträge gegen Getreide eingetauscht werden.«

Außerdem verschließt sich jeder, der behauptet, Nutztierhaltung an sich sei schlecht für die Umwelt, einem ganzheitlichen Blick auf die nationale und weltweite Nahrungsproduktion. Land umzupflügen und Nutzpflanzen anzubauen ist auch an sich umweltschädlich. Grasende Tiere haben bei der Entstehung zahlreicher existierender Ökosysteme über Zehntausende von Jahren eine prägende Rolle gespielt, und grasende Tiere sind der ökologisch sinnvollste Weg, solche Prärien, Gras- und Heidelandschaften zu erhalten.

Wie Wendell Berry in seinen Schriften sehr klug darstellt, sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die beides, Viehzucht und Ackerbau, betreiben, die ökologischsten. Solche Betriebe ahmen natürliche Ökosysteme mit ihrem kontinuierlichen und komplexen Zusammenspiel von Flora und Fauna nach. Viele (wahrscheinlich die meisten) Erzeuger von biologischem Obst und Gemüse brauchen den Mist von Nutztieren als Düngemittel.

Die Wahrheit ist, dass jede Art der Lebensmittelproduktion die Umwelt in gewissem Maße verändert. Nachhaltige Landwirtschaft setzt sich zum Ziel, diesen Eingriff zu minimieren. Weidewirtschaft ist – vor allem innerhalb eines breit aufgestellten Agrarbetriebs – die am wenigsten invasive Art der Nahrungsproduktion, weil Luft-und Wasserverschmutzung, Erosion und Einfluss auf die Wildtierwelt minimal bleiben. Außerdem gedeihen Nutztiere auf diese Weise am besten. Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, diese Art Landwirtschaft zu unterstützen, und ich bin stolz darauf.

3.

Wissen wir es besser?

BRUCE FRIEDRICH VON PETA (die Stimme, die auf den vorherigen Seiten zwischen Nicolette und Bill zu hören war) auf der einen, die Nimans auf der anderen Seite stehen für die beiden institutionellen Reaktionen auf unser derzeitiges System der Nutztierproduktion. Die beiden Ansichten repräsentieren zwei unterschiedliche Strategien. Bruce tritt für Tierrechte, Bill und Nicolette treten für Tierschutz ein.

Aus einem bestimmten Blickwinkel scheinen die beiden Ansätze übereinzustimmen: Beiden geht es um eine Verminderung der Gewalt. (Wenn die Tierrechtsvertreter sagen, dass Tiere nicht zu unserer Verwertung bestimmt sind, dann fordern sie praktisch, das Leid zu minimieren, das wir ihnen zufügen.) Von diesem Standpunkt aus scheint der entscheidende Unterschied der beiden Positionen – der uns dazu bringt, sich einer von beiden anzuschließen – die Voraussage darüber zu sein, welche Lebensweise tatsächlich zu einer solchen Verminderung der Gewalt gegen Tiere führen wird.

Die Tierrechtsvertreter, denen ich im Lauf meiner Recherche begegnet bin, beschäftigen sich kaum mit fundierter Kritik an (ganz zu schweigen von aktivem Widerstand gegen) Szenarien, in denen gute Hirten wie Frank, Paul, Bill und Nicolette eine glückliche Nutztiergeneration nach der anderen aufziehen. Diese Vorstellung einer stabilen humanen Landwirtschaft scheint den meisten Tierrechtsaktivisten weniger verwerflich als vielmehr hoffnungslos romantisch. Sie glauben nicht daran. Aus ihrem Blickwinkel entspricht die Tierschutzposition ungefähr dem Vorschlag, man solle alle grundlegenden Kinderrechte abschaffen, ungeheure finanzielle Anreize für Wirtschaftsunter-nehmen bieten, in denen Kinder sich zu Tode schuften, die gesellschaftliche Ächtung der Kinderarbeit wegfallen lassen und dann irgendwie erwarten, dass zahnlose Gesetze für den »Kinderschutz« schon für deren anständige Behandlung sorgen werden. Dieser Vergleich soll nicht etwa Tiere und Kinder auf die gleiche moralische Ebene setzen, sondern zeigen, wie verletzlich und fast unbegrenzt ausbeutbar beide sind, wenn andere nicht für sie eintreten.