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Anborns Augen flackerten vor Wut. »Ist das Eure Einschätzung als Feldherr?«, fragte er eisig.

Der Patriarch schüttelte den Kopf; auch in seinen Augen loderte ein grimmiges Feuer. »Das ist die Einschätzung des Rings der Weisheit«, erwiderte er. Er hielt die Hand hoch; der klare Stein im Ring glühte so heftig wie der Himmel über Sepulvarta. »Ich muss nun ins Exil gehen. Wenn ich die Stadt retten könnte, indem ich mich ausliefere, würde ich das tun. Aber das ist nicht die Absicht unserer Feinde. Sie haben lediglich die Grenze von Sorbold um die Ausdehnung meines Landes nach Norden verschoben.«

»In der Tat«, murmelte Anborn. »Und sie haben zweifellos vor, die Stadt als Stützpunkt zur Eroberung der Krevensfelder zu benutzen.« Er zerrte an den Zügeln und achtete nicht auf das erschrockene Jammern seines Reittieres. »Dieses Gebiet ist so groß und ungeschützt, dass wir es nicht verteidigen können. All die Leute in den Gehöften und Siedlungen sind Kriegsfutter, wenn wir sie nicht sofort nach Roland evakuieren. Werft einen letzten Blick auf die Zitadelle, Euer Gnaden. Ich vermute, dieser Ort wird in Schutt und Asche liegen, wenn Ihr das nächste Mal hier vorbeikommt. Und wenn sie den Turm in ihre Gewalt bringen, kann niemand vorhersehen, was sie damit machen werden.«

»Ich weiß«, meinte der Patriarch. »Das Grauen dieses Gedankens entzieht sich jeder Beschreibung.«

Anborn hörte schon nicht mehr zu. Er hatte bereits sein Pferd gewendet, ritt an den Truppen entlang und brüllte Befehle zur Massenevakuierung.

Als nach einer Nacht der Plünderungen das Tageslicht hereinbrach, gebot Fhremus den Ausschreitungen Einhalt.

»Leert die Basilika und versiegelt sie«, befahl er. Minus salutierte vor ihm und gab das Kommando weiter. »Sie ist wahrlich eines der Wunder der bekannten Welt. Ich bin sicher, der Herrscher will nicht, dass sie stärker beschädigt wird, als es zur Unterwerfung der Stadt nötig ist.«

Er sah sich um und betrachtete die Überreste von Sepulvarta. Die historischen weißen Gebäude waren mit Ruß überzogen; ganze Bereiche der Stadt, besonders die Pilgerstätten, standen noch in Flammen, und auf den gepflasterten Straßen lief das Blut in Strömen.

»Wo ist Faron?«, fragte er Trevnor.

Der Adjutant schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn zuletzt bei den Gärten gesehen, Herr. Er hat die Tür zum Haus des Patriarchen aufgebrochen, wie es ihm befohlen war, aber dann ist er auf eigene Faust losgezogen; in all dem Rauch konnten wir ihm nicht folgen.«

»Der Patriarch ist noch immer nicht gefunden worden?«

»Nein, Herr. Und die Priester und Akolythen im Haus schwören, dass sie nicht wissen, wo er ist. Sie haben nicht einmal unter der Folter etwas ausgesagt.«

»Hmm. Nun gut, haltet weiterhin nach beiden Ausschau. Es gibt nur ein einziges Tor in der Stadtmauer, und Faron ist nicht dorthin zurückgekehrt, also muss er noch irgendwo hier drinnen stecken. Er ist so groß, dass man ihn schlecht übersehen kann. Ich bin sicher, dass wir ihn sehr bald finden werden.«

Fhremus’ Gewissheit schwand kurz darauf, als ein Loch im nördlichen Teil der Stadtmauer entdeckt wurde, das wie von einer gewaltigen Hand gerissen worden war.

Als sich schließlich die Erde unter seinen Füßen ausreichend abgekühlt hatte, hielt Faron an.

Die Schlacht hatte ihm wenig bedeutet. Manchmal stellte Zerstörung für ihn ein großes Vergnügen dar, doch bei der Plünderung Sepulvartas hatte er es nicht empfunden. Faron wusste selbst nicht, warum das so gewesen war. Vielleicht war es die Knauserigkeit der Kommandanten und Soldaten gewesen, die ihm wie einem großen heidnischen oder animistischen Gott gefolgt waren und nicht erkannt hatten, dass dieser heidnische Gott einst ein zitterndes, gallertartiges, trauriges Bündel blassen, sterbenden Fleisches gewesen war, bis Talquist ihn auf der Waage von Jierna Tal in diesem Körper aus Lebendigem Stein eingeschlossen hatte. Faron hatte diese Verwandlung bestenfalls als Ironie des Schicksals empfunden, denn als Kind des Dämonengeistes, das er war, steckte er nun in einer Gruft aus Lebendigem Stein, so wie einst sein Vater.

