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Noch ein Bote

Die blasseste Tinte ist besser als das stärkste Gedächtnis.

Chinesisches Sprichwort

Der Natternkopf war verschwunden, als Fenoglio aus dem Tor der Inneren Burg trat, mitsamt seinen Gepanzerten. Gut!, dachte Fenoglio. Schäumen wird er vor Wut, den ganzen langen Weg nach Hause. Die Vorstellung ließ ihn lächeln. Auf dem Äußeren Hof wartete eine Ansammlung Männer. Die geschwärzten Hände ließen ihr Handwerk unschwer erkennen, auch wenn sie sie vermutlich gründlich geschrubbt hatten für ihren Fürsten. Die ganze Schmiedegasse Ombras schien sich auf der Burg eingefunden zu haben. Ihr schmiedet die Worte, ich lasse Schwerter schmieden, viele, viele Schwerter. Hatte Cosimo etwa schon mit den Vorbereitungen für seinen Krieg begonnen? Nun, dann wird es Zeit, dass ich mich an die Worte mache, dachte Fenoglio.

Als er in die Schustergasse einbog, glaubte er für einen Moment Schritte hinter sich zu hören, doch als er sich umdrehte, hinkte nur ein einbeiniger Bettler mühsam an ihm vorbei. Bei jedem zweiten Schritt rutschte ihm die Krücke aus in dem Dreck, der zwischen den Häusern lag - Schweinemist, Gemüseabfälle, stinkende Pfützen von dem, was die Leute aus den Fenstern kippten. Nun, Krüppel wird es bald reichlich geben, dachte Fenoglio, während er auf Minervas Haus zuschritt. So ein Krieg ist geradezu eine Krüppelfabrik. Was war das für ein Gedanke? Regten sich da etwa Zweifel an Cosimos Plänen in seiner hochgestimmten Seele? Ach was.

Bei allen Buchstaben des Alphabets! Diese Kletterei werde ich gewiss nicht vermissen, wenn ich erst mal auf der Burg lebe!, dachte er, als er sich die Treppe zu seiner Kammer hinaufquälte. Ich muss Cosimo nur bitten, mich auf keinen Fall in einem der Türme einzuquartieren. Zu Balbulus’ Werkstatt hinauf war es schließlich auch eine elende Stufensteigerei! Ach, die paar Stufen sind dir zu steil, aber in den Krieg zu ziehen, das traust du dir zu auf deine alten Tage!, spottete die leise Stimme in seinem Inneren, die sich immer zu den unpassendsten Zeiten äußerte, doch Fenoglio war geübt darin, sie zu überhören.

Rosenquarz war nicht da. Vermutlich war er wieder mal aus dem Fenster geklettert, um den Glasmann des Schreibers zu besuchen, der drüben bei den Bäckern wohnte. Auch die Feen schienen alle ausgeflogen. Es war still in Fenoglios Kammer, ungewohnt still. Mit einem Seufzer setzte er sich auf sein Bett. Er wusste selbst nicht warum, aber er musste an seine Enkel denken, an den Lärm und das Gelächter, mit dem sie sein Haus erfüllt hatten. Na und?, dachte er, verärgert über sich selbst. Minervas Kinder machen den gleichen Lärm, und wie oft hast du sie schon in den Hof hinuntergejagt, weil es dir zu viel wurde!

Schritte kamen die Treppe herauf. Na bitte. Wenn man vom Teufel sprach! Er hatte keine Lust, Geschichten zu erzählen. Er musste seine Sachen packen - und Minerva schonend beibringen, dass sie sich nach einem neuen Untermieter umsehen musste.

»Fort mit euch!«, rief er zur Tür. »Ärgert die Schweine im Hof oder die Hühner, aber der Tintenweber hat keine Zeit, denn er zieht auf die Burg!«

Die Tür schwang trotzdem auf, doch es waren nicht zwei Kindergesichter, die sich zeigten. Ein Mann stand davor - mit fleckigem Gesicht und leicht hervortretenden Augen, Fenoglio hatte ihn noch nie gesehen, und doch kam er ihm seltsam bekannt vor. Seine ledernen Hosen waren geflickt und schmutzig, aber die Farbe seines Umhangs ließ Fenoglios Herz schneller schlagen. Es war das silbrige Grau des Natternkopfes.

