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Gerald Owens Küche war ein sauberer Ort, wo sich die Köche und langjährigen Bediensteten mit großer Planmäßigkeit durch den Tag bewegten und ohne Aufruhr entweder Mahlzeiten für die wenigen ständigen Bewohner Hagueforts oder für die ganze Provinz zubereiteten. So war es schon seit langem; Stephen Navarne hatte zu seinen Lebzeiten als Herzog viele Feiern und Feste, Benennungszeremonien und diplomatische Treffen veranstaltet, so wie es sein Vater vor ihm getan hatte. All das hatte jedes Jahr im Winterkarneval seinen Höhepunkt gefunden, einer Mischung aus religiöser Feierlichkeit, kulturellem Ritual und Volksfest, zu dem die Einwohner des westlichen Drittels von Roland sowie viele ausländische Besucher gekommen waren. Nur sehr wenig vermochte die wie geölt laufende Maschinerie durcheinander zu bringen, die aus dem Personal der Küche und der Speisekammer bestand.

Tristan Steward, der Regent von Roland, war eine dieser seltenen Ausnahmen.

Das Gesicht des alten Kammerherrn hatte eine ungesunde dunkelrote Färbung angenommen, nachdem die Glocke zum dritten Mal geläutet worden war. Er warf ein Handtuch auf die steinerne Oberfläche vor dem Backofen, wobei drei Köche zu verschiedenen Seiten des heißen Raumes liefen, während die Glocke noch beharrlicher geläutet wurde. Dann wandte sich Gerald Owen an die dünne, junge Kammermaid, die der Regent vor einigen Monaten zusammen mit einer bereits bezahlten Amme und einer Kinderfrau nach Haguefort gebracht hatte, und gab ihr einen ungeduldigen Wink. Er erinnerte sich nicht an ihren Namen und versuchte seine Verärgerung zu unterdrücken. Vermutlich hatten sie und die beiden anderen schon mehr als genug während ihrer Dienstzeit in Bethania gelitten.

»Du … Mädchen … bring Seiner Herrschaft den Tee und sorge dafür, dass ein bisschen Rum dabei ist, ansonsten wird er dich dafür zurückschicken. Du hast in seinen Diensten gestanden, also weißt du, dass du ihm aus dem Weg gehen solltest, damit er dich nicht schlagen kann. Aber wenn es dennoch geschehen oder er es zumindest versuchen sollte, dann berichtest du mir das sofort. Der cymrische Herrscher wird sich darum kümmern. Ich habe schon zu viele missbrauchte Diener gesehen, und Gwydion weigert sich, so etwas hinzunehmen.«

»Ja, Herr.« Die junge Frau nahm das silberne Tablett auf und ging auf die Treppe zu. Der Ausdruck gekünstelter Ängstlichkeit wurde einen Augenblick später durch ein Grinsen ersetzt.

Zum dritten Mal in jener Nacht pochte es an Tristan Stewards Tür, und ihm wurde auf seinen Wunsch hin ein alkoholisches Getränk gebracht.

Doch nun war der Regent von Roland zum ersten Mal nicht vollkommen verdrießlich, sondern nur etwas verärgert, was vielleicht dem Dessertlikör zuzuschreiben war, dem eine Karaffe mit Branntwein gefolgt war, aus der er bei den beiden vorhergehenden Malen bedient worden war.

»Wurde auch Zeit, dass du kommst«, murmelte er mürrisch, als das dünne, dunkelhaarige Kammermädchen das Zimmer mit einem silbernen Tablett betrat, das es auf dem Tisch vor dem Kamin abstellte. »Was muss ich deinem dämlichen Kammerherrn sagen, damit ich sicher sein kann, dass du kommst, wenn ich rufe, und nicht irgendein verfluchter Idiot oder ein backenbärtiger Blödmann?«

Die junge Frau lächelte, als sie auf den Regenten von Roland zuschritt.

»Vielleicht solltest du beim nächsten Mal den Tee zuerst bestellen«, sagte sie ohne die geringste Ehrerbietung in der Stimme. »Wenn du darauf beharrst, um Alkohol zu bitten, wird man dir aus der Speisekammer den Weinkellner oder den Oberkellner schicken. Niedrige Kammermädchen servieren Tee, nicht Branntwein.«

»Aber ich mag Branntwein«, sagte Tristan neckisch, setzte sein leeres Glas ab und schritt durch den Raum auf sie zu. »Und ich habe noch andere Bedürfnisse, die nicht mit einem Getränk befriedigt werden können. Das weißt du sehr wohl, Portia.«

Die schwarzen Augen der jungen Frau glitzerten vor Belustigung, als ihr früherer Herr und Meister die Hände in ihr Haar grub und die langen, glänzenden Strähnen mit einer Heftigkeit packte, die seinem trägen Tonfall Hohn sprach.

