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»Gar nichts tun wir«, unterbrach Staubfinger ihn barsch, während er sich misstrauisch umsah. »Wir fragen nach dem Brief und dann ziehen wir weiter. Es kommen viele Leute her, und nach dem, was auf der Straße passiert ist, werden bald die ersten Soldaten hier auftauchen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir uns hier erst sehen lassen, wenn sich alles wieder etwas beruhigt hat, aber nun gut. «

»Und was, wenn der Brief noch nicht da ist?« Meggie sah ihn mit besorgtem Gesicht an. »Ich hab Fenoglio doch geschrieben, dass ich hier darauf warten werde!«

»Ja, und ich erinnere mich, dass ich dir nie erlaubt habe, ihm überhaupt irgendetwas zu schreiben, stimmt’s?«

Meggie schwieg zur Antwort, und Staubfinger blickte erneut zur Mühle hinüber. »Ich hoffe nur, Wolkentänzer hat diesen Brief sicher überbracht und der Alte hat ihn nicht herumgezeigt. Dir muss ich wohl kaum erklären, was Buchstaben alles anrichten können.«

Er sah sich ein letztes Mal um, bevor er sich aus dem Schutz der Bäume löste. Dann winkte er Farid und Meggie, ihm zu folgen, und schritt auf die Gebäude zu. Der Junge, der zum Haus gelaufen war, hockte wieder auf den Stufen vor der Mühlentür, und ein paar Hühner liefen gackernd davon, als Gwin auf sie zuschoss.

»Farid, fang den verdammten Marder ein!«, befahl Staubfinger, während er Schleicher mit einem Pfiff zu sich rief. Aber Gwin fauchte Farid an. Er biss ihn nicht (er biss Farid nie), aber er ließ sich auch nicht fangen. Er schlüpfte Farid durch die Beine und sprang einem der Hühner hinterher. Gackernd flatterte es die Mühlenstufen hinauf, aber den Marder schüttelte das nicht ab. Er schoss an dem Jungen vorbei, der immer noch auf den Stufen hockte, als ginge ihn die ganze Welt nichts an, und verschwand hinter dem Huhn durch die offene Tür. Einen Atemzug später verstummte das Gegacker -und Meggie warf Staubfinger einen beunruhigten Blick zu.

»Na, wunderbar!«, murmelte er, während er Schleicher in seinen Rucksack springen ließ. »Ein Marder im Mehl und ein totes Huhn, das wird uns hier sehr beliebt machen! Wenn man vom Teufel spricht.«

Der Mann, der den Karren belud, wischte sich die mehligen Hände an den Hosen ab und kam auf sie zu.

»Tut mir Leid!«, rief Staubfinger ihm entgegen. »Wo ist der Müller? Ich bezahl natürlich für das Huhn. Aber wir sind eigentlich hier, um etwas abzuholen. Einen Brief.«

Der Mann blieb vor ihnen stehen. Er war einen ganzen Kopf größer als Staubfinger. »Ich bin jetzt der Müller«, sagte er. »Mein Vater ist tot. Einen Brief, sagt Ihr?« Er musterte sie, einen nach dem anderen. Am längsten blieb sein Blick an Staubfingers Gesicht hängen.

»Ja. Einen Brief aus Ombra!«, antwortete Staubfinger, während er an der Mühle hinaufsah. »Warum mahlt sie nicht? Bringen die Bauern kein Korn oder sind Euch die Knechte ausgegangen?«

Der Müller zuckte die Achseln. »Gestern hat einer feuchten Dinkel gebracht. Die Kleie hat die Mühlsteine verklebt. Mein Knecht ist seit Stunden dabei, sie sauber zu machen. Was für ein Brief soll das sein? Und an wen? Habt Ihr keinen Namen?«

Staubfinger sah ihn nachdenklich an. »Ist denn ein Brief da?«

»Er ist für mich«, sagte Meggie und trat an seine Seite. »Meggie Folchart. So ist mein Name.«

Der Müller betrachtete sie in aller Ausführlichkeit - ihr schmutziges Kleid, ihr verklettetes Haar -, aber dann nickte er. »Ich hab ihn dadrin«, sagte er. »Ich frag nur so viel, weil ein Brief in den falschen Händen eine gefährliche Sache ist, nicht wahr? Geht schon rein, ich lad nur noch den Sack da auf.«

»Füll die Wasserflaschen auf«, raunte Staubfinger Farid zu, während er ihm seinen Rucksack über die Schulter hängte. »Ich fang den verdammten Marder ein, bezahl das Huhn, und sobald Meggie den Brief hat, machen wir, dass wir weiterkommen.«

Bevor Farid protestieren konnte, war er in der Mühle verschwunden. Mit Meggie. Der Junge fuhr sich mit dem Arm über das schmutzige Gesicht und sah ihnen nach.

