Выбрать главу

»Euer Hoheit«, sagte er hastig. »Entschuldigt mich jetzt bitte! Eins von Minervas Kindern ist krank, und ich habe versprochen, ihr bei Briannas Mutter ein paar Kräuter zu besorgen.«

»Ach so. Sicher. Sicher, reitet, wir sprechen später.« Cosimo nahm seine Zügel wieder auf. »Wenn es nicht besser wird,

sagt mir Bescheid, dann schicke ich ihr einen Bader.«

»Ich danke Euch«, sagte Fenoglio, aber bevor er sich endgültig auf den Weg machte, musste er selbst noch eine Frage stellen. »Ich habe gehört, Eurer Frau geht es auch nicht gut?« Balbulus hatte es ihm erzählt. Er war zurzeit der Einzige, der zu Violante vorgelassen wurde.

»Oh, sie ist nur wütend.« Cosimo griff nach Briannas Hand, als müsste er sie dafür trösten, dass von seiner Frau die Rede war. »Violante wird schnell wütend. Das hat sie von ihrem Vater. Sie will einfach nicht begreifen, warum ich sie nicht aus der Burg lasse. Dabei ist es doch offensichtlich, dass die Spitzel ihres Vaters überall sind, und wen werden sie zuerst versuchen auszuhorchen? Violante und Jacopo.«

Es fiel schwer, nicht jedes Wort zu glauben, das von diesen schönen Lippen kam, vor allem, wenn es mit so viel ehrlicher Überzeugung geäußert wurde. »Nun, vermutlich habt Ihr Recht! Aber bitte vergesst nicht, dass Eure Frau ihren Vater hasst.«

»Man kann jemanden hassen und ihm dennoch gehorchen. Ist das nicht so?« Cosimo sah Fenoglio an, mit diesem blanken Ausdruck in den Augen, blank wie der eines sehr jungen Kindes.

»Doch, doch, vermutlich«, antwortete er unbehaglich. Jedes Mal, wenn Cosimo ihn so ansah, war es Fenoglio, als hätte er eine leere Seite in einem Buch entdeckt, ein Mottenloch im fein gewebten Wort-Teppich.

»Euer Hoheit!«, sagte er, neigte ein weiteres Mal den Kopf und brachte sein Pferd wenig elegant dazu, endlich zum Tor hinauszutraben.

Brianna hatte ihm den Weg zum Hof ihrer Mutter gut beschrieben. Gleich nach Roxanes Besuch hatte er sie danach gefragt, in aller Unschuld, angeblich, weil ihn ein Knochenreißen plagte. Ein seltsames Kind war Staubfingers Tochter. Wollte nichts von ihrem Vater wissen und offenbar auch nicht viel von ihrer Mutter. Vor der Gans hatte sie ihn zum Glück gewarnt, so hatte er sein Pferd schon fest am Zügel, als sie ihm schnatternd entgegenkam.

Roxane saß vor ihrem Haus, als er auf ihren Hof geritten kam. Es war ein ärmliches Haus. Ihre Schönheit schien ebenso wenig hineinzupassen wie ein Schmuckstück an den Hut eines Bettlers. Ihr Sohn schlief neben ihr auf der Schwelle, zusammengerollt wie ein junger Hund, den Kopf auf ihrem Schoß.

»Er will mitkommen«, sagte sie, während Fenoglio ungeschickt vom Pferd rutschte. »Die Kleine hat auch geweint, als ich ihr sagte, dass ich fortmuss. Aber ich kann sie nicht mitnehmen, nicht zum Natternkopf. Er hat auch schon Kinder hängen lassen. Eine Freundin wird auf sie aufpassen, auf sie, auf ihn, auf die Pflanzen und Tiere.«

Sie strich ihrem Sohn über das dunkle Haar, und für einen Augenblick wollte Fenoglio nicht, dass sie ritt. Aber was würde dann aus seinen Worten werden? Wer sonst sollte Meggie finden? Sollte er Cosimo erneut um einen Reiter bitten, der dann doch nicht zurückkam? Nun, wer weiß, vielleicht kommt auch Roxane nicht zurück, flüsterte es erneut hämisch in ihm. Und deine kostbaren Worte sind verloren. »Unsinn!«, sagte er ärgerlich. »Natürlich habe ich eine Abschrift gemacht.«

»Was sagst du?« Erstaunt sah Roxane ihn an.

»Ach nichts, nichts!« Himmel, jetzt führte er schon Selbstgespräche. »Ich muss Euch noch etwas erzählen. Reitet nicht zu der Mühle! Ein Spielmann, der für Cosimo singt, hat mir Nachricht vom Schwarzen Prinzen gebracht.«

Roxane presste die Hand vor den Mund.