Ob er nun ein Titan war oder nicht, ob er ein Soldat von unbegreiflicher Stärke oder nur eine scheußliche Jahrmarktsattraktion war, Faron vermisste seinen Vater schmerzlich. Trotz des Misshandlungen, die er von ihm erfahren hatte, hatte dieser Mann, in den der Dämon gefahren war, die meiste Zeit liebevoll für ihn gesorgt. Später in seinem Leben war dieser Mann der Seneschall genannt worden, doch zu früheren Zeiten war er als Michael, der Wind des Todes, bekannt gewesen. Er hatte den beeindruckten Faron mit Geschichten aus seiner Soldatenzeit ergötzt und in ihm das Verlangen hervorgerufen, einen Körper zu besitzen, mit dem er seinen Vater auf dessen Abenteuern begleiten und gemeinsam mit ihm so freudenvolle Dinge wie Morde und Plünderungen begehen konnte, doch die Natur war nicht freundlich zu ihm gewesen.

Nun aber, da er die vollkommene Gestalt für einen Soldaten angenommen hatte, war er allein und erhielt Befehle von Männern, die ihm gleichgültig waren und die er mit einem bloßen Gedanken zerschmettern konnte.

Irgendwo im Wind lag eine Spur dunklen Feuers. Faron wusste nicht, wieso er das bemerkte, doch in den Tiefen seines steinernen Innern regte sich etwas und rief ihn nach Norden; es war etwas, das er aus der Zeit kannte, bevor sein Leben so bitter geworden war.

Faron griff in den großen Ledergürtel, den er um die Hüfte trug und der einst das Zaumzeug eines Pferdegespanns gewesen war, und holte daraus unbeholfen die blaue Schuppe hervor.

Sie war sein Lieblingsgegenstand, denn sie erlaubte ihm, verborgene Dinge zu sehen oder solche, die sich in weiter Entfernung befanden. Auch liebte er das Bild, das darauf gezeichnet war. Eine Seite trug das Abbild eines klaren Auges, die andere das eines hinter Wolken verborgenen Auges, das seinen eigenen milchig-blauen glich.

Er konnte noch nichts erkennen, doch es befand sich so viel unsichtbare Asche in der Luft, dass die Schuppe vor heimlichem Leben summte, als er sie in nördliche Richtung hielt. Was immer dort war, es war noch so weit entfernt, dass er es nicht zu sehen vermochte, doch er konnte die Spur aufnehmen.

Und vielleicht jemanden seiner eigenen Art finden.

Faron hielt seinen ungeschlachten Kopf in jene Richtung, folgte dem schwachen Gewisper des bösen Kreosots und ließ den Lärm und das Chaos der brennenden Stadt hinter sich.

III

Asche im Wind

31

Kurimah Milani, Nordwestliches Yarim, im Schatten der Zahnfelsen

Die Drachin streckte träge die Klauen aus, schwelgte in Wohlgefühl und dem Nachlassen der Schmerzen, die seit der Mondwende an ihr genagt hatten.

Mit der teilweisen Heilung ihres Körpers ging gleichermaßen eine Rückkehr ihrer Erinnerungsfähigkeit einher. Im Tiefschlaf träumte sie nun, und in diesen Träumen bewohnte sie nicht die Drachengestalt, die ihre gegenwärtige Wirklichkeit darstellte, sondern sie war eine Frau, eine Herrin von sagenhafter Schönheit und Macht, die sie noch vor kurzer Zeit gewesen war.

Die Drachin streckte sich behaglich aus und genoss die Bewegungen ihrer zerrissenen Muskeln, während diese heilten. Sie erinnerte sich an ihre glücklichen Zeiten; es waren Erinnerungsblitze, die sie nicht verstand – die Echos von Kinderlachen gemeinsam mit zwei anderen Gestalten, die junge Mädchen wie sie selbst zu sein schienen und in einem unberührten Wald Fangen spielten. Kein Erwachsener, keine andere Person war zu sehen. Sie erinnerte sich nicht an ihre Schwestern und auch nicht an ihre Drachenmutter, die die drei am Fuß des Großen Weißen Baumes zurückgelassen hatte, sondern nur an einen bitteren Geschmack im Mund, der unwesentlich war angesichts des Hasses, den sie für die Frau namens Rhapsody verspürte. Doch sie erinnerte sich an das Lachen, an das Gefühl von Freiheit und Einsamkeit in jenen Tagen, allerdings kaum an mehr.

Ihre Atemzüge wurden umso tiefer, je leichter sie wurden. Das Bild der ausgelassenen Kinderspiele verblasste in ihrem Kopf, und sie sah sich als junge Frau allein auf einem Felsvorsprung über dem Strand, von wo aus einst ihre Mutter zuerst ihren Vater erspäht hatte, als er aus dem Meer gekommen war. Sie sah die Ankunft von Schiffen, sturmumtost und zerschmettert, die eines nach dem anderen vor den schrecklichen Winden an Land flohen. Die Menschen, die aus diesen Schiffen stiegen, glichen keinen, die sie bisher gesehen hatte. Einige waren groß und blond, einige stämmig und untersetzt, einige hatten nur die Größe von Kindern mit schmalen Händen und gewaltigen Augen, die sich eher mit Blumen als mit Worten ausdrückten; es war eine riesige Bandbreite von Menschen mit allen möglichen Hautfarben. Eines nach dem anderen entluden die Schiffe ihre lebenden Schätze. Atemlos schaute sie zu; ihr goldenes Gesicht mit den winzigen Furchen war zum ersten Mal in ihrem Leben feucht vor Tränen. Mein Schatz, dachte sie dann und wann und war der Liebe auf den ersten Blick so nahe wie nie zuvor.