»Füll die Wasserflaschen auf!«, murmelte Farid, während er die Flussböschung hinunterstieg. »Fang den Marder ein. Was denkt er? Dass ich neuerdings sein Diener bin?«

Der Junge hockte immer noch auf der Treppe, während er in dem kalten Fluss stand und die Kürbisflaschen unter Wasser drückte. Irgendetwas an dem Jungen gefiel Farid nicht. Irgendetwas in seinem Gesicht. Angst. Ja, das war es. Er hatte Angst. Wovor? Vor mir wohl kaum, dachte Farid und sah sich um. Etwas stimmte hier nicht, er roch es. Er hatte es schon immer riechen können, schon damals, in dem anderen Leben, in dem er Wache hatte stehen müssen, ausspionieren, hinterherschleichen, erkunden. o ja, er wusste, wie Gefahr roch. Er schob die Wasserflaschen zu Schleicher in den Rucksack und kraulte dem schläfrigen Marder den Kopf.

Den Toten sah er erst, als er zum Ufer zurückwaten wollte. Er war noch jung, und Farid hatte das Gefühl, sein Gesicht schon einmal gesehen zu haben. Hatte er ihm nicht auf dem Burgfest in Ombra eine Kupfermünze in die Schale geworfen? Die Leiche hatte sich in den herabhängenden Zweigen verfangen, aber die Wunde in der Brust war deutlich zu sehen. Ein Messer. Farids Herz begann zu rasen, so abrupt, dass er kaum noch atmen konnte. Er blickte zur Mühle. Der Junge saß davor und hielt die eigenen Schultern umklammert, als fürchtete er, auseinander zu fallen vor Angst. Der Müller aber war verschwunden.

Kein Geräusch war aus der Mühle zu hören, aber das bedeutete nichts. Das Rauschen des Wassers hätte alles übertönt

- Schreie, Schwertgeklirr. Los, Farid!, fuhr er sich an. Schleich dich an, finde heraus, was da vorgeht. Hundertmal hast du das doch schon getan, ach was, öfter.

Geduckt watete er durch den Fluss und kletterte hinter dem Mühlrad ans Ufer. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er sich gegen die Mauer der Mühle lehnte, aber auch das kannte er. Tausendmal und mehr schon hatte er sich mit klopfendem Herzen an ein Gebäude herangeschlichen, an ein Fenster, eine verschlossene Tür. Er lehnte Staubfingers Rucksack mit dem schlafenden Marder gegen die Mauer.

Gwin. Gwin war hineingelaufen. Und Staubfinger war hinterhergegangen. Das war nicht gut. Das war gar nicht gut. Und Meggie war auch noch bei ihm. Farid sah an der Mühle hinauf. Das nächste Fenster war ein gutes Stück über seinem Kopf, aber die Mauer war zum Glück grob gefügt. »Lautlos wie eine Schlange«, flüsterte er, während er sich daran hinaufzog. Der Sims des Fensters war weiß vom Mehlstaub. Mit angehaltenem Atem lugte Farid hinein. Das Erste, was er sah, war ein plumper Kerl mit dümmlichem Gesicht, wahrscheinlich der Knecht des Müllers. Den Mann neben ihm hatte Farid noch nie gesehen, aber von dem an seiner Seite konnte er dasselbe leider nicht sagen.

Basta. Dasselbe schmale Gesicht, dasselbe böse Lächeln. Nur die Kleider hatten sich geändert. Basta trug nicht länger sein weißes Hemd und den schwarzen Anzug mit der Blume im Knopfloch. Nein, Basta trug jetzt das Silbergrau des Natternkopfes und an seiner Seite ein Schwert. Ein Messer hatte er natürlich auch im Gürtel stecken. In seiner Linken aber hielt er ein totes Huhn.

Nur der Mühlstein war zwischen ihm und Staubfinger -und Gwin, der auf dem runden Stein hockte und begehrlich das Huhn anstarrte, während seine Schwanzspitze beunruhigt auf und ab zuckte. Meggie stand dicht neben Staubfinger. Ob sie an dasselbe dachte wie Farid? An Fenoglios tödliche Worte? Vielleicht, denn sie versuchte Gwin zu sich zu locken, aber der Marder beachtete sie nicht.

Was soll ich tun?, dachte Farid. Was soll ich nur tun? Hineinklettern? Unsinn! Was sollte das nützen? Sein albernes kleines Messer konnte nichts ausrichten gegen zwei Schwerter, und dann waren da ja auch noch der Knecht und der Müller. Gleich an der Tür stand der.

»Na? Sind das die, auf die ihr gewartet habt?«, fragte er Basta. Wie zufrieden mit sich selbst er aussah, zufrieden mit sich und seinen Lügen. Farid hätte ihm das verschlagene Lächeln so gern mit dem Messer von den Lippen geschält.

»Ja, das sind sie!«, schnurrte Basta. »Die kleine Hexe und der Feuerfresser als Zugabe. Da hat sich das Warten wahrlich gelohnt. Auch wenn ich das verdammte Mehl wahrscheinlich nie mehr aus der Lunge bekomme.«