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»Tatsächlich?« Fenoglios Stimme klang überrascht, aber keineswegs enttäuscht. »Ritte durch die Nacht«, murmelte er, »schnelle Pferde. Ja, warum nicht?«

Die Hässliche beachtete ihn nicht. »Brianna!«, sagte sie. »Nimm das Buch hier. Wenn ich Balbulus genug für die neuen Bilder lobe, wird er es uns vielleicht eine Weile überlassen.« Ihre Dienerin nahm das Buch mit abwesendem Gesicht entgegen und trat erneut ans Fenster.

»Aber das Volk liebte ihn, nicht wahr?« Fenoglio hatte sich aus seinem Stuhl erhoben. »Cosimo war gut zu ihnen, zu den Bauern, den Armen. den Spielleuten.«

Violante strich über das Mal auf ihrer Wange. »Ja, alle liebten ihn. Er war so schön, dass man ihn wohl einfach lieben musste. Aber was die Bauern betraf-« Müde rieb sie sich die kurzsichtigen Augen. »Wisst Ihr, was er immer über sie sagte? >Warum sind sie nur so hässlich? Hässliche Kleider, hässliche Gesichter.. .<. Wenn sie mit ihren Streitigkeiten zu ihm kamen, gab er sich wirklich Mühe, gerecht zu sein, aber es langweilte ihn unendlich. Er konnte es jedes Mal kaum erwarten, wieder hinauszukommen zu den Soldaten seines Vaters, zu seinem Pferd und seinen Hunden. «

Fenoglio schwieg. Sein Gesicht war so ratlos, dass er Meggie fast Leid tat. Wird er mich nun doch nicht lesen lassen?, dachte sie - und für einen seltsamen Augenblick spürte sie fast so etwas wie Enttäuschung.

»Brianna, komm!«, befahl die Hässliche, doch ihre Dienerin regte sich nicht. Sie starrte in den Hof hinunter, als hätte sie noch nie in ihrem Leben einen Feuerspucker gesehen.

Violante runzelte die Stirn und trat neben sie. »Was starrst du denn so?«, fragte sie und blinzelte kurzsichtig nach draußen.

»Er. formt Blumen aus Feuer«, stammelte Brianna. »Erst sind sie wie goldene Knospen, und dann blühen sie auf, wie echte Blüten. Ich habe so etwas erst einmal gesehen. als ich ganz klein war.«

»Schön. Aber jetzt komm.« Die Hässliche drehte sich um und schritt auf die Tür zu. Sie hatte eine seltsame Art zu gehen, den Kopf etwas gesenkt und doch kerzengerade. Brianna warf einen letzten Blick hinaus, bevor sie ihr nacheilte.

Balbulus rieb Farben an, als sie in seine Werkstatt traten, Blau für den Himmel, Rotbraun und Umbra für die Erde. Violante flüsterte ihm etwas zu. Vermutlich schmeichelte sie ihm. Sie zeigte auf das Buch, das Brianna für sie trug.

»Ich verabschiede mich, Euer Hoheit!«, sagte Fenoglio.

»Ja, geht nur!«, erwiderte sie. »Aber wenn Ihr mich das nächste Mal besucht, dann stellt mir keine Fragen über meinen toten Mann, sondern bringt mir eins von den Liedern, die Ihr für die Spielleute schreibt! Ich mag sie sehr, vor allem die über den Räuber, der meinen Vater ärgert. Wie heißt er noch? Ach ja - der Eichelhäher.«

Fenoglio wurde leicht blass unter der sonnenbraunen Haut. »Wie. wie kommt Ihr darauf, dass diese Lieder von mir stammen?«

Die Hässliche lachte. »Oh, habt Ihr es vergessen? Ich bin die Tochter des Natternkopfes, ich habe natürlich meine Spio-ne! Habt Ihr Angst, dass ich meinem Vater erzähle, wer der Verfasser ist? Keine Sorge, wir sprechen nur das Nötigste miteinander. Zudem ist er mehr an dem interessiert, von dem die Lieder handeln, als an dem, der sie geschrieben hat. Trotzdem würde ich einstweilen auf dieser Seite des Waldes bleiben, wäre ich an Eurer Stelle!«

Fenoglio verbeugte sich mit einem gequälten Lächeln. »Ich werde Euren Rat beherzigen, Hoheit«, sagte er.

