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Einen Wunsch? Timm überlegte. Wenn dieser Tag ihm das schönste Geschenk, sein Lachen, bescheren würde, besäße er wahrscheinlich keine Reichtümer mehr; denn die Reederei wollte er seinen Freunden geben. Was also sollte er sich schenken lassen?

Schließlich kam ihm ein hübscher Einfalclass="underline" „Kaufen Sie mir ein Marionettentheater, Baron! “

„Ein Marionettentheater?“

„Ja, Baron! So ein Puppentheater, in dem man die Kinder zum Lachen bringen kann.“

Jetzt hatte Timm sich doch verraten. Aber der Baron verstand ihn falsch.

„Ah“, rief Lefuet. „Ich verstehe! Sie wollen sich ein kleines Lachen kaufen und brauchen das Theater, um es sich aussuchen zu können. Kein schlechter Gedanke. Darauf bin ich noch gar nicht gekommen.“

Timm war es, als habe jemand ihn auf den Kopf geschlagen. Der Baron glaubte also allen Ernstes, er, Timm Thaler, würde nach all seinen schrecklichen Erfahrungen einem kleinen Kind das Lachen stehlen!

„Dieser Mensch“, dachte der Junge, „muß ein Teufel sein!“

Diesmal hätte der Baron dem Jungen die Bestürzung ansehen müssen. Aber Lefuet hatte sich abgekehrt. Er telefonierte bereits wegen eines Marionettentheaters; und schon nach einer halben Stunde hatte er Glück: Ein kleines Theater in der Nähe des Hauptbahnhofs, das seit Jahren nur noch dahinkränkelte, war für den ansehnlichen Preis, den der Baron bot, zu haben.

„Fahren wir gleich hin, Herr Thaler“, sagte Lefuet. „Ich werde einen Notar und einen Barscheck mitnehmen. Geburtstagsgeschenke muß man bar bezahlen.“

In einem kleinen, schmutzigen Zimmer, das dem Theater wohl als Büro diente, wurde wieder einmal ein Vertrag unterzeichnet. Timm Thaler war Besitzer eines Marionettentheaters geworden. Es war alles noch unwirklicher als im Marionettentheater selbst.

Ausnahmsweise wanderten der Baron und der junge Mann zu Fuß ins Hotel zurück. Dabei fragte Timm zum erstenmaclass="underline" „Warum liegt Ihnen gerade an meinem Lachen so viel, daß Sie dafür ein halbes Königreich verschenken, Baron?“

„Mich wundert“, sagte Lefuet, „daß Sie diese Frage vorher niemals gestellt haben, Herr Thaler. Die Antwort ist nicht ganz einfach. In wenigen Worten könnte ich etwa Folgendes sagen: Als Sie ein kleiner Gassenjunge waren, Herr Thaler, haben Sie Ihr Lachen durch so viele böse Unbegreiflichkeiten hindurchgerettet, daß es gehärtet wurde wie ein Diamant. Ihr Lachen ist unzerstörbar, Herr Thaler!“

„Aber ich bin zerstörbar, Baron“, entgegnete Timm sehr ernst.

„Eben“, sagte Lefuet. (Ehe der junge Mann den häßlichen Sinn dieses Wörtchens „eben“ begriffen hatte, waren sie im Hotel angekommen.)

Der Direktor sagte: „Hallo, Mr. Brown.“

Der Baron nickte zerstreut einen Gruß.

Oben, vor Timms Appartementstür, sagte Lefuet: „Was wollen Sie eigentlich mit den Stimm-Aktien, Herr Thaler? Die müßten Sie doch laut Vertrag an Mister Penny abtreten.“

Timm dachte verzweifelt: „Schon wieder spricht er von Verträgen. Ein ganzer Geburtstag voller Papiere!“ Ihn zog es jetzt zu einem winzig kleinen Papier, einem eingerollten Zettel in einem Glasröhrchen. Es fiel ihm schwer, dem Baron eine Antwort zu geben. Aber er brachte es über sich zu sagen: „Vielleicht liegt mir daran, daß Mister Penny mehr Stimm-Aktien bekommt, Baron!“

„Hm“, machte Lefuet nachdenklich. Dann sagte er: „Ich habe heute noch einige wichtige Besprechungen. Was werden Sie tun?“

Timm faßte sich an die Stirn. „Die Kopfschmerzen lassen nicht nach, Baron. Ich werde mich hinlegen.“

„Tun Sie das“, lachte Lefuet. „Schlaf ist die beste Medizin.“ Dann ging er.

Timm aber schloß ungeduldig die Tür auf, trat ein in den Salon, schloß hinter sich wieder ab und stürzte in das Badezimmer.

