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»Er hat die Unverschämtheit, auf meine Burg zu reiten, mit Männern in seinem Gefolge, die schon für Capricorn gebrand-schatzt haben: Er hat den Brandfuchs zu seinem Herold gemacht, gegen den ich ausgezogen bin, hat den Pfeifer hergeschickt als Beschützer meines Sohnes! Stellt Euch die Dreistigkeit vor! Meinen Vater konnte er vielleicht auf diese Art verhöhnen, aber nicht mich. Ich werde ihm zeigen, dass er es nicht länger mit einem Fürsten zu tun hat, der entweder weint oder zu viel isst.« Cosimos Gesicht überzog eine feine Röte. Der Zorn machte ihn nur noch schöner.

Krieg. Denk nach, Fenoglio. Denk nach. Krieg! Ist es das, was du gewollt hast? Er spürte, wie seine alten Knie zu zittern begannen.

Cosimo aber legte fast zärtlich die Hand an sein Schwert. Langsam zog er es aus der Scheide. »Nur dafür hat der Tod mich gehen lassen, Dichter«, sagte er, während er die lange, schlanke Klinge die Luft zerschneiden ließ. »Damit ich Gerechtigkeit in diese Welt bringe und den Teufel selbst vom Thron stoße. Dafür lohnt es sich doch zu kämpfen, oder? Dafür lohnt es sich sogar zu sterben.«

Er war ein schöner Anblick, wie er so dastand, mit dem gezogenen Schwert in der Hand. Und ja! Hatte er nicht Recht? Vielleicht war ein Krieg tatsächlich der einzige Weg, den Natternkopf in seine Schranken zu weisen.

»Ihr müsst mir dabei helfen, Tintenweber! So nennt man Euch doch, oder? Der Name gefällt mir!« Cosimo schob das Schwert voll Anmut zurück in die Scheide. Tullio, der immer noch zu seinen Füßen auf der Treppe saß, schauderte, als die scharfe Klinge über das Leder schabte. »Ihr werdet den Aufruf an meine Untertanen für mich schreiben. Ihr werdet ihnen unsere Sache erklären, werdet Begeisterung in alle Herzen pflanzen und Abscheu für unseren Feind. Auch die Spielleute werden wir brauchen, Ihr seid ein Freund von ihnen. Schreibt ihnen feurige Lieder, Dichter! Lieder, die Lust aufs Kämpfen machen. Ihr schmiedet die Worte, ich lasse Schwerter schmieden, viele, viele Schwerter.«

Wie ein zorniger Engel stand er da, dem nichts als die Flügel fehlten, und zum ersten, zum allerersten Mal in seinem Leben empfand Fenoglio so etwas wie Zärtlichkeit für eins seiner Tintengeschöpfe. Ich werde ihm Flügel geben, dachte er. Ja, das werde ich. Mit meinen Worten.

»Euer Hoheit!« Als er diesmal den Kopf neigte, fiel es nicht schwer, und für einen köstlichen Moment schien es ihm fast, als hätte er sich den Sohn herbeigeschrieben, den er nie gehabt hatte. Nun werd nicht sentimental auf deine alten Tage!, sagte er sich, aber an der ungewohnten Weichheit in seinem Herzen änderte diese Ermahnung nichts.

Ich sollte mit ihm reiten!, dachte er. Ja, das sollte ich. Ich werde mit ihm gegen den Natternkopf ziehen. auch wenn ich ein alter Mann bin. Fenoglio, Held in seiner eigenen Welt, Dichter und Kämpfer zugleich. Das war eine Rolle, die ihm gefallen würde. Als hätte er sie sich auf den Leib geschrieben.

Cosimo lächelte noch einmal. Fenoglio hätte jeden seiner Finger darauf verwettet, dass es kein schöneres Lächeln gab, weder in dieser noch in irgendeiner anderen Welt.

Auch Tullio schien Cosimos Zauber erlegen zu sein, trotz der Angst, die der Natternkopf ihm ins Herz gepflanzt hatte. Verzückt starrte er zu seinem wiedergewonnenen Herrn empor, die kleinen Hände im Schoß, als hielten sie immer noch den Vogel mit der durchbohrten Brust.

»Ich höre sie schon, die Worte!«, sagte Cosimo, während er zu seinem Thronsessel zurückkehrte. »Wisst Ihr, meine Frau liebt die geschriebenen Worte. Wörter, die wie tote Fliegen auf Pergament und Papier kleben, bei meinem Vater soll es ebenso gewesen sein, aber ich will Worte hören und nicht lesen! Denkt daran, wenn Ihr nach den richtigen sucht: Wie sie klingen, müsst Ihr Euch fragen! Klebrig von Leidenschaft, dunkel von Traurigkeit, süß von Liebe, so müssen sie sein. Schreibt Worte, in denen all unser gerechter Zorn über die Untaten des Natternkopfs zittert, und bald wird dieser Zorn in den Herzen aller sein. Ihr werdet die Anklage schreiben, die flammende Anklage, wir werden sie auf jedem Marktplatz verkünden und von den Spielleuten verbreiten lassen: Hüte dich, Natternkopf! Bis auf seine Seite des Waldes soll man es hören. Deine verbrecherischen Tage sind gezählt! Und bald wird jeder Bauer unter meinem Wappen kämpfen wollen, jeder junge, jeder alte Mann, sie werden hierher strömen, auf die Burg, durch Eure Worte! Ich habe gehört, dass der Natternkopf in den Kaminen seiner Burg bisweilen gern Bücher verbrennen lässt, deren Inhalt ihm nicht gefällt, aber wie will er Worte verbrennen, die jeder singt und spricht?«