Die beschlagene Tür fiel schwer ins Schloss, als er sie hinter sich zuzog. »Verflucht!«, murmelte Fenoglio. »Verflucht, verflucht.«

»Was ist?« Besorgt sah Meggie ihn an. »Ist es das, was sie über Cosimo gesagt hat?«

»Unsinn! Nein! Wenn Violante weiß, wer die Lieder über den Eichelhäher schreibt, dann weiß es der Natternkopf auch. Er hat wesentlich mehr Spione als sie, und was, wenn er nicht mehr lange auf seiner Seite des Waldes bleibt? Nun gut, noch ist Zeit, dagegen etwas zu unternehmen.«

»Meggie«, raunte er ihr zu, während er sie die steile Wendeltreppe hinunterzog. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich für den Eichelhäher ein Vorbild hatte. Wie wär’s, wenn du rätst?« Erwartungsvoll sah er sie an. »Du musst wissen, ich nehme mir gern echte Menschen als Vorbild für meine Figuren«, flüsterte er ihr verschwörerisch zu. »Nicht jeder Schriftsteller tut das, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sie einfach lebendiger macht! Gesichtsausdrücke, Gesten, eine Körperhaltung, die Stimme, vielleicht ein Muttermal oder eine Narbe - ich stehle hier, ich stehle dort, und schon beginnen sie zu atmen, bis jeder, der von ihnen hört oder liest, glaubt, sie anfassen zu können! Für den Eichelhäher kamen nicht viele in Frage. Er durfte nicht allzu alt sein, aber auch nicht zu jung -dick oder klein natürlich auch nicht, Helden sind niemals klein, dick oder hässlich, vielleicht in Wirklichkeit, aber niemals in Geschichten. Nein, der Eichelhäher musste groß und stattlich sein, jemand, den die Menschen lieben.«

Fenoglio verstummte. Schritte kamen die Treppe herunter, hastige Schritte, und über ihnen erschien Brianna auf den grob behauenen Stufen.

»Verzeiht!«, sagte sie und blickte sich schuldbewusst um, als hätte sie sich ohne Wissen ihrer Herrin davongestohlen. »Aber dieser Junge - wisst Ihr, von wem er gelernt hat, so mit dem Feuer zu spielen?« Sie sah Fenoglio an, als wünschte sie nichts mehr als die Antwort zu erfahren und hätte doch gleichzeitig vor nichts größere Angst. »Wisst Ihr es?«, fragte sie noch einmal. »Wisst Ihr seinen Namen?«

»Staubfinger«, antwortete Meggie an Fenoglios Stelle. »Staubfinger hat es ihm beigebracht.« Und erst als sie den Namen zum zweiten Mal aussprach, begriff sie, an wen Briannas Gesicht sie erinnerte und der fuchsrote Schimmer auf ihrem Haar.

Die falschen Worte

Wenn dir nur bloß das rote Haar und auch mein tolles Lachen bleibt.

Was sonst an mir noch gut und böse war, stirbt wie das Blatt, das welk im Wasser treibt.

Francois Villon, Die Ballade vom kleinen Florestan

Staubfinger scheuchte Schleicher gerade von Roxane s Hühnerstall fort, als Brianna auf den Hof geritten kam. Ihr Anblick ließ ihm fast das Herz stillstehen. Wie die Tochter eines reichen Kaufmanns sah sie aus in dem Kleid, das sie trug. Seit wann trugen Dienerinnen solche Kleider? Und dann das Pferd, auf dem sie saß - es passte nicht hierher mit seinem kostbaren Geschirr, dem goldbeschlagenen Sattel und dem pechschwarzen Fell, das so glänzte, als wären drei Stallknechte den ganzen Tag damit beschäftigt, es zu bürsten. Ein Soldat war bei ihr, in den Farben des Speckfürsten. Mit unbewegtem Gesicht musterte er das einfache Haus und die Felder. Brianna aber sah Staubfinger an. Sie schob das Kinn vor, genau wie ihre Mutter es so oft tat, rückte sich die Spange im Haar zurecht - und sah ihn an.

Wenn er sich doch nur hätte unsichtbar machen können! Wie feindselig ihr Blick war, zugleich erwachsen und der eines gekränkten Kindes. Sie ähnelte so sehr ihrer Mutter. Der Soldat half ihr abzusteigen, dann tränkte er sein Pferd am Brunnen - und tat, als hätte er weder Ohren noch Augen.