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Es gab kaum einen schlimmeren Gestank auf der Welt als den, der aus den Kübeln der Färber stieg. Staubfinger zog der beißende Geruch schon in die Nase, als er sich noch durch die Gasse schob, in der die Schmiede ihrem Handwerk nachgingen. Kesselschmiede, Hufschmiede und da, auf der anderen Seite, die Waffenschmiede, angesehener als ihre Standesgenossen und entsprechend eingebildet. Der Lärm all der Hämmer, die auf glühendes Eisen einschlugen, war fast ebenso schlimm wie der Gestank, der aus der Färbergasse zog. Ihre ärmlichen Häuser lagen im entlegensten Winkel von Ombra. Kein Ort duldete ihre stinkenden Kübel in der Nähe der besseren Viertel. Aber gerade als Staubfinger auf das Tor zuschritt, das ihre Gasse vom Rest des Ortes trennte, rempelte ihn ein Mann an, der aus der Werkstatt eines Waffenschmieds trat.

Der Pfeifer. Er war unschwer zu erkennen an seiner Silbernase, auch wenn Staubfinger sich noch an die Tage erinnerte, in denen eine Nase aus Fleisch und Blut an ihrer Stelle gesessen hatte. Was hast du wieder für ein Glück, Staubfinger!, dachte er, während er den Kopf abwendete und versuchte, sich rasch an Capricorns Spielmann vorbeizuschieben. Von allen Männern in dieser Welt muss dir gerade dieser Bluthund über den Weg laufen. Er hoffte schon fast, der Pfeifer hätte nicht bemerkt, mit wem er da zusammengestoßen war, doch gerade als er glaubte, an ihm vorbei zu sein, griff die Silbernase nach seinem Arm und riss ihn herum.

»Staubfinger!«, sagte er mit seiner gepressten Stimme, die früher so anders geklungen hatte. An zu süße Kuchen hatte sie Staubfinger immer erinnert. Capricorn hatte keiner Stimme lieber gelauscht, und das Gleiche galt für die Lieder, die er gesungen hatte. Der Pfeifer schrieb wunderbare Lieder über Brandstiftung und Mord, so wunderbare Lieder, dass sie einen fast glauben machten, es gäbe keine edlere Beschäftigung als das Hälse durchschneiden. Ob er für den Natternkopf dieselben Lieder sang - oder waren sie zu grob gestrickt für die silbernen Hallen der Nachtburg?

»Nun seht euch das an. Ich glaube fast, neuerdings kommt jeder von den Toten zurück«, sagte der Pfeifer, während die zwei Gepanzerten, die er bei sich hatte, sehnsüchtig die Waffen musterten, die vor den Werkstätten der Schmiede ausgestellt waren. »Ich dachte eigentlich, Basta hätte dich vor Jahren schon verscharrt und vorher in Scheiben geschnitten. Weißt du, dass er auch zurück ist? Er und die Alte, Mortola, du erinnerst dich bestimmt an sie. Der Natternkopf hat sie mit Freuden bei sich aufgenommen. Nun ja, du weißt, er hat ihre tödlichen Kochkünste schon immer geschätzt.«

Staubfinger verbarg die Furcht, die sich in seinem Herzen breit machte, hinter einem Lächeln. »Sieh an, der Pfeifer«, sagte er. »Die neue Nase passt gut zu dir, viel besser als die alte. Sie sagt jedem, wer dein neuer Herr ist und dass sie einem Spielmann gehört, der für Silber zu kaufen ist.«

Die Augen des Pfeifers hatten sich nicht verändert. Blassgrau waren sie, wie der Himmel an einem Regentag, und musterten ihn so starr wie die eines Vogels. Von Roxane wusste Staubfinger, wie er seine Nase eingebüßt hatte. Ein Mann hatte sie ihm abgeschnitten dafür, dass er seine Tochter verführt hatte mit seinen finsteren Liedern.

»Du hast immer noch eine gefährlich scharfe Zunge, Staubfinger«, sagte er. »Es wird Zeit, dass sie dir endlich jemand herausschneidet. Hat das nicht schon einmal jemand versucht und du bist nur davongekommen, weil der Schwarze Prinz und sein Bär dich beschützt haben? Passen die zwei etwa immer noch auf dich auf? Ich seh sie gar nicht.« Suchend sah er sich um.

Staubfinger warf den beiden Gepanzerten einen schnellen Blick zu. Jeder war mindestens einen Kopf größer als er. Was würde Farid sagen, wenn er mich jetzt sehen würde?, dachte er. Dass ich ihn lieber hätte bei mir behalten sollen, damit er seinen Schwur halten kann? Der Pfeifer trug ein Schwert, natürlich. Seine Hand lag schon am Knauf. Offenbar hielt er sich ebenso wenig wie der Schwarze Prinz an das Gesetz, das Spielleuten Waffen verbot. Wie gut, dass die Schmiede so laut hämmern!, dachte Staubfinger. Sonst würde man vermutlich hören, wie laut mein Herz vor Angst klopft.

