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muss man einfach eine Entscheidung treffen, weil »das Gewissen einem sagt, dass sie richtig ist«. Diese berühmten Worte von King und die Bemühungen von Chávez’ United Farm Workers sind auch unser Vermächtnis. Vielleicht möchten wir gern sagen, dass solche Bewegungen für soziale Gerechtigkeit nichts mit den Zuständen in der Massentierhaltung zu tun haben. Die Unterdrückung von Menschen ist kein Tiermissbrauch. Kings und Chávez’ Sorge galt dem Leid der Menschheit, nicht dem Leid der Tiere oder der globalen Erwärmung. Schön und gut. Über den impliziten Vergleich, der mit der Nennung der beiden einhergeht, kann man sich natürlich streiten oder sogar ärgern, aber es lohnt sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass César Chávez und Kings Frau Coretta Scott King Veganer waren, ebenso wie Kings Sohn Dexter. Wir legen das Erbe von Chávez und King – das Erbe Amerikas – zu eng aus, wenn wir von vornherein ausschließen, dass ihre Worte nicht auch als Stellungnahme gegen das Unterdrückungssystem der Massentierhaltung zu verstehen sind.

5.

Der globale Tisch

WENN SIE DAS NÄCHSTE MAL ETWAS ESSEN, stellen Sie sich vor, dass neun weitere Personen mit Ihnen am Tisch sitzen und dass Sie zusammen alle Menschen auf dem Planeten vertreten. Nach Staaten geordnet sind zwei Ihrer Tischgenossen Chinesen, zwei Inder, und ein fünfter vertritt alle anderen Länder in Nordost-, Süd-und Zentralasien. Ein sechster vertritt die Staaten Südostasiens und Ozeanien. Ein siebter Afrika südlich der Sahara und ein achter den Rest Afrikas und den Nahen Osten. Ein neunter vertritt Europa. Der verbleibende Platz, der die Länder Süd-, Zentral- und Nordamerika repräsentiert, ist für Sie.

Würden die Plätze nach Muttersprachen vergeben, hätten nur die chinesisch Sprechenden einen eigenen Vertreter. Alle Englisch-und Spanischsprachler müssten sich einen Stuhl teilen.

Nach Religion geordnet sind drei Personen Christen, zwei Muslime, und drei gehören dem Buddhismus, traditionellen chinesischen Religionen oder dem Hinduismus an. Wieder zwei andere stammen aus anderen religiösen Gemeinschaften oder sind nicht religiös. (Meine jüdische Gemeinde, die kleiner ist als die Fehlerspanne bei der chinesischen Volkszählung, bekäme nicht mal einen halben Tuches auf einen Stuhl.)

Wäre die Tischordnung gemäß der Ernährung, ist eine Person hungrig, und zwei sind übergewichtig. Mehr als die Hälfte isst überwiegend vegetarische Kost, aber diese Zahl sinkt langsam. Die strengeren Vegetarier und Veganer haben so gerade einen Platz am Tisch. Und immer wenn jemand nach Eiern, Hühnchen oder Schwein greift, stammen sie in über 50 Prozent der Fälle aus einem Mastbetrieb. Wenn sich die gegenwärtige Entwicklung in den nächsten 20 Jahren fortsetzt, wird das auch für Rind und Lamm zutreffen.

Würde sich die Tischordnung nach Bevölkerungszahlen richten, hätten die Vereinigten Staaten nicht die geringste Chance, einen Platz zu ergattern, aber sie bekämen zwischen zwei und drei Plätzen, wenn nach der Menge des Verzehrs gesetzt würde. Kein Volk liebt das Essen so wie wir, und wenn wir ändern, was wir essen, ändert sich auch die Welt.

Ich habe mich weitgehend darauf beschränkt darzulegen, wie unsere Ernährungsentscheidungen die Ökologie unseres Planeten und das Leben der Tiere beeinflussen, aber ich hätte das gesamte Buch auch über öffentliches Gesundheitswesen, Arbeiterrechte, zerfallende ländliche Strukturen oder weltweite Armut schreiben können – allesamt Bereiche, die erheblich durch die Massentierhaltung beeinflusst werden. Natürlich ist die Massentierhaltung nicht die Ursache für alle Probleme in der Welt, auch wenn bemerkenswert viele sich an genau diesem Punkt überschneiden. Und es ist ebenso bemerkenswert und völlig unwahrscheinlich, dass Menschen wie Sie und ich wirklichen Einfluss auf die Massentierhaltung haben. Aber niemand kann den Einfluss der amerikanischen Konsumenten auf die weltweit praktizierten Methoden in der Landwirtschaft leugnen.