»Nein, nein. Es ist halb so schlimm!«, beschwichtigte Fenoglio sie schnell. »Nun ja, Meggies Vater ist offenbar ein Gefangener des Natternkopfes, aber das hatte ich ehrlich gesagt schon befürchtet. Und Staubfinger und Meggie - also, um es kurz zu machen: Die Mühle, bei der Meggie auf meinen Brief warten wollte, ist offenbar abgebrannt. Der Müller soll herumerzählen, dass ein Marder Feuer von der Decke hat regnen lassen, während ein Hexer mit Narben im Gesicht mit den Flammen sprach. Er soll einen Dämon dabeigehabt haben in Gestalt eines dunkelhäutigen Jungen, der ihn rettete, als er verwundet wurde, und ein Mädchen.«

Roxane sah ihn so abwesend an, als müsste sie den Sinn seiner Worte erst suchen. »Verwundet?«

»Ja, aber sie sind entkommen! Das ist doch die Hauptsache! Roxane, denkt Ihr, Ihr könnt sie wirklich finden?«

Roxane strich sich über die Stirn. »Ich werd es versuchen.«

»Macht Euch keine Sorgen!«, sagte Fenoglio. »Ihr habt es doch gehört. Staubfinger hat jetzt einen Dämon, der ihn schützt. Außerdem - ist er nicht immer bestens allein zurechtgekommen?«

»O ja! Das ist er.«

Fenoglio verfluchte jede einzelne Falte in seinem alten Gesicht, so schön war sie. Warum hatte er nicht Cosimos Gesicht? Obwohl - würde ihr das gefallen? Staubfinger gefiel ihr, Staubfinger, der eigentlich längst tot sein sollte, wäre es danach gegangen, was er einst geschrieben hatte. Fenoglio!, dachte er. Das geht zu weit. Du benimmst dich ja wie ein eifersüchtiger Liebhaber!

Aber Roxane beachtete ihn ohnehin nicht. Sie blickte auf den Jungen hinab, der in ihrem Schoß schlief. »Brianna war furchtbar wütend, als sie erfuhr, dass ich ihrem Vater hinterherreite«, sagte sie. »Ich hoffe nur, Cosimo passt auf sie auf, und dass er seinen Krieg nicht beginnt, bevor ich zurück bin.«

Dazu schwieg Fenoglio. Wozu sollte er ihr von Cosimos Plänen erzählen? Damit sie sich noch mehr Sorgen machte? Nein. Er zog den Brief für Meggie unter dem Umhang hervor. Buchstaben, die sich in Klang verwandeln konnten, mächtigen Klang. Nie zuvor hatte er Rosenquarz einen Brief sorgsamer versiegeln lassen.

»Dieser Brief kann Meggies Eltern retten«, sagte er eindringlich, »er kann ihren Vater retten. Er kann uns alle retten, also gebt gut Acht auf ihn!«

Roxane drehte und wendete das versiegelte Pergament, als schiene es ihr allzu klein für so große Worte. »Ich habe noch nie von einem Brief gehört, der die Kerker der Nachtburg öffnet«, sagte sie. »Findet Ihr es richtig, dem Mädchen falsche Hoffnung zu machen?«

»Es ist keine falsche Hoffnung«, sagte Fenoglio, etwas gekränkt darüber, dass sie seinen Worten so wenig Glauben schenkte.

»Nun gut. Wenn ich Staubfinger finde und das Mädchen noch bei ihm ist, wird sie Euren Brief bekommen.« Roxane strich ihrem Sohn noch einmal übers Haar, so sacht, als würde sie ein Blatt fortwischen. »Liebt sie ihren Vater?«

»O ja, sie liebt ihn sehr.«

»Das tut meine Tochter auch. Brianna liebt Staubfinger so sehr, dass sie kein Wort mit ihm wechselt. Wenn er früher fortging, einfach fort, in den Wald, ans Meer, wohin ihn das Feuer oder der Wind gerade lockte, dann versuchte sie ihm nachzulaufen auf ihren kleinen Füßen. Ich glaube, er hat es nicht mal bemerkt, so schnell war er immer verschwunden, schnell wie ein Fuchs, der ein Huhn gestohlen hat. Aber geliebt hat sie ihn trotzdem. Warum? Dieser Junge liebt ihn auch. Er denkt sogar, er braucht ihn, aber Staubfinger braucht niemanden, nur das Feuer.«

Nachdenklich sah Fenoglio sie an. »Da irrt Ihr Euch!«, sagte er. »Er war kreuzunglücklich, als er so lange fort von Euch war. Ihr hättet ihn sehen sollen.«

Wie ungläubig sie ihn musterte. »Ihr wisst, wo er war?«

Was nun? Alter Narr, was hatte er da nur wieder geredet? »Nun ja«, stammelte er. »Ja. Ja. Ich war ja selbst dort.« Her mit den Lügen. Wo waren sie? Mit der Wahrheit war in diesem Fall wenig anzufangen. Ein paar schöne Lügen mussten her, die alles erklärten. Warum sollte er zur Abwechslung nicht mal ein paar gute Worte für Staubfinger finden - auch wenn er ihn um seine Frau beneidete?

»Er sagt, er konnte nicht zurückkommen.« Sie glaubte es nicht, aber man hörte Roxanes Stimme an, wie gern sie es getan hätte.