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Als Celia Steele ihre ersten Masthähnchen auf engem Raum großzog, konnte sie nicht ahnen, welche Auswirkungen das haben würde. Als Charles Vantress rote Cornish und New Hampshires kreuzte und damit 1946 das »Chicken of Tomorrow« produzierte, den Urahn der heutigen Masthähnchen beziehungsweise Broiler, war nicht annähernd vorstellbar, wozu er da beitrug.

Wir können uns nicht mit Unwissenheit herausreden, nur mit Gleichgültigkeit. Wer heute lebt, gehört zu den Generationen, die es inzwischen besser wissen. Wir haben die Last und die Gelegenheit, in einer Zeit zu leben, in der die Kritik an der Massentierhaltung ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist. Wir sind diejenigen, die man zu Recht fragen wird: Was habt ihr getan, als ihr die Wahrheit über das Essen von Tieren erfahren habt?

3.

Die Wahrheit über das Essen von Tieren

SEIT 2000 – als Temple Grandin über verbesserte Bedingungen in Schlachthäusern berichtete – gibt es beglaubigte Protokolle über Arbeiter, die Stangen als Baseballschläger benutzten, um kleine Truthähne durch die Luft zu schlagen, die auf Küken trampelten, um sie »platzen« zu sehen, die lahme Schweine mit Metallrohren verprügelten und Rinder bei vollem Bewusstsein zerlegten. Man muss gar nicht auf heimlich gedrehte Videos von Tierrechtsorganisationen zurückgreifen, um solche Gräueltaten zu sehen – weil es sie massenhaft gibt. Ich hätte mehrere Bücher – eine Enzyklopädie der Grausamkeiten – mit Zeugenaussagen von Arbeitern füllen können.

Gail Eisnitz hat in ihrem Buch Slaughterhouse etwas Ähnliches wie eine solche Enzyklopädie geschaffen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hat sie dafür recherchiert und zahlreiche Interviews mit Arbeitern geführt, die zusammen über zwei Millionen Stunden an Schlachthoferfahrung vorweisen können; kein anderes Werk zu diesem Thema ist so aussagekräftig.

Einmal war der Bolzenschussapparat den ganzen Tag kaputt, da haben sie ein Messer genommen und den noch stehenden Rindern den Hals am Kamm aufgeschnitten. Da fallen die Rinder einfach um und zucken. Und sie stechen Rindern ins Hinterteil, damit sie vorwärts gehen. Brechen ihnen die Schwänze. Schlagen sie ganz brutal … Und das Rind muht unablässig mit weit rausgestreckter Zunge.

Es ist nicht leicht, darüber zu reden. Du stehst unter totalem Stress, dem ganzen Druck. Und es klingt richtig gemein, aber ich habe ihnen den Elektro-Treibstab in die Augen gesteckt. Und ihn dort gelassen.

Im Tötungsbereich, wo immer viel Blut fließt, macht einen der Blutgeruch ganz aggressiv. Wirklich. Du kriegst die Einstellung, dass wenn ein Schwein nach dir tritt, du es ihm heimzahlst. Eigentlich tötest du es ja schon, aber das reicht noch nicht. Es muss leiden … Du gehst hart ran, setzt ihm zu, schlägst ihm die Luftröhre kaputt, lässt es in seinem eigenen Blut ertrinken. Spaltest ihm die Nase. Da rennt also ein lebendes Schwein durch die Wanne. Es guckt zu mir hoch, und wenn ich grade den Job als Stecher habe, dann nehme ich das Messer und – krrrk – schneide ihm ein Auge raus, während es einfach dahockt. Und dann schreit das Schwein wie am Spieß. Einmal habe ich mein Messer genommen–e sist ziemlich scharf – und einem Schwein ein Stück von der Nase abgeschnitten, als wär’s eine Scheibe Mortadella. Das Schwein ist ein paar Sekunden lang durchgedreht. Dann hat es bloß noch dagehockt und irgendwie dumm geguckt. Also nehme ich eine Handvoll Salz und reibe es ihm in die Nase. Da ist das Schwein richtig ausgeflippt und hat die Nase wie wild durch die Gegend geschüttelt.

