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Selbst bei den Autoren, die eigentlich großes Lob verdienen, weil sie die Massentierhaltung in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung gerückt haben, findet sich oft eine schale Verleugnung der wahren Schrecken, die wir anrichten. In seiner provokanten und oft brillanten Rezension von Pollans The Omnivore’s Dilemma erklärt B.R. Myers diesen weithin akzeptierten intellektuellen Trend:

Die Technik funktioniert wie folgt: Man vertritt die gegensätzliche Ansicht, bis man sich in eine Ecke manövriert hat. Dann lässt man das Thema einfach fallen und verdrückt sich, wobei man vorgibt, nicht etwa mit der eigenen Vernunft am Ende zu sein, sondern sie überwunden zu haben. Dass man die eigene Überzeugung nicht mit Vernunftgründen in Einklang bringen kann, wird daraufhin als großes Geheimnis verklärt, und die demütige Bereitschaft, mit dem Unbegreifbaren zu leben, erhebt einen über niedere Geister und ihre billigen Gewissheiten.

Das Spiel hat noch eine weitere Regeclass="underline" Man darf nie, wirklich niemals zugeben, dass man praktisch die ganze Zeit die Wahl hat zwischen Grausamkeit und ökologischer Zerstörung auf der einen Seite und der Entscheidung, keine Tiere mehr zu essen, auf der anderen.

Es ist tatsächlich nicht schwer zu verstehen, wieso die Fleischindustrie nicht einmal enthusiastische Fleischesser in die Nähe ihrer Schlachtanlagen kommen lässt. Selbst in den Schlachthöfen, wo die meisten Rinder einen schnellen Tod sterben, ist kaum ein Tag vorstellbar, an dem nicht zahlreiche Tiere (Dutzende? Hunderte?) ein unfassbar grauenhaftes Ende finden. Dass die Fleischindustrie sich an moralische Standards halten könnte, die den meisten von uns selbstverständlich scheinen (den Tieren ein gutes Leben und einen leichten Tod bieten, möglichst viel verwerten), ist nicht bloß ein schöner Traum, sie wäre dann allerdings nicht in der Lage, die ungeheuren Mengen billigen Fleisches pro Kopf zu liefern, die wir derzeit konsumieren.

In einem typischen Rinderschlachthof werden die Tiere durch einen schmalen Gang in die Schussbox geführt – meist eine große, zylinderförmige Haltevorrichtung, woraus der Kopf hervorschaut. Der »Knocker« hält dem Rind ein großes pneumatisches Bolzenschussgerät zwischen die Augen. Der Stahlbolzen schießt in den Schädel und zieht sich dann ins Schussgerät zurück, das Tier wird normalerweise bewusstlos oder ist tot. Manchmal jedoch ist das Rind nur benommen, es bleibt entweder gleich bei Bewusstsein oder wacht später beim Zerlegen wieder auf.

Wie wirksam das Betäuben ist, hängt vom Modell und der Wartung sowie vom Können des Knockers ab – ein kleines Loch im Luftschlauch oder ein Schuss, bevor sich genügend Druck aufgebaut hat, und der Bolzen wird mit weniger Kraft herausgeschossen, wodurch dem Rind zwar auf groteske Weise der Schädel eingedrückt wird, es jedoch unter Schmerzen bei Bewusstsein bleibt.

Die Wirkung der Betäubung wird oft reduziert, weil manche Schlachthofleiter meinen, ein Tier könne nach dem Bolzenschuss schon »zu tot« sein, das Herz also nicht mehr pumpen, weshalb es dann zu langsam oder nicht ausreichend ausblutet. (Für den Betrieb ist es »wichtig«, dass jedes Tier schnell ausblutet, damit effizient weitergearbeitet werden kann und weil im Fleisch verbliebenes Blut bakterielles Wachstum fördert und die Haltbarkeit verringert.) Daher wählen manche Schlachthöfe absichtlich eine weniger wirksame Betäubungseinstellung. Das hat den Nebeneffekt, dass ein höherer Prozentsatz von Tieren mehrfach geschossen werden muss, bei Bewusstsein bleibt oder beim Verarbeiten wieder aufwacht.

Zähne zusammenbeißen, nicht wegschauen jetzt: Sagen wir, was wir meinen: Tiere bluten aus, werden enthäutet und zerteilt – bei vollem Bewusstsein. Das kommt ständig vor, die Industrie und die Behörden wissen es. Mehrere Schlachthöfe, die wegen Ausbluten oder Enthäuten oder Zerlegen lebender Tiere mit Bußgeldern belegt worden waren, verteidigten ihr Handeln als in der Schlachtindustrie völlig üblich und wollten – im Grunde zu Recht – wissen, wieso man ausgerechnet sie herausgegriffen habe.