»Ich muss weiter«, sagte er so gleichgültig wie möglich. »Grüß Basta von mir, wenn du ihn siehst, und das mit dem Verscharren kann er ja noch nachholen.« Er drehte sich um, einen Versuch war es wert, aber der Pfeifer hielt seinen Arm fest.

»Natürlich, da ist ja auch dein Marder!«, zischte er.

Staubfinger spürte Schleichers feuchte Schnauze an seinem Ohr. Es ist der falsche Marder, versuchte er sein rasendes Herz zu beruhigen. Der falsche. Aber hatte Fenoglio Gwins Namen überhaupt erwähnt, als er seinen Tod inszenierte? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Ich werde Basta bitten müssen, mir das Buch noch einmal zu geben, damit ich nachsehen kann, dachte er bitter. Mit einer Handbewegung scheuchte er Schleicher zurück in den Rucksack. Besser nicht darüber nachdenken.

Der Pfeifer hielt immer noch seinen Arm gepackt. Er trug Handschuhe aus hellem Leder, fein gesteppt wie die einer Frau. »Der Natternkopf wird bald hier sein«, raunte er Staubfinger zu. »Die Nachricht von seinem wundersam wieder zum Leben erwachten Schwiegersohn hat ihm gar nicht gefallen. Er hält das Ganze für einen bösen Mummenschanz, der seinen schutzlosen Enkel um den Thron betrügen soll.«

Vier Wachen kamen die Gasse herunter, Wachen in den Farben des Speckfürsten. Cosimos Farben. Noch nie waren Staubfinger Bewaffnete so sehr willkommen gewesen.

Der Pfeifer ließ seinen Arm los. »Wir sehen uns wieder«, zischte er ihm zu mit seiner nasenlosen Stimme.

»Vermutlich«, antwortete Staubfinger nur. Dann schob er sich schnell zwischen ein paar zerlumpte Jungen, die mit großen Augen vor einem Schwert standen, drängte sich an einer Frau vorbei, die einem der Schmiede ihren löchrigen Kessel hinhielt, und verschwand durch das Tor der Färber.

Niemand kam ihm nach. Niemand packte ihn noch einmal und zog ihn zurück. Staubfinger, du hast zu viele Feinde!, dachte er und ging erst langsamer, als er zu den Bottichen kam, aus denen die Dämpfe der Färberjauche stiegen. Auch über dem Bach hingen sie, der die stinkende Brühe unter der Stadtmauer hindurch und hinunter zum Fluss trug. Kein Wunder, dass man die Nixen nur oberhalb der Stelle fand, an der der Bach in den Fluss mündete.

Im zweiten Haus, an dessen Tür Staubfinger klopfte, wusste man, wo er die Nessel finden konnte. Die Frau, zu der man ihn schickte, hatte verweinte Augen und ein kleines Kind auf dem Arm. Wortlos winkte sie ihn ins Haus, wenn man es ein Haus nennen wollte. Die Nessel beugte sich über ein Mädchen, die Wangen rot, die Augen glasig. Als sie Staubfinger bemerkte, richtete sie sich mit mürrischer Miene auf.

»Roxane hat mich gebeten, dir das hier zu bringen!«

Sie warf einen kurzen Blick auf die Wurzel, presste die schmalen Lippen aufeinander - und nickte.

»Was hat das Mädchen?«, fragte er. Die Mutter hatte sich wieder ans Bett gesetzt.

Die Nessel zuckte die Schultern. Sie schien dasselbe moosgrüne Gewand zu tragen wie vor zehn Jahren - und ganz offenbar konnte sie ihn immer noch ebenso wenig leiden wie damals.

»Ein böses Fieber, aber sie wird es überleben«, erwiderte sie. »Es ist nicht halb so schlimm wie das, an dem deine Toch-ter starb, während ihr Vater sich die Welt ansah!« Ins Gesicht blickte sie ihm, während sie das sagte, als wollte sie sichergehen, dass ihre Worte geschmerzt hatten, aber Staubfinger wusste, wie man Schmerzen verbarg. Er verstand sich fast ebenso gut darauf wie auf das Spiel mit dem Feuer.

»Die Wurzel ist gefährlich«, sagte er.

»Denkst du, das musst du mir erklären?« Die Alte musterte ihn so verärgert, als hätte er sie beschimpft. »Die Wunde, die sie heilen soll, ist es auch. Er ist kräftig, sonst wäre er längst tot.«

»Kenne ich ihn?«

»Du kennst seine Frau.«

Wovon redete die Alte? Staubfinger sah zu dem kranken Kind hinüber. Sein kleines Gesicht war rot vom Fieber.