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Je weiter sie gingen, desto feuchter wurde die Luft im Tunnel, bis Fhremus irgendwann spürte, dass ihm Wassertropfen vom Helm und den Augenbrauen fielen. Seine Haut war nicht nur vom Schweiß klamm. Feuchtigkeit perlte von seinem eingeölten Wams ab, rann zu Boden und plätscherte ihm in kleinen Rinnsalen in die Stiefel.

»Das hier war einmal der Kanal von Jierna’sid«, sagte Talquist. Seine vom Schal und dem Dunst gedämpfte Stimme schlug gegen die fernen Wände und wurde ebenso geschluckt wie das Licht. »Dann hat die Dynastie der Dunklen Erde, also Leitha und ihre Vorfahren, das große Leitungssystem erbaut und diese Tunnel aufgegeben.« Fhremus blieb stumm; seine Augen suchten erfolglos nach den Wänden, die in die Finsternis zurückgewichen waren.

Dann hörte er aus der Ferne einen seltsamen Ton; es war wie das harsche Pfeifen des Windes in der Wüste, zu dem sich kurze Zeit später ein tiefes Brummen gesellte das mit dem anderen Ton einherging. Es war ein beständiger Laut, der an Stärke zunahm, als sie sich ihm näherten. Obwohl Fhremus keine Ahnung hatte, was diese Geräusche verursachte, riefen sie doch eine durchdringende Kälte in ihm hervor, während sie gnadenlos über seine Trommelfelle kratzten.

»Wir sind bald bei der riesigen Zisterne«, erklärte Talquist, dessen Stimme plötzlich leise wurde. »Bleib dicht hinter mir, Fhremus, und pass auf, wohin du trittst. Ein falscher Schritt könnte tragisch sein.«

Fhremus warf einen Blick über die Schulter. Er glaubte hinter sich den äußerst schwachen Schatten des Riesen zu erkennen, doch als er noch einmal zurückschaute, sah er nichts als Dunkelheit. Nervös spähte er wieder nach vorn.

Talquist hatte am Rande von etwas angehalten, das eine gewaltige kreisrunde Schlucht zu sein schien, ein Loch von ungeheuren Ausmaßen, das früher einmal das gesamte herabfließende Wasser aus den Bergen enthalten hatte, was dem Volumen eines Flusses bei Hochwasser entsprach. Fhremus blieb hinter Talquist stehen und kämpfte gegen die Übelkeit an, denn der Geruch war furchtbar ätzend geworden; er biss ihm in die Nasenwände und kroch hinauf bis in die Nebenhöhlen.

Der Lärm aus der Schlucht war zu einem ohrenbetäubenden Getöse geworden, zu einem kreischenden Winseln, in dem die stärker gewordene Bassnote wie eine Kriegstrommel donnerte.

Talquist hielt das Licht über den Rand und befahl Fhremus, näher zu treten.

»Komm«, sagte er leise und mit einer gewissen Achtung in der Stimme. »Sieh dir das an.«

Fhremus schluckte still und näherte sich dem Abgrund. Dabei fuhr ihm etwas Kleines und Hartes über das Gesicht. Instinktiv schlug er mit der Hand danach, als wäre es eine Fliege. Dann schaute er hinunter in die Dunkelheit.

Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als stünde er bei Nacht über dem Trichter eines Tornados. In der Tintenschwärze unter ihm schien die Luft mit der Wildheit eines Wirbelwinds zu rotieren und verursachte dabei kreischende Laute. Die Bewegung war so heftig wie der größte Wüstensturm, den Fhremus je gesehen hatte, als Wände aus Sand aufgewirbelt worden waren und ganze Dörfer unter sich begraben hatten. Doch im Gegensatz zu einem Sturm war diese Bewegung dort unten chaotisch und sporadisch; es waren Millionen Blitze, die kein Ziel hatten, sondern nur aus Geschwindigkeit und Lärm bestanden.

Der Regent sah ihn eindringlich an. Sein Lächeln wurde breiter, und er hielt die Laterne über das wirbelnde Chaos aus Gestank, Gekreisch und Übelkeit erregenden Bewegungen.

In dem äußerst schwachen Lichtschimmer sah Fhremus, was in der Zisterne herumflatterte.

»Gütiger All-Gott«, flüsterte er und spürte, wie brennende Galle bis zu seiner Kehle aufstieg. »Sind das …?«

»Pestheuschrecken«, beendete Talquist die Frage für ihn. »Das ist ein junger Schwarm, der hauptsächlich aus Weibchen und Männchen besteht. Bisher gibt es keine Nachkommen – der größte Teil der Eier wird frühestens in der ersten Frühlingswoche ausgebrütet. Noch sind ihnen keine Flügel gewachsen.«

Die feuchte, faulige Luft brannte in Fhremus’ Lunge. Die Trockenheit des Landes war sowohl Fluch als auch Segen. Während die Erde nur wenig Ertrag brachte, war die Gefahr unaufhaltsamer Ungezieferschwärme sehr gering, da solch üble Tiere wie die Pestheuschrecken Wasser brauchten, in dem sie brüten konnten.