Einunddreißigster Bogen. Ein geheimnisvoller Zettel

Timm schaltete im Badezimmer nur die Lampe über dem Waschbecken und dem Spiegel an. Dann holte er die Lupe aus der kleinen Hausapotheke und den Zettel aus dem Glasröhrchen für Kopfweh-Tabletten. Sein Herz schien in der Gurgel zu sitzen, so stark war dort das Schlagen zu spüren.

Ehe der junge Herr im eleganten grauen Flanellanzug aber den Zettel las, vergewisserte er sich noch einmal, daß die Tür des Badezimmers verschlossen war. Dann stellte er sich neben das Waschbecken, blickte durch die Lupe auf das kleine Papier und war - Flanell hin, Flanell her - nur noch ein maßlos aufgeregter Junge.

Die Lupe in der Hand zitterte; dennoch vermochte Timm die Schrift zu entziffern. Er las mit wachsendem Erstaunen: Besuche Schwan-Kleb-An. Gewinne, was die Prinzessin gewann. Der Weg ist einfacher, als du denkst Der Herr, der von Südwind abriet zeigt ihn dir. Nimm einen Taxichauffeur, den du kennst. Er bewacht das Haus der Räte. Wähle die (schwarze!) Stunde der Straßenbahnen. Fürchte die Ratte und täusche sie. Der Weg ist einfach. Aber wähle Hintertreppen, um zu ihm zu gelangen. Vertrau uns und komm!

Timm ließ Zettel und Lupe sinken und setzte sich auf den Rand der Wanne. Er zitterte immer noch vor Erregung, aber sein Kopf war klar. Er wußte: Diese Nachricht war verschlüsselt für den Fall, daß Lefuet sie in die Finger bekäme. Jetzt galt es, die versteckten Hinweise und Anspielungen zu entschlüsseln.

Wieder stellte er sich neben dem Waschbecken unter die Lampe und las die Nachricht langsam zum zweiten Male: Besuche Schwan-Kleb-An.

Das war einfach zu begreifen: Timm sollte dorthin kommen, wo er das Marionettenspiel gesehen hatte. Nach Ovelgönne ins Gasthaus.

Gewinne, was die Prinzessin gewann.

Das war noch einfacher zu verstehen. Es war die wichtigste und köstlichste Nachricht des Papierchens. Sie hieß ganz einfach: Gewinne dein Lachen zurück! Und daß das möglich war, zeigte der nächste Satz:

Der Weg ist einfacher, als du denkst

Aber was bedeutete das Folgende?

Der Herr, der von Südwind abriet, zeigt ihn dir.

Timm mußte in seinem Gedächtnis nachgraben. Doch dann kam er darauf: Südwind war ein Pferd gewesen! Das letzte Pferd, auf das er gewettet hatte. Und ein Herr, der ihm damals noch unbekannt gewesen war, hatte ihm abgeraten, auf das Pferd zu setzen: Kreschimir!

Kreschimir also wußte, wie Timm zu seinem Lachen kommen konnte! Der Junge hatte es geahnt. Aber die Gewißheit überwältigte ihn. Er mußte sich wieder auf den Rand der Wanne setzen. Das Licht war hell genug, um hier den Zettel weiterlesen zu können:

Nimm einen Taxichauffeur, den du kennst. Er bewacht das Haus der Rute.

Der Taxichauffeur war Jonny. Daran zweifelte Timm keine Sekunde. Aber „das Haus der Räte“?

Über dieser ziemlich einfachen Verschlüsselung brütete Timm eine ganze Weile, ehe ihm klar wurde, was gemeint war: natürlich das Rathaus. Es war ja in unmittelbarer Nähe seines Hotels. Dort also würde Jonny in einem Auto auf ihn warten und ihn dann nach Ovelgönne fahren.

Aber der Zeitpunkt war ihm noch unklar.

Wähle die (schwarze!) Stunde der Straßenbahnen.

Zweierlei Straßenbahnerlebnisse standen mit seinen Freunden in Verbindung: die umgeleitete Straßenbahn, in der er mit Herrn Rickert gesessen hatte, und die fliegenden Straßenbahnen in Genua, die er mit Jonny gesehen hatte. Beide Erlebnisse mußten gemeint sein; denn das Wort „Straßenbahn“ stand in der Mehrzahl.

Die Stunde der Straßenbahnen? Um welche Zeit hatte er denn die Erlebnisse gehabt? Die fliegenden Straßenbahnen hatte er um die Mittagszeit gesehen, gegen zwölf Uhr also. Und als er Herrn Rickert in der Straßenbahn zum erstenmal gesehen hatte, war es auch Mittag gewesen.

Also zwölf Uhr mittags! Und jetzt war es... (Timm blickte auf seine Armbanduhr)... fünf Uhr nachmittags. Sollte er also erst morgen kommen? Oder hätte er schon heute mittag kommen sollen?