Ich merke, dass ich gefährlich nahe daran bin, die kuriose Ansicht zu vertreten, jeder könne etwas bewirken. Die Wirklichkeit ist natürlich komplizierter. Als »einzelner Esser« werden Ihre Entscheidungen die Industrie nicht verändern. Das stimmt, aber Sie essen eben nicht allein, es sei denn, Sie besorgen sich Ihr Essen heimlich und verzehren es in aller Abgeschiedenheit. Wir essen als Söhne und Töchter, als Familien, als Gemeinden, als Generationen, als Staaten und zunehmend auch als ganze Welt. Wir können unser Essen nicht aus diesem Zusammenhang herauslösen, selbst wenn wir es wollten.

Wie Ihnen jeder mehrjährige Vegetarier bestätigen wird, kann der Einfluss auf das, was andere in unserem Umkreis essen, erstaunlich sein. Die National Restaurant Association (ein Interessenverband der Restaurants in Amerika) hat empfohlen, dass jedes Restaurant im Land mindestens ein vegetarisches Hauptgericht anbietet. Warum? Ganz einfach: Ihren eigenen Umfrageergebnissen zufolge haben ein Drittel der Restaurantbetreiber einen Aufwärtsknick bei der Nachfrage nach vegetarischen Gerichten verzeichnet. Eine führende Zeitschrift der Restaurantindustrie, Nation’s Restaurant News, empfiehlt Restaurants, »vegetarische oder vegane Speisen in die Speisekarte auf(zu)nehmen. Vegetarische Gerichte sind nicht nur billiger … sie entschärfen auch die Vetostimmen. Wenn in einer Gruppe ein Veganer ist, wird er in der Regel bestimmen, wo gegessen wird.«

Abermillionen von Werbedollars werden nur darauf verwendet, dass wir in Filmen sehen, wie Menschen Milch trinken oder Fleisch essen, und noch mehr Millionen werden dafür ausgegeben, dass, wenn ich einen Softdrink in der Hand halte, jeder möglichst aus einiger Entfernung erkennt, ob es Cola oder Pepsi ist. Die National Restaurant Association ist dafür nicht verantwortlich, und die internationalen Unternehmen geben keine Millionen für Product-Placement aus, um uns das gute Gefühl zu vermitteln, dass wir Einfluss auf andere haben. Sie erkennen schlicht die Tatsache, dass Essen eine soziale Handlung ist.

Sobald wir unsere Gabeln heben, beziehen wir Position. Wir setzen uns in die eine oder andere Beziehung zu Nutztieren, Farmarbeitern, Nationalökonomien und Weltmärkten. Keine Entscheidung zu treffen – also zu essen »wie alle anderen« –, heißt, die einfachste Entscheidung zu treffen, eine, die zunehmend problematisch ist. In den meisten Zeiten und an den meisten Orten war es fraglos eine gute Idee, über das eigene Essen zu entscheiden, ohne sich zu entscheiden und wie alle anderen zu essen. Heute zu essen wie alle anderen, heißt, ein Tropfen zu sein, der das Fass irgendwann zum Überlaufen bringt. Unser Tropfen ist vielleicht nicht der entscheidende, aber der Akt wird wiederholt – jeden Tag in unserem Leben und vielleicht jeden Tag im Leben unserer Kinder und Kindeskinder …

Die Sitzverteilung und die Portionen am globalen Tisch, von dem wir alle essen, ändern sich. Die zwei Chinesen haben viermal so viel Fleisch auf ihrem Teller wie noch vor mehreren Jahrzehnten – und der Haufen wird noch höher. Unterdessen beäugen die zwei Menschen am Tisch, die kein sauberes Trinkwasser haben, die Chinesen misstrauisch. Tierische Produkte machen heute nur 16 Prozent der chinesischen Nahrung aus, aber die Massentierhaltung ist für über 50 Prozent des chinesischen Wasserverbrauchs verantwortlich – und das zu einer Zeit, wo der Wassermangel in China bereits weltweit Grund zur Sorge gibt. Die verzweifelte Person an unserem Tisch, die sich anstrengen muss, um genügend zu essen zu bekommen, sorgt sich berechtigterweise vielleicht noch mehr darum, ob der weltweite Trend zum Fleischessen im amerikanischen Stil die für ihn oder sie lebensnotwendigen Getreide noch weiter reduziert.

Mehr Fleisch bedeutet größere Nachfrage nach Getreide und mehr Hände, die sich darum streiten. Um das Jahr 2050 herum werden Nutztiere genauso viel Nahrung verzehren wie vier Milliarden Menschen. Die derzeitige Entwicklung legt nahe, dass aus der einen hungernden Person an unserem Tisch leicht zwei werden könnten (jeden Tag kommen 270 000 hungernde Menschen hinzu). Das wird so gut wie sicher passieren, genauso wie die Übergewichtigen noch einen weiteren Platz erhalten. Man kann sich leicht eine Zukunft vorstellen, in der die meisten Plätze am globalen Tisch entweder von übergewichtigen oder unterernährten Menschen besetzt sind.