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»Natürlich empfinde ich etwas für dich, Tristan«, sagte sie und regte sich unbehaglich in seinen Armen.

Tristan spürte, wie seine verblassende Hoffnung zurückkehrte. »Dann werden wir uns weiterhin heimlich treffen?«, fragte er. Unbewusst fasste er sie fester, während sie sich heftiger in seiner Umarmung wand, als wollte sie sich von ihm befreien.

»Natürlich können wir … ach, verdammt, es reicht. Das macht mich krank. Lass mich endlich los, ich bekomme keine Luft mehr.«

Mit einem beinahe gewalttätigen Stoß machte sie sich aus seinen Armen frei, erhob sich, wandte sich von ihm ab und strich dabei ihren Morgenmantel glatt.

Zu Tristans tiefstem Entsetzen wuchsen ihr Körper und ihr Schatten, während sie aufstand, und nahmen eine Gestalt und einen Umfang an, den sie noch einen Augenblick zuvor nicht gehabt hatten. Im verdämmernden Licht des Kaminfeuers schien ihr Haar dunkler und ihr Gesicht länger zu werden, und als sie sich umdrehte, glitzerte in ihren Augen ein böses, schwarzes Licht.

Der Herrscher über Roland spürte, wie alle Atemluft seinen Körper verließ.

Nach zwei Versuchen, die keinen Laut, sondern nur bitteren Speichel hervorbrachten, schaffte er es schließlich, das Wort auszusprechen. »Portia?«

Die Kammermagd lachte fröhlich. Sie stand immer noch da und beobachtete erheitert sein Erstaunen, bis er endlich den Mund schloss.

»Ist Selbsttäuschung nicht etwas bemerkenswert Mächtiges?«, fragte sie neckisch. »Ich habe dir schon gesagt, dass ich große Übung darin besitze.« Sie drehte sich um, ging auf die Tür zu, blieb dann aber kurz stehen.

»Du solltest vom Boden aufstehen, Tristan«, sagte sie. »Deine Lage passt nicht zu der Stellung, die du bald einnehmen wirst.«

Dann verließ sie das Zimmer, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

27

Das Königreich der Nain

Faedryth, König der Nain und Herrscher über die Fernen Berge, starrte wehmütig in die Finsternis hinter dem schimmernden Thron in der Mitte seiner großen Halle, die tief im Innern der Erde lag. Obwohl der Sitz der Macht seit beinahe tausend Jahren unangezweifelt der seine war, gab er dem König doch immer wieder zu denken, so oft er ihn betrachtete.

Der Thron bestand aus einem einzigen Kristall, der reiner als die makellosen Diamanten in seiner Krone war. Es handelte sich um einen unregelmäßigen Sitz, der aus Lebendigem Stein bestand, welcher nahtlos aus dem Höhlenboden emporwuchs und dessen zerklüftete Platten bis hoch unter die gewölbte Decke der Großen Halle reichten. Die Nain, die vor Faedryth an diesem Ort gelebt hatten, waren zwar die großartigsten Bergarbeiter, Architekten und Straßenbauer gewesen, die der Kontinent je gesehen hatte, doch sie hatten diese wundersame Formation fast unberührt gelassen und sie lediglich poliert. Es war ihnen lieber gewesen, dass ihr Monarch nicht sehr bequem saß, als die Erde zu beleidigen, die ein solches zur Ehrfurcht zwingendes Wunder hervorgebracht hatte, indem sie es auf irgendeine Weise veränderten. Daher hatten sie es auch als angemessen erachtet, die Große Halle nur mit wenigen Fackeln auszustatten, damit sie nicht das gigantische, reine Juwel von außen erleuchteten, das aus eigenem, innerem Licht glomm.

Der Nain-König schaute sich in der leeren Höhle um und kehrte zu seinen Überlegungen zurück. Er erinnerte sich daran, wie er zum ersten Mal diesen Ort gesehen hatte. Er war unter der Waffenstillstandsflagge von den Wachen des Nain-Königs Vormvald, der über diese Länder regiert hatte, in den unterirdischen Raum geführt worden. Damals hatte Faedryth als Flüchtling hier Unterschlupf gesucht. Vormvald hatte damals im hundertzwölften Jahr seiner Regentschaft gestanden und Faedryth sowie sein Gefolge, das aus Tausenden Nain von der anderen Seite der Welt bestand, wo Faedryth einst ihr König gewesen war, freundlich aufgenommen. Beide waren Männer mittleren Alters gewesen, doch im Gegensatz zu Vormvald und seinen Untertanen waren Faedryth und seinem Gefolge der zweifelhafte Segen einer andauernden und unheimlichen Jugend zuteil geworden, einer annähernden Unsterblichkeit, die sie irgendwo auf der Flucht aus ihrer dem Untergang geweihten Heimat erworben hatten. Dieser zweifelhafte Segen hatte bereits dazu geführt, dass sich einige das Leben genommen hatten.