»Du hast mich also vermisst, ja?«, fragte sie und wehrte sich nicht, als Tristan sie näher an sich zog und seine Finger hinter ihrem Kopf ineinander verhakte. Dunkle Wellen dichter, rauer Seide hüllten ihn ein. »Ich hatte mich schon gefragt, ob du mich Gwydion andrehen willst wie ein unerwünschtes Bündel Handtücher, nachdem du dich so schnell von mir getrennt hast.«

Tristan Steward kniff die Augen zusammen, als er die Anklage in ihrer rauchigen Stimme hörte.

»Ich habe nichts dergleichen getan«, sagte er tadelnd und verdrehte seine Hände in ihrer Mähne. »Es hat mir wehgetan, mich von dir zu trennen, Portia. Meine Lenden schmerzen seit dem Tag vor vier Monaten, als ich dich an diesem Ort zurückgelassen habe. Deine Mission hier ist von äußerster Wichtigkeit für mich – für uns –, und wenn dem nicht so wäre, dann hätte ich es nie zugelassen, dass du auch nur einen Moment von mir getrennt bist.«

Die Kammermaid griff hinter ihren Kopf und zerrte seine Hände grob herunter.

»Zu deinem Unglück und dem deiner schmerzenden Lenden habe ich im Verlauf meiner Tätigkeit für dich inzwischen begriffen, wie sehr du mich in die Irre geführt hast«, sagte sie schroff, drehte sich von Tristan Steward weg und nahm das Gedeck vom Tablett herunter.

Der Herr von Roland wurde bleich; der Schock zerstörte das Verlangen, das sich in ihm aufgebaut hatte, seit er das zarte Klopfen an der Tür gehört hatte. Nun zitterte er, und ihm war übel. »Was … was meinst du damit?«, stammelte er. »Ich war immer offen und ehrlich zu dir, Portia – sogar unverantwortlich ehrlich. Ich habe mehr Geheimnisse mit dir geteilt, als ich zählen kann, weil ich mir nicht eingestehen wollte, was für ein Narr ich bin.«

Die Kammermaid drehte sich ihm zu, steckte sich das Tablett unter die Arme und hielt es wie einen Schild vor ihren Bauch. Dabei sah sie ihn kalt an.

»Was für Geheimnisse sollen das denn sein?«, fragte sie. In ihrer kehligen Stimme lag eine beißende Schärfe. »Deine tiefe Abneigung gegen deine Frau? Das ist kein Geheimnis, das weiß jeder in Roland, genau wie jedermann um deine Schwäche für Huren und Flittchen weiß. Alle sehen doch ihre Parade, die jedes Mal dann erscheint, wenn die Herrin Madeleine Bethania verlässt, um ihre Familie in Canderre zu besuchen. Das ist ein offenes Geheimnis, Tristan, und es wäre wirklich ein Wunder, wenn Madeleine davon keine Ahnung hätte. Dafür mache ich dich nicht verantwortlich, denn sie ist wirklich ein gewaltiges Biest. Aber es ist nicht unbedingt schmeichelhaft, einfach nur die neueste in einer Reihe namenloser Huren zu sein, die du zur Befriedigung deiner Lust und zum Entladen deiner Frustrationen benutzt. Falls du erwarten solltest, dass ich dir dankbar bin: Ich bin es nicht.«

»Du bist für mich doch keine namenlose Hure, Portia«, sagte Tristan sanft. »Du hast gehört, wie ich immer wieder deinen Namen ausgesprochen habe, und jedes Mal mit Hochachtung und Vergnügen. Und unsere Liebesspiele scheinen dich keinesfalls herabgewürdigt oder entehrt zu haben. Ich achte, ja ich bewundere sogar deinen Mangel an Scham, deine Phantasie, deine Unverschämtheit, deinen Eifer, dein Feuer und deine Verachtung aller Höflichkeitsformen. Du bist nicht mein Spielzeug; du bist sehr wichtig für mich, und ich habe dir einige meiner bedeutendsten Geheimnisse verraten. Du solltest dich nicht beleidigt, sondern geehrt fühlen.«

Portia sah ihn noch eindringlicher an. »Geehrt? Oh. Beziehst du dich darauf, dass du mich mit deinem Bruder teilst, dem heiligmäßigen Segner von Canderre-Yaim? Ist es das, was du damit meinst? Soll ich mich etwa geehrt fühlen, weil ich das Geheimnis unserer Treffen kenne, sowohl mit dir als auch ohne dich? Glaubst du, es könnte etwas mit deinen Schwierigkeiten in Bethania zu tun haben, wenn der Segner das ihm auferlegte Zölibat bricht? Vielleicht erheitert es den All-Gott nicht sehr, wenn er sieht, wie einer seiner heiligsten Diener meinen nackten Körper als Tisch für seine abendlichen Mahlzeiten benutzt oder lüsterne Spiele von Fuchs und Hund spielt oder mich so rammelt wie du …«