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„Warum haben Sie Selek Bei dann in die Firma aufgenommen? Nur, weil er sich mit den Buddhisten und den Mohammedanern gleich gut versteht?“

„Nicht nur darum, Herr Thaler. Er ist in der ganzen Welt ein hochgeschätzter Mann. Die einen schätzen ihn, weil er für die Armen und Unterdrückten der Erde eintritt, die anderen, weil er das Oberhaupt einer religiösen Sekte und ein frommer Herr ist. Ich zum Beispiel schätze ihn wegen seiner außerordentlich intelligenten Ansichten über den Teufel.“

„Was ist eigentlich mit der Markenmargarine?“ fragte Timm jetzt scheinbar zusammenhanglos.

Aber der Baron begriff den Zusammenhang sofort. Er sagte:

„Der Versuch von Selek Bei, unsere Margarinepläne zu stören, war auch so ein alberner Einfall.“

Timms Herz schlug schneller. Wußte der Baron, daß der Junge den Vertrag mit der unsichtbaren Tinte Selek Beis unterschrieben hatte? Er wagte nicht, danach zu fragen. Aber die Frage wurde ihm trotzdem von Lefuet beantwortet.

„Es war natürlich ganz gewöhnliche Tinte in dem Füllfederhalter, mit dem Sie unterschrieben haben, Herr Thaler. Ein Diener im Hause Selek Beis ist mein Mann. Er hat die Tinte rechtzeitig ausgewechselt. Aber selbst wenn Ihr Name verschwunden wäre, hätte der Name des Vormunds dort gestanden. Ich unterschrieb nämlich jeden Vertrag zweimal, Herr Thaler: einmal für die Firma, einmal als Ihr Vormund.“

Timm sagte nichts. Er blickte durch das kleine Fenster des Flugzeugs auf die Erde hinunter. Die Türme, die er dort sah, schienen bereits die Türme Hamburgs zu sein.

Der Junge sehnte sich danach, irgendwo in den Straßen dort unten ein unbekannter, ganz gewöhnlicher Junge zu sein. Die Welt der großen Geschäfte ging über seine Kraft.

Timm wußte, daß er von seiner Wolkenhöhe herabsteigen mußte, um zu seinem Lachen zu kommen. Er dachte an Jonny, Kreschimir und Herrn Rickert. Übermorgen, einen Tag nach seinem Geburtstag, durfte er sie wieder sprechen.

Falls sie in Hamburg waren. Und falls sie noch lebten.

Achtundzwanzigster Bogen. Wiedersehen ohne Willkommen

Wenn der Baron mit Timm irgendwo auf der Welt ein Flugzeug verließ, pflegte Lefuet dem Jungen den Vortritt zu lassen; denn meistens wurden sie von Photoreportem erwartet. Aber hier, auf dem Hamburger Flugplatz Fuhlsbüttel, verließ der Baron das Flugzeug als erster. Es stand auch niemand da, der die beiden erwartete, kein Photoreporter und niemand von der Zeitung; nicht einmal ein Direktor der Gesellschaft empfing sie. Aber ein Willkommen der Firma entbot ihnen ein riesiges Plakat auf der Wand des Zollgebäudes:

PALMARO

Die erste Marken-Margarine der Welt

Schmackhaft wie Butter, billig wie Margarine

Zum Braten, Backen, Kochen und aufs Brot

Timm betrachtete zuerst das Plakat und dann den Baron, der lächelte.

„Sie wundern sich über den Namen der Margarine, Herr Thaler? Nun, wir haben im Laufe dieses Jahres feststellen müssen, daß die Timm-Thaler-Margarine im Ausland manche Nachteile hätte. In vielen Ländern wäre Ihr Name schwer zu schreiben. Außerdem sieht man in Afrika lieber das Gesicht eines lachenden schwarzen Knaben auf Plakaten als das eines weißen. Auch das rührende Arme-Junge Märchen war etwas ungeschickt; denn unsere Margarine soll ja nicht nur von armen Leuten gekauft werden.“

Sie hatten inzwischen den Zoll passiert, wo man Timms und Lefuets Handgepäck ohne weitere Fragen mit den üblichen Kreidekreuzen versehen hatte.

Draußen winkte der Baron einem Taxi, was Timm wunderte. Kein Auto der Gesellschaft stand für sie bereit. Aber als das Taxi anfuhr, sah der Junge im Rückspiegel einen der Detektive aus Genua, der sich - anscheinend vergeblich - nach einem anderen Taxi umsah.

