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»Ich weiß«, meinte Tristan und bemühte sich, wacher zu werden. »Ich weiß, Rhapsody, ich bin gesegnet, aber …« Die Worte gingen ihm aus, und seine Stimme schwankte unter dem Gewicht seiner selbstsüchtigen Nöte und seiner Besessenheit.

»Aber was?«

Er stützte sich auf die Ellbogen und schaute hoch in ihr vollkommenes Gesicht.

»Das ist nicht genug«, sagte er schließlich. »Es ist nicht genug.«

Das Lächeln verließ ihre Augen und Lippen und wurde von einem Ausdruck nachdenklicher Traurigkeit ersetzt.

»Was würde denn genug sein, Tristan?«

Alle Barrieren, die er in dem Versuch errichtet hatte, sein Verlangen in Grenzen zu halten, gesellschaftlich annehmbar zu bleiben und Rhapsody nicht zu vertreiben, gaben angesichts der vermutlich einzigen Gelegenheit nach, es ihr offen und ehrlich zu sagen.

»Du«, flüsterte er. »Du. Ich brauche dich. Seit dem ersten Mal, als du vor langer Zeit zu mir gekommen bist, um den Schutz der Bolg gebeten hast und ich dich fortgeschickt habe, spüre ich einen Abgrund in mir. Ich verfluche mich, weil ich so blind war, so dumm …«

»Halt«, sagte sie und legte ihm ihre kleine, warme Hand auf die Lippen. »Zwischen uns gibt es nichts, was zu bedauern wäre. All das ist gekommen und gegangen, und ich bin immer noch hier.«

»Ich brauche dich«, sagte Tristan erneut. Die Worte trommelten platt und dumm gegen sein Trommelfell.

»Und ich bin hier.«

»Nicht so«, beharrte er, ergriff ihre Hand, presste sie wieder gegen seine Lippen und legte sie ihr dann an die Wange. Ihre Wärme und Festigkeit erfreuten ihn; bis zu diesem Augenblick war er nicht sicher gewesen, ob sie nicht doch bloß ein Traum, ein Gebilde seiner trunkenen Phantasie war. »Ich will dich lieben, Rhapsody.« Sie stieß scharf die Luft aus und zog ihre Hand fort. »Wir sind mit anderen Partnern verheiratet«, sagte sie nur. »Wir haben Kinder mit anderen Partnern.«

»Ich weiß, ich weiß«, meinte Tristan Steward. Die Erschöpfung und die späte Stunde machten seinen Kopf leicht, und seine Worte hallten dümmlich in seinem Hirn wider.

»Dann weißt du, dass das, worum du bittest, niemals Wirklichkeit werden kann«, sagte sie, aber ihre Worte enthielten keine Anklage.

Die Schönheit ihres Gesichts, die Wärme ihres Körpers in dem ansonsten kalten Raum, ja sogar die Sanftheit ihrer ablehnenden Worte waren mehr, als Tristans zerrissenes Herz und benebelter Verstand ertragen konnten. Er weinte; angesichts dieses unnennbaren Verlustes rannen ihm schmerzliche Tränen in Rinnsalen des Selbstmitleids über die Wangen. Sie musste die Ernsthaftigkeit seiner Qualen erkannt haben, denn sie sah ihn mit großen Augen besorgt an, streckte schnell die Hand aus und legte sie ihm wieder auf die raue Wange.

»Hör auf«, sagte sie leise. »Hör auf damit, bitte. Das ist nicht nötig. Hör auf.«

Tristan ließ den Kopf auf die Brust sinken; er konnte sie nicht länger ansehen. Selbst wenn er sie nicht betrachtete, spürte er, wie ihre Bestürzung wuchs, doch er konnte sich nicht genug zusammenreißen, um die Lage wieder unverfänglich zu machen.

Sie legte ihm die zweite Hand auf die andere Wange »Bitte, bitte sei nicht traurig«, sagte sie. »Ich habe den langen Weg zurückgelegt, um dich zu trösten, Tristan nicht um dir Schmerzen zuzufügen.«

»Dann tröste mich«, platzte Tristan heraus. »Tröste mich, Rhapsody.«

Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben brachte Tristan es fertig, mit Körper und Geist gleichzeitig zu handeln und die notwendige Initiative zu ergreifen. Er streckte die Hand aus und zog Rhapsody in seine Arme. Dabei schenkte er ihrer verblüfften Miene keine Beachtung, sondern drückte ihren Körper fieberhaft gegen den seinen.