Als Temple Grandin im Jahr 1996 eine Überprüfung der gesamten Branche durchführte, ergaben ihre Recherchen, dass es der überwältigenden Mehrheit der Schlachthöfe nicht gelang, Rinder mit einem einzigen Bolzenschuss zu betäuben. Das Agrarministerium, zuständig für die Durchsetzung des Gesetzes über humane Schlachtmethoden, reagierte darauf nicht etwa mit einer Verschärfung der Überwachung, sondern indem es die Übertretungen einfach nicht mehr registrierte und die Einhaltung der humanen Schlachtmethoden von der Liste der Kontrollaufgaben seiner Inspektoren strich. Seit damals hat sich die Situation etwas verbessert, was Grandin vor allem auf Überprüfungen zurückführt, welche die Fast-Food-Branche verlangte (nachdem diese von Tierrechtsgruppen angegriffen worden war), doch sie bleibt weiterhin höchst unerfreulich. Nach Grandins jüngsten Schätzungen – eher optimistisch, weil sie sich auf Ergebnisse angekündigter Überprüfungsbesuche stützen – gelingt es weiterhin in jedem vierten großen Rinderschlachthof nicht, die Tiere mit dem ersten Schuss bewusstlos zu machen. Für kleinere Anlagen gibt es praktisch keine Statistiken, doch die Experten sind sich einig, dass die Tiere dort oft noch deutlich schlechter behandelt werden. Nicht eine ist ohne Makel.

Die Rinder am hinteren Ende des Ganges, der in den Tötungsraum führt, scheinen nicht zu begreifen, was sie erwartet, doch wenn sie den ersten Bolzenschuss überleben, dann wissen sie offenbar sehr genau, dass sie um ihr Leben kämpfen. Ein Arbeiter dazu: »Die Köpfe recken sich hoch, sie schauen sich um, versuchen, sich zu verstecken. Das Ding hat sie schon einmal getroffen, und sie wollen es nicht wieder an sich rankommen lassen.«

Die Kombination aus erhöhtem Schlachttempo – es hat sich in den letzten 100 Jahren um 800 Prozent erhöht – und schlecht ausgebildeten Hilfsarbeitern, die unter grauenhaften Umständen schuften, hat eine hohe Fehlerquote zur Folge. (Schlachthofarbeiter haben die höchste Verletzungsrate aller Berufe – 27 Prozent pro Jahr – und werden miserabel dafür bezahlt, in einer Schicht bis zu 2050 Rinder zu töten.)

Temple Grandin vertritt die Ansicht, dass auch ganz normale Menschen, wenn sie ständig unter menschenunwürdigen Umständen in einem Schlachthof arbeiten müssten, zu Sadisten werden können. Das sei ein ständiges Problem, schreibt sie in ihrem Bericht, auf das sich die Betriebsleitungen einstellen müssten. Manchmal werden Tiere überhaupt nicht betäubt. In einem Betrieb drehten Schlachthofarbeiter (nicht etwa Tierrechtsaktivisten) heimlich ein Video und ließen es der Washington Post zukommen. Darauf sah man Rinder, bei vollem Bewusstsein an der Schlachtbahn aufgehängt, zum Zerlegen fahren, einem Jungochsen wurde ein Elektroschocktreiber ins Maul gerammt. Nach Angaben der Post »unterzeichneten über 20 Mitarbeiter eine eidesstattliche Erklärung des Inhalts, dass die auf dem Videoband gezeigten Verstöße gang und gäbe seien und dass ihre Vorgesetzten davon wüssten«. In einer dieser Erklärungen heißt es: »Ich habe Tausende und Abertausende Rinder lebendig in die Zerlegung gehen sehen … Manchmal hängen sie schon sieben Minuten am Förderband und leben immer noch. Ich habe mal am Enthäuter gestanden, und selbst da waren sie noch am Leben. Da wird die ganze Haut vom Hals abwärts abgezogen.« Wenn den Beschwerden von einfachen Arbeitern überhaupt jemand zuhört, werden sie daraufhin oft gefeuert.

Wenn ich nach Hause kam, hatte ich schlechte Laune … bin direkt nach unten gegangen und habe mich schlafen gelegt. Die Kinder angeschrien und so. Einmal bin ich richtig ausgerastet – [meine Frau] weiß das auch. Da kam eine dreijährige Färse den Schlacht