Im Auto setzte Lefuet das Gespräch fort: „Wir haben unsere Margarine Palmaro genannt, weil es dieses Wort in fast allen Sprachen der Welt in ähnlicher Form gibt. Auch ist die Palme jedermann bekannt. Im Norden sehnt man sich nach ihr, im Süden wächst sie vor der Tür.“

„Dann wäre Selek Beis Füllfederhalter in jedem Falle sinnlos gewesen, Baron?“

Lefuet nickte. Dann beugte er sich zu dem Taxifahrer vor und sagte: „Vermeiden Sie die Innenstadt, solange es geht!“

Der Fahrer nickte.

Der Baron lehnte sich wieder zurück und fragte: „Was fangen Sie mit Ihren Reederei-Aktien an, Herr Thaler?“

„Ich werde die Reederei Herrn Rickert schenken, Baron.“ Wieder fügte der Junge bemüht ruhig und kühl eine Erklärung hinzu: „Dann brauche ich kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, weil er meinetwegen seine Stellung verlor.“

Der Taxifahrer schien einem Bordstein zu nahe gekommen zu sein. Das Auto schlitterte leicht.

„Geben Sie doch acht, zum Teufel!“ schrie Lefuet erregt.

„Schuldigung“, brummte der Fahrer. Timm war es plötzlich, als ob er diese Stimme schon gehört habe. Er versuchte, im Spiegel das Gesicht des Taxifahrers zu erkennen. Aber ein Bart, eine dunkle Brille und eine tief in die Stirn gezogene Schirmmütze verdeckten es fast vollständig.

Neben dem Jungen erklang plötzlich das kullernde Lachen. Sogar der Schlucker fehlte nicht.

„Sie haben von unserer Gesellschaft noch immer nicht die richtige Vorstellung“, lachte der Baron. „Sie können unsere Hamburger Reederei nicht einfach - mir nichts, dir nichts - an Herrn Rickert verschenken, Herr Thaler.“

„Warum nicht?“

„Mit Ihrem Aktienpaket sind Sie nur sogenannter Stiller Teilhaber. Der Reingewinn aus der Firma fließt Ihnen zwar zum größten Teil zu; aber das Kommando über die Reederei führt weiterhin der Verwaltungsrat mit den Stimmaktien: Ich, Mister Penny, Senhor van der Tholen und Selek Bei.“

„Wenn Herr Rickert wieder Direktor wird, können Sie ihn also später jederzeit wieder entlassen, Baron?“

„Jederzeit!“

Der Taxifahrer fuhr jetzt langsamer, weil er husten mußte. Er schien erkältet zu sein.

Timm sah mit sehr nachdenklichem Gesicht aus dem Fenster. Das Auto fuhr eine ruhige Straße an der Alster entlang. Aber der Junge bemerkte es nicht.

„Baron?“

„Ja, bitte?“

„Liegt Ihnen etwas an den Reederei-Aktien?“

Lefuet blickte Timm forschend an. Der Junge verzog keine Miene. Das Rauschen einer verkehrsreichen Straße näherte sich ihnen.

Endlich sagte der Baron mit jener Beiläufigkeit, die Timm seine Erregung verriet: „Diese Reederei ist die kleine Perle, die in der Krone meines Königreichs der Meere noch fehlt; sie ist, alles in allem, keine sehr bedeutende Sache; aber, wie gesagt, sie wäre eine hübsche Abrundung.“

Wenn der Baron, so wie jetzt, kleine, an sich überflüssige Wendungen in seine Rede flocht, sprach er über Dinge, die ihm wichtig waren. Timm wußte das. Er sagte deshalb nichts, sondern wartete auf die Frage, die kommen mußte. Und sie kam.

„Was verlangen Sie für die Aktien, Herr Thaler?“

Timm hatte sich seine Antwort längst überlegt. Trotzdem tat er so, als müsse er sie erst finden. Schließlich sagte er: „Geben Sie mir dafür eine kleine, solide Reederei in Hamburg, die nicht Ihrer Gesellschaft gehört.“

„Sie wollen mir doch keine Konkurrenz machen, Herr Thaler? Dann schnitten Sie sich ja ins eigene Fleisch.“

„Ich denke mehr an ein Schiffahrtsgeschäft, mit dem sich unsere Gesellschaft nicht befaßt, Baron. Vielleicht Küstenschiffahrt.“

Der Baron beugte sich zu dem Taxifahrer vor: „Welches ist nach Ihrer Meinung die einträglichste Reederei der Küstenschiffahrt in Hamburg?“

Der Fahrer überlegte eine Weile und erwiderte schließlich: „Der HHD, Hamburg-Helgoland-Gästedienst. Sechs Schiffe. Sommerund Winterverkehr. Im Besitz der Familie Denker.“