Er könnte den Mann verbrennen, der sie ausspricht, dachte Fenoglio. Oder den, der sie geschrieben hat. Ein beunruhigender Gedanke, der sein feurig klopfendes Herz etwas abkühlte, doch Cosimo schien ihn gehört zu haben.

»Natürlich werde ich Euch ab sofort unter meinen persönlichen Schutz stellen«, sagte er. »Ihr werdet künftig hier auf der Burg wohnen, in angemessenen Gemächern, wie es sich für einen Hofdichter gehört.«

»Auf der Burg?« Fenoglio räusperte sich, so verlegen machte ihn das Angebot. »Das. ist sehr großzügig von Euch. Ja, wirklich.« Neue Tage brachen an, ganz neue, prachtvolle Tage. Große Tage.

»Ihr werdet ein guter Fürst sein, Euer Gnaden!«, sagte er mit bewegter Stimme. »Ein guter und ein großer Fürst. Und meine Lieder über Euch wird man noch in Jahrhunderten singen, wenn der Natternkopf längst vergessen ist. Das verspreche ich Euch.«

Hinter ihm ertönten Schritte. Fenoglio fuhr herum, verärgert, in einem so bewegenden Moment gestört zu werden. Violante kam durch den Saal gehastet, ihren Sohn an der Hand, hinter sich ihre Dienerin.

»Cosimo!«, rief sie. »Hör ihn an. Dein Sohn will sich entschuldigen!«

Fenoglio fand, dass Jacopo nicht danach aussah. Violante musste ihn hinter sich herzerren und sein Gesicht war finster. Er schien sich nicht sonderlich über die Rückkehr seines Vaters zu freuen. Seine Mutter dagegen strahlte, wie Fenoglio sie noch nie gesehen hatte, und das Mal auf ihrem Gesicht war kaum dunkler als ein Schatten, den die Sonne ihr auf die Haut gezeichnet hatte.

Das Mal der Hässlichen verblasste auf ihrem Gesicht. Oh, Meggie, ich danke dir, dachte er. Wie schade, dass du nicht hier bist.

»Ich entschuldige mich nicht!«, verkündete Jacopo, als seine Mutter ihn unsanft die Treppe zum Thronsessel hinaufschob. »Er muss sich entschuldigen, bei meinem Großvater!«

Fenoglio machte unauffällig einen Schritt zurück. Es wurde Zeit zu gehen.

»Erinnerst du dich an mich?«, hörte er Cosimo fragen. »War ich ein strenger Vater?«

Jacopo zuckte nur die Schultern.

»O ja, du warst streng«, antwortete die Hässliche an seiner Stelle. »Du hast ihm seine Hunde fortgenommen, wenn er sich so benahm wie jetzt. Und sein Pferd.«

Oh, sie war schlau, schlauer, als Fenoglio gedacht hatte. Leise ging er auf die Tür zu. Wie gut, dass er bald auf der Burg wohnen würde. Er musste Violante im Auge behalten, sonst würde sie Cosimos leeres Gedächtnis bald ganz nach ihrem Geschmack gefüllt haben - wie einen ausgenommenen Truthahn. Als die Diener ihm das Portal öffneten, sah er, wie Cosimo seiner Frau abwesend zulächelte. Er ist ihr dankbar, dachte Fenoglio. Er ist dankbar, dass sie seine Leere mit ihren Worten füllt, aber lieben tut er sie nicht.

Nun, daran hast du natürlich wieder nicht gedacht, Fenoglio !, tadelte er sich, während er über den Inneren Hof schritt. Warum hast du kein Wort darüber geschrieben, dass Cosimo seine Frau liebt? Hast du nicht selbst Meggie vor langer Zeit die Geschichte von dem Blumenmädchen erzählt, das sein Herz an den Falschen verschenkte? Wozu sind denn Geschichten da, wenn man nicht auch etwas aus ihnen lernt? Nun, wenigstens liebte Violante Cosimo. Man musste sie nur ansehen. Das war doch schon etwas. Andererseits. Violantes Dienerin, die mit dem wunderschönen Haar, Brianna, von der Meggie behauptete, sie sei Staubfingers Tochter - hatte sie Cosimo nicht ebenso verzückt angesehen? Und Cosimo - hatte der nicht öfter zu der Dienerin geblickt als zu seiner Frau? Unwichtig!, dachte Fenoglio. Hier wird es bald um größere Dinge gehen als um Liebe. Um viel größere Dinge.