»Was soll das?«, fragte er barsch und erhob sich, doch der Fremde war schon durch die Tür. Breitbeinig stand er da, das Grinsen ebenso hässlich wie sein Gesicht, aber erst der Anblick seines Begleiters ließ Fenoglios alte Knie weich werden. Basta lächelte ihm zu wie einem lang vermissten Freund. Auch er trug das Silber der Natter.

»Pech, Pech, schon wieder Pech!«, sagte er, während er sich in der Kammer umsah. »Das Mädchen ist nicht hier. Da schleichen wir dir extra leise wie die Katzen von der Burg nach, weil wir denken, wir fangen gleich zwei Vögel, und nun ist es doch nur der hässliche alte Rabe, der uns in die Falle geht. Na ja, einer ist besser als keiner. Man darf nicht zu viel vom Glück erwarten, schließlich hat es dich gerade zur passenden Zeit auf die Burg geschickt, nicht wahr? Ich hab dein hässliches Schildkrötengesicht sofort erkannt, aber du hast mich nicht mal bemerkt, stimmt’s?«

Nein, das hatte Fenoglio nicht. Hätte er jeden Mann mustern sollen, der hinter dem Natternkopf gestanden hatte? Wenn du klug gewesen wärst, Fenoglio, sagte er sich, hättest du genau das getan! Wie konntest du vergessen, dass Basta zurück ist? War es nicht Warnung genug, was Mortimer passiert ist?

»Na, was für eine Überraschung! Basta! Wie bist du dem Schatten entkommen?«, sagte er laut - und trat unauffällig zurück, bis er hinter sich das Bett spürte. Nachdem im Nachbarhaus einem Mann im Schlaf die Kehle durchgeschnitten worden war, hatte er sich ein Messer unters Kissen gelegt, aber er war nicht sicher, ob es immer noch dort lag.

»Tut mir Leid, aber er hat mich wohl übersehen in dem Käfig, in dem ich steckte«, schnurrte Basta mit seiner Katzenstimme. »Capricorn hatte weniger Glück, aber Mortola ist noch da, und sie hat unserem alten Freund, dem Natternkopf, von den drei Vögeln erzählt, die wir suchen, gefährlichen Hexern, die mit Hilfe von Buchstaben töten.« Basta kam langsam auf Fenoglio zu. »Kannst du dir denken, wer diese Vögel sind?«

Der andere Mann schloss mit einem Stiefeltritt die Tür.

»Mortola?« Fenoglio versuchte seine Stimme spöttisch und überlegen klingen zu lassen, aber es klang doch eher wie das Krächzen eines sterbenden Raben. »War Mortola es nicht, die dich in den Käfig hat stecken lassen, um dich an den Schatten zu verfüttern?«

Basta zuckte nur die Achseln und schlug den silbergrauen Umhang zurück. Natürlich, da steckte es, sein Messer. Ein nagelneues Exemplar, wie es aussah, prächtiger als alle, die er je in der anderen Welt besessen hatte, und sicherlich ebenso scharf.

»Ja, das war nicht nett«, sagte er, während seine Finger liebkosend über den Messergriff strichen. »Aber es tut ihr wirklich Leid. Nun, was ist, weißt du, nach welchen Vögeln wir suchen? Ich helf dir etwas. Einem haben wir schon den Hals umgedreht, dem, der am lautesten gesungen hat.«

Fenoglio ließ sich auf das Bett sinken, mit, wie er hoffte, ausdruckslosem Gesicht. »Ich nehme an, du sprichst von Mor-timer«, sagte er, während er eine Hand langsam unter das Kissen schob.

»Richtig!« Basta lächelte. »Du hättest dabei sein sollen, als Mortola ihn erschossen hat. Ein Schuss in die Brust, so wie sie es immer mit den Krähen gemacht hat, die ihr die Saat von den Feldern pickten.« Die Erinnerung machte sein Lächeln noch etwas böser. Oh, wie gut Fenoglio wusste, was in seinem schwarzen Herzen vorging! Schließlich hatte er ihn ebenso erfunden wie Cosimo mit seinem Engelslächeln. Basta hatte es schon immer geliebt, seine eigenen Schandtaten und auch die anderer in aller Ausführlichkeit zu schildern.

Bastas Begleiter schien nicht so gesprächig. Gelangweilt sah er sich in Fenoglios Kammer um. Gut, dass der Glasmann nicht da war. Es war so leicht, ihn umzubringen.

»Dich werden wir wohl nicht erschießen.« Basta trat noch etwas näher auf Fenoglio zu, das Gesicht lauernd wie das einer Katze auf der Jagd. »Dich werden wir vermutlich aufhängen,