Ich hatte noch ein bisschen Salz auf der Hand – ich trug einen Gummihandschuh –, das drückte ich dem Schwein direkt in den Arsch. Das arme Vieh wusste nicht mehr, ob es scheißen oder blind werden sollte … Ich war nicht der Einzige, der solche Sachen gemacht hat. Ein Schlachter, mit dem ich zusammenarbeite, treibt die Schweine manchmal noch lebend in das Brühbad. Und jeder – die Treiber, die Anhänger, die Saubermacher – schlagen Schweine mit Metallrohren. Jeder weiß das, alles.

Solche Aussagen sind bestürzend repräsentativ in den Interviews von Eisnitz. Die beschriebenen Vorfälle werden von der Industrie zwar nicht gebilligt, aber es ist bekannt, dass sie nicht unüblich sind.

Heimlich durchgeführte Untersuchungen haben durchweg gezeigt, dass Schlachthofarbeiter, die sich unter Bedingungen abrackern, die von Human Rights Watch als »systematische Menschenrechtsverletzungen« bezeichnet werden, ihren Frust oft an den Schlachttieren auslassen oder sich schlicht den Vorarbeitern beugen, die verlangen, dass das Schlachtband keinesfalls und ohne Rücksicht auf Verluste angehalten werden darf. Manche Arbeiter sind im wahrsten Wortsinn eindeutig Sadisten. Mir ist so jemand allerdings nie begegnet. Die mehreren Dutzend Arbeiter, die ich kennengelernt habe, waren gute Menschen, kluge und ehrliche Menschen, die ihr Bestes in einer unmöglichen Situation gaben. Die Verantwortung liegt in der Mentalität der Fleischindustrie, die Tiere und »Humankapital« wie Maschinen behandelt. Ein Arbeiter formulierte es so:

Das Schlimmste, schlimmer noch als die körperliche Gefahr, ist der emotionale Preis. Wenn du eine Weile als Stecher arbeitest, entwickelst du eine Haltung, die dich töten lässt, ohne groß nachzudenken. Es kommt vor, dass du einem Schwein in die Augen guckst, das unten im Tötungsbereich rumläuft, und du denkst, Gott, ist doch wirklich ein ganz hübsches Tier. Manchmal willst du es sogar streicheln. Zu mir sind Schweine gekommen, die im Tötungsbereich waren, und haben sich angekuschelt wie kleine Hündchen. Zwei Minuten später musste ich sie töten–mit einem Rohr totschlagen … Wenn ich oben arbeitete und Schweinen die Därme rausnahm, konnte ich den Tötungsbereich ausblenden und mir vorstellen, ich würde an einem normalen Fließband arbeiten und helfen, die Leute zu ernähren. Das konnte ich unten im Stechbereich nicht. Da habe ich getötet.

Wie verbreitet müssen solche Grausamkeiten eigentlich sein, bis ein vernünftiger Mensch nicht mehr über sie hinwegsehen kann? Wenn Sie wüssten, dass eines von 1000 Schlachttieren so etwas wie oben beschrieben über sich ergehen lassen muss, würden Sie dann weiter Tiere essen? Eines von 100? Eines von zehn? Am Ende von The Omnivore’s Dilemma schreibt Michael Pollan: »Ich muss sagen, dass ein Teil von mir die moralische Klarheit des Vegetariers beneidet … Aber ein Teil von mir bemitleidet ihn auch. Träume von Unschuld sind eben nur Träume; meistens basieren sie auf einem Leugnen der Wirklichkeit, und das kann eine eigene Form der Hybris sein.« Er hat recht, dass emotionale Reaktionen zu einer arroganten Entfremdung führen können. Aber muss man sie wirklich bemitleiden, nur weil sie versuchen, ihren Traum von Unschuld zu leben? Und wer leugnet in diesem Fall die Wirklichkeit?

Als Temple Grandin anfing, das Ausmaß von Tiermissbrauch in Schlachthöfen zu beziffern, berichtete sie, dass sie bei 32 Prozent der von ihr mit angekündigten Inspektionen untersuchten Schlachtanlagen »bewusste grausame Handlungen, die regelmäßig vorkommen«, beobachtet hatte. Diese Statistik ist so schockierend, dass ich sie dreimal lesen musste. Bewusste Handlungen, die regelmäßig vorkommen, beobachtet von einem Kon