Doch Vormvald hatte das nicht gewusst. Er hatte das Erscheinen von dreißigtausend seiner eigenen Art unter dem Banner eines scheinbar demütigen und hilfsbereiten Führers wie Faedryth als willkommene Verstärkung seines Militärs sowie der Bergarbeiter und Baubrigaden der Fernen Berge angesehen. Er schuf Faedryths Volk, den Überlebenden der untergegangenen Insel Serendair, auf seinem Gebiet eine neue Heimat, bestellte Faedryth zum Vizekönig, gewährte den Neuankömmlingen Autonomie unter ihrem König und machte sich mit der Hilfe des früheren Königs daran, sein eigenes Reich umzugestalten, wobei es zu immer größeren, visionäreren Erfindungen und Bauwerken kam. Die Produktivität der Minen wurde verdoppelt, das Kunsthandwerk der Essen und Schmieden wurde legendär, und das nun vereinigte Königreich genoss seinen unabhängigen, heimlichen Fortschritt tausend Meilen von den anderen Völkern entfernt.

Der Einfluss der cymrischen Nain, wie Faedryths Leute im Fernen Königreich genannt wurden, war bald deutlich spürbar. Ihre Vertrautheit mit Flaschenzügen und Gelenken, ihr Geschick beim Schmieden von Waffen, mit denen Vormvald nicht vertraut war, ihre Fähigkeit, Erdmassen zu bewegen und den Stein von Tunneln und Minen zu behauen, wurde rasch ein Teil des gesellschaftlichen Lebens in den Fernen Bergen. Der alte Nain-König war von den Fortschritten begeistert, von den neuen Städten, den Kunstwerken, den Erfindungen. Doch allmählich, während jede neue Ära des Fortschritts kam und ging und durch eine noch großartigere Ära ersetzt wurde, verlor Vormvald das Augenlicht, seine Hände wurden schwächer, sein grauer Bart bekam die Farbe von Bergschnee.

Nicht so bei Faedryth. Er blieb so jugendlich wie an dem Tag, als er an Vormvalds Hof eingetroffen war. Er hatte teilgehabt an den Visionen, der Arbeit und der Herrschaft über das vereinigte Königreich der Nain, und als Vormvald schließlich im vierten Jahrhundert seines Lebens dahinschied und wie jeder Mensch von der einen Welt in die nächste wechselte, da wurde Faedryth zum unangefochtenen Herrscher über das Königreich Vormvalds Erben begehrten eine oder zwei Generationen lang auf, doch am Ende löschte die Zeit die dynastische Linie sowie ihren Anspruch auf den Thron und schließlich auch die Erinnerung an sie aus, so wie das Tuch eines Juweliers einen kleinen Kratzer in einem ansonsten makellosen Stein wegpoliert.

Nun gehörte der Kristallthron Faedryth schon seit einem Jahrtausend, doch irgendwie erschien er dem König noch immer neu. Jedes Mal, wenn er auf dem waagerechten Stein in dem Felsen Platz nahm, der als Sitz diente, fühlte er sich unwohl und ein wenig eingeschüchtert. Er hatte sich an die tiefe Macht des Steins gewöhnt, an ihren Druck und die Strömung, die aus der Tiefe der Erde durch den riesigen schimmernden Kristall aufstieg; seine Autorität war durch die Berge bestätigt, über die er herrschte. Faedryth spürte fremdes Blut und das Atmen der Erde, deren Macht nun die seine war. Dennoch hatte Faedryth den Thron nie als selbstverständlich angesehen. Zwar war er ein großer und eitler Herrscher und der unsterbliche Anführer einer Nation verborgener Schmiede, Bauleute, Bergarbeiter und Juweliere sowie einem Heer von beinahe einer halben Million Soldaten, doch trotz aller Reichtümer, die er zu seiner Verfügung hatte, erkannte er, dass es noch ein paar Dinge gab, die größer waren als er selbst.

Eines dieser Dinge mochte in dem Kästchen aus schwarzem Elfenbein stecken, das er nun in den Händen hielt.

Ein leises Hüsteln hinter ihm riss Faedryth aus seinem Tagtraum. Thotan, sein Minenminister und der einzige nichtmilitärische Graf, stand am Rand der Feuerschatten und schwieg respektvoll. Höfliches Betragen war ungewöhnlich für einen Nain-Grafen; die meisten Nain redeten zwar nur, wenn sie zu tief ins Glas geschaut hatten, doch für gewöhnlich war es ihnen dann egal, ob andere sie hörten oder nicht. Thotan war anders. Er war der Verwalter der Kaufleute, der oberweltlichen Nain, welche die Waren aus den Minen über das Meer zu den Königreichen der Menschen brachten und dort verkauften, damit der Rest des Reiches friedlich und abgeschieden in der stillen Erde leben konnte. Seine Tätigkeit erforderte unübliche Geduld und Höflichkeit. Thotan hatte hinter den vergoldeten Türen des Throns gewartet, seit der König ihn vor mehr als einer Stunde gerufen hatte. Faedryth seufzte und nickte ihm beinahe widerstrebend zu. Thotan drehte sich auf dem Absatz um und eilte aus dem Raum.