Wie den Bodensatz in der aufgegebenen Zisterne.

Obwohl zu Fhremus’ Lebzeiten keine Pestheuschrecken in dieser Gegend mehr vorgekommen waren, so waren sie doch in früheren Zeiten so verheerend gewesen, dass sie tiefe Eindrücke in der Erinnerung des Volkes hinterlassen hatten. Das Elend und der Hunger, welche die Horden gefräßiger Insekten hinterlassen hatten, waren so schrecklich für die Sorbolder und die Völker des Mittleren Kontinents gewesen, dass das Erscheinen eines einzelnen Grashüpfers noch immer eine allgemeine Panik hervorrufen konnte, die oft zum unnötigen Niederbrennen ganzer Felder führte.

Fhremus beugte sich vor und hob den Kadaver des Tieres auf, das im Flug gegen ihn gestoßen war. Wie jemand einen einfachen Grashüpfer mit einer dieser Kreaturen verwechseln konnte, war ihm unverständlich. Der winkelförmige Kopf, die mit Sägezähnen versehenen Kiefer und die scharfen, messerartigen Flügel waren die Kennzeichen eines Wesens, das das Böse schlechthin mit sich führte.

Er schluckte die aufsteigende Galle herunter.

»Ich verstehe nicht, Herr.«

Talquist hatte ihn eingehend beobachtet und nickte.

»Dann komm mit, Fhremus, und ich werde dir noch etwas zeigen.« Er drehte sich um und schritt in die Finsternis hinein. Der Kommandant warf den Kadaver in den schwarzen Abgrund und folgte rasch seinem Regenten.

Er warf einen Blick über die Schulter, als wolle er sich davon überzeugen, dass er nicht träumte.

Die Luft im Tunnel wurde noch schwerer vor fauliger Feuchtigkeit, je weiter sie kamen. Der Steingigant folgte ihnen; er bewegte sich so still wie der Tod, oder wenigstens schien es so, denn das Kreischen und Brummen aus der Zisterne war nun von einem tiefen, klickenden Trommeln abgelöst worden, das in Fhremus’ Ohren pochte und pulsierte und von den groben Tunnelwänden widerhallte. Sie schienen durch alte Zuflusstunnel zur Zisterne zu gehen; viele von ihnen waren vom Abfall der Jahrhunderte verstopft oder ganz verschlossen. Schließlich gelangten sie zu etwas wie einem übel riechenden Teich, dessen Wasser mit grünen Schlieren vermutlich pflanzlichen Ursprungs durchzogen war, auch wenn Fhremus nicht glauben wollte, dass an einem solchen Ort etwas Natürliches wachsen konnte.

Der Regent schritt vertrauensvoll in das Wasser und watete langsam, aber zielstrebig darin herum, bis der Schleim seine Stiefel zur Hälfte bedeckte. Er drehte sich um und bedeutete Fhremus, ihm zu folgen. Der Soldat gehorchte und trat neben Talquist, der schließlich anhielt und in die Düsternis vor sich blickte. Der Titan blieb reglos am Rand des Wassers stehen.

Talquists Augen brannten hell im Strahlen der kalten Laterne. Er deutete in die Dunkelheit vor ihnen.

»Dort, Fhremus, siehst du die Hilfe, die uns der Schöpfer zum Schutz vor jenen gewährt, die unser Land bedrohen.«

Er hielt die Laterne hoch.

Fhremus blinzelte und versuchte, an dem Licht vorbeizuspähen. Vor ihm im Schmutz lag der gewaltige Leib von etwas, das wie eine gehörnte Schlange oder ein Drache aussah. Es war unmöglich zu sagen, worum es sich in Wirklichkeit handelte, denn es war zum größten Teil aufgefressen, verschlungen mit tausend winzigen Bissen. Als er genauer hinsah, bemerkte er, dass der Kadaver aus geädertem Stein bestand, so wie der Titan, der am Ufer hinter ihnen wartete. Die glasigen Augen waren völlig glatt mit Ausnahme der Löcher, die in sie hineingebohrt worden waren. Ein Schwanz, von dem große Teile fehlten, ringelte sich hinter dem Wesen, während auch die Überreste von Schwingen zu sehen waren, die bis auf die Steinknorpel abgenagt waren. Aus dieser Statue schien so etwas wie Gras oder Korn zu wachsen; sie wirkte wie eine Skulptur, die man in einem Feld liegen gelassen hatte.