Er war auf einen heftigen Schlag ins Gesicht vorbereitet und darauf, dass sie sich ihm gewaltsam entziehen würde, doch stattdessen erstarrte sie, und ihre smaragdgrünen Augen glitzerten in einer Gefühlsregung, die er nicht beschreiben konnte. Zuerst glaubte er, es könnte Angst sein, doch davon war keine Spur zu sehen; es war eher ein intensiver Blick der Verwirrung, vermischt mit Sympathie und – vielleicht nur in seiner Einbildung – einer Spur Verlangen.

Er entschied sich zu glauben, dass es so war.

Er sagte nichts mehr, warf alle Vorsicht und allen Anstand über Bord, küsste sie und bedeckte vollständig ihren würzigen, roten Mund mit dem seinen, fast als wollte er ihr nicht nur den Atem, sondern auch alle möglichen Einwände rauben.

Wenn all das Warten und die lange gehegten Phantasien verblassen und der Moment plötzlich gekommen ist, auf den man jahrelang vergeblich gewartet hat, dann verändert sich das Gewicht der Zeit, wie Tristan feststellen musste. Das Blut hämmerte ihm im Gleichklang mit einem rasenden Herzen in den Ohren und überlagerte alle anderen Geräusche. Die Zeit verlangsamte sich; schwach hörte er Rhapsodys Stimme hinter dem Pochen, wann immer er seinen Mund von ihrem nahm. Sein Name war das einzige Wort, das er verstand, doch ob es in Leidenschaft oder Ablehnung wiederholt wurde, vermochte er nicht zu sagen.

Der schwere Stoff ihres brokatenen Morgenmantels wisperte zwischen seinen zitternden Händen. Unter dem Mantel war sie nackt, und als er nach ihr tastete, fühlte sie sich warm an. Wie ein Frierender, der ein flackerndes Feuer findet, drückte er sich näher an sie, wurde fordernder, fand keinen Widerstand, keine Grenze, nur Einverständnis, nur Willkommen.

Wie viele Herzschläge ihr Liebesakt dauerte, vermochte Tristan nicht abzuschätzen; er wusste nur, dass die Zeit stillgestanden hatte, während ihm die Gnade gewährt worden war, das zu erlangen, was er als unerreichbar angesehen hatte. Als sie die Arme und Beine um ihn schlang und sein Gesicht liebevoll zwischen die Hände nahm, musste der Herr von Roland weinen. Er vergoss heiße, schmerzliche Tränen des Unglaubens und Jubels, weil sein Verlangen und seine Liebe von der Frau erwidert worden waren, die seine Seele an dem Tag gestohlen hatte, da er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Als er es nicht mehr aushielt, zog er sie noch enger an sich und vergrub sein Gesicht dankbar in den Wellen ihres blonden Haars. Er küsste ihren Hals, der von Leidenschaft und Feuer schweißnass war, und flüsterte ihr ins Ohr:

»Diese Nacht friert niemand in deinem Haus.«

Er spürte, wie sie an seinem Hals lächelte.

Sie zog sich ein wenig zurück, lag in seiner Armbeuge und lächelte ihn an; das Licht des Kaminfeuers tanzte in ihren Augen.

»Bist du jetzt getröstet, Tristan?«

Der Herr von Roland seufzte glücklich. »Unermesslich.« Er stützte sich auf seinen Ellbogen und lauschte in Richtung der Tür. Als er nichts aus dem Korridor dahinter vernahm, strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du sollst wissen, dass ich diese Nacht für immer als heilig halten werde …« Seine Stimme versagte, aber er zwang sich weiterzusprechen, denn er wollte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen. »Und alle Nächte, die noch kommen werden.«

Der Feuerschein in ihren Smaragdaugen wurde schwächer.

»Nächte, die noch kommen werden?«

»Ja«, platzte Tristan Steward heraus. »Jetzt, da wir … da ich und du …« Seine Worte wurden langsamer, als sich ihre Miene veränderte und vor seinen Augen einen Ausdruck der Wachsamkeit annahm. »Du brauchst nicht zu befürchten, dass Gwydion es herausfindet, Rhapsody. Wir werden von jetzt an vorsichtig sein. Ich würde ihm niemals verraten, was wir getan haben, unter keinen Umständen.«

Sie stieß scharf die Luft aus. »Sag ihm, was du willst«, meinte sie barsch. »Er wird dir sowieso nicht glauben.«

Tristan zuckte zusammen, als ob er geschlagen worden wäre. Bis zu diesem Augenblick war ihm nicht klar gewesen, dass er von ihr Dankbarkeit für sein Schweigen erwartete. »Nein, nein, ich würde dich nie verraten … ich liebe dich … ich will nicht alles zerstören, was für dich von Wert ist. Wenn ich nur weiß, dass ich dir nicht egal bin …« Seine Worte verstummten angesichts ihres leeren Gesichtsausdrucks. »Du … empfindest doch etwas für mich, Rhapsody? Das musst du doch, wo du so zu mir gekommen bist …«