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Ashe sog heftig die Luft ein und dachte über die neue Klarheit nach, mit der sie sprach. »Schwöre mir, Manwyn, als deinem Großneffen und deinem Herrscher. Ich will deinen Eid haben. Schwöre mir, dem Abkömmling unserer gemeinsamen Vorfahren, dem rechtmäßig eingesetzten Herrn der Cymrer, dem du Lehenstreue versprochen hast, dass mein Blut dieser Frau, die jetzt vor dir steht, auf keinen Fall einen Schaden zufügen wird, wenn sie unsere gemeinsamen Kinder zur Welt bringt.«

»Das wird es nicht«, sagte die Seherin geduldig. »Ich schwöre es.«

Ashe seufzte auf und beobachtete sie sorgfältig. »Vielen Dank, Tante.«

»Gern geschehen, mein Herrscher«, sagte die Seherin und verneigte sich ehrerbietig.

»Gibt es sonst noch etwas aus der Zukunft, das du mir mitteilen willst, bevor wir gehen?«, fragte Ashe, während Rhapsody sich wieder die Kapuze des Ghodin über den Kopf zog.

Manwyn dachte über seine Frage nach und legte die geballte Faust unter das Kinn. Einen Finger legte sie gegen die Wange.

»Im Topf und Kessel gibt es heute Mittag ausgezeichnetes Lamm«, sagte sie freundlich. »Und der Pfeilmacher hat einige wunderbare Pfeile, deren Federn von einem Albatros aus Kesel Tai stammen. Sie werden deinem Mündel Glück beim Bogenschießen bringen.«

»Vielen Dank.« Ashe zog seinen Schleier über. »Gott schenke dir einen guten Nachmittag und eine friedvolle Nacht.« Er ergriff Rhapsodys Hand und wollte sie wegführen, als Manwyn mit sanfter Stimme sagte: »Schau in den Schacht, bevor du gehst.«

Die beiden tauschten einen raschen Blick, dann nickte Ashe, ließ die Hand seiner Frau los und näherte sich dem Abgrund.

»Nicht du, Ashe«, tadelte Manwyn. »Die Herrin.«

»Willst du das tun, Aria?«, fragte Ashe und fuhr ihr mit dem Daumen über die Knöchel. »Wir können sofort gehen, wenn du es wünschst.«

»Das könnte sie beleidigen, und das will ich nicht«, sagte Rhapsody rasch. Sie drehte sich um und schritt vorsichtig über den dunklen Boden, wobei sie sich den Spalten und der schartigen Einfassung so fern wie möglich hielt.

Als sie den Schacht erreicht hatte, spähte sie zögerlich über den Rand in die endlose Dunkelheit dahinter, in der sie damals die arme Lirin-Mutter gesehen hatte, die Manwyns Geburtsprophezeiung erfüllt hatte. Ein leises Heulen, ein Jammern des Windes, dessen Echos tief in der schwarzen Grube schrill widerhallten, doch sonst nichts. Sie starrte hinunter und versuchte zu sehen, was das Orakel ihr zeigen wollte, doch alles, was sie bemerkte, war Schwärze.

»Ich sehe nichts«, sagte sie schließlich.

Die Prophetin lächelte breit. Ihre silbernen Augen glänzten wieder in einem bösen Licht. »Nein? Schade. Ich vermute, heute wirst du keine weiteren Weissagungen mehr erhalten.« Sie glitt wieder auf den Bauch, stützte das Kinn mit den Händen ab und hielt den Kopf schief.

»So ist es bei allen, die nicht wie du sind, die nicht vorherwissend sind«, sagte sie mit einer Spur Überheblichkeit in der Stimme. »Bei allen, die keine Sänger und nicht mit den Träumen der Zukunft gesegnet sind – kurz, beim ganzen Rest der Welt, Herrin. Bei denen, die über die Erde wandern, ihr kleines Leben leben und nie eine Warnung aus der Zukunft erhalten.« Sie kicherte wieder. Ihre Freude wuchs rasch, bis sie vor Lachen kreischte.

»Komm jetzt, Rhapsody.« Ashes Stimme hatte den Tonfall eines Königs. Es war ein ruhiger Befehl, der durch den Wahnsinn schnitt und ihr Halt gab. Rhapsody schüttelte den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können, wandte sich dann von dem Schacht ab und eilte zurück zu Ashe. Sie ergriff seine Hand und ging rasch auf die Zederntür zu.

Hinter ihnen rief Manwyn laut:

»Vor langer Zeit ein Versprechen erdacht, Vor langer Zeit einen Namen gebracht, Vor langer Zeit eine Stimme gelacht Drei Schulden gemacht.«

Gegen ihren Willen blieb Rhapsody stehen und drehte sich um. Die Seherin schaute nicht in ihre Richtung, sondern tanzte auf der hängenden Plattform und hielt sich an den Drähten fest, mit der sie an der Deckenkuppel befestigt war. Sie schwang wie irr über dem Abgrund.

Manwyn murmelte wirr: »Verraten! Hilfe! Verspätet! Deine Augen – die Farbe von Jade!« Dann verkrallte sich ihr Blick in Rhapsody, und ein breites Lächeln wand sich um ihr Gesicht.

»Angst?«, fragte sie fürsorglich.

Rhapsody reckte wütend die Schultern; das Spiel ärgerte sie.

»Nein«, rief sie durch den dunklen Raum. »Nein, Manwyn. Ich habe keine Angst – nicht vor der Vergangenheit und auch nicht vor der Zukunft oder deinem sinnlosen Gestammel. Ich lebe glücklich in der Gegenwart, vielen Dank. Das ist ein Ort, den du irgendwann einmal besuchen solltest. Aber herzlichen Dank für die Speiseempfehlungen. Wenn das Essen einen zufriedenen Rülpser hervorruft, werde ich ihn dir weihen. Aber da das für dich dann schon Vergangenheit ist, wirst du es nie erfahren.« Sie wandte sich um und lief durch die Zederntür hinaus. Ashe folgte ihr und versuchte, nicht zu lachen.

»Nun, Aria«, sagte er und wischte sich eine Träne fort, »du benimmst dich wirklich außerordentlich gut. Komm, Lamm klingt verführerisch, und ich würde eine Unmenge Geld zahlen, um dich rülpsen zu sehen.«

13

Gefecht im Gurgus — Ylorc

»Schon fast fertig, Rhur?«

Der Bolg-Künstler nickte zustimmend, kurz darauf gefolgt von Shaene.

»Fertig, Sandy«, sagte der canderianische Künstler.

Omet holte tief Luft und ergriff das neu zusammengesetzte Rad aus Stahl und eingelegten Klarglasscheiben. Die anderen packten ebenfalls mit an und hoben es hoch. Sie ächzten und stöhnten unter der Last.

Vorsichtig brachten sie das Rad hinüber zur Wand, wo ein halbrundes Metallgestänge unter der offenen Kuppel des Turmes hing. Die abgeschrägten Kanten des Rades passten nach einigem Hin und Her in die Metallführung. Bald hing es leicht geneigt über dem Boden des Turms. Die Künstler und Handwerker traten vorsichtig zurück und betrachteten ihr Werk.

»In Ordnung, Sandy, es hängt. Aber wozu ist es da?«, fragte Shaene keuchend und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Omet zuckte die Achseln und überhörte Shaenes scherzhafte Anspielung auf den Sand von Yarim, seiner Heimat. Er fühlte sich, als hinge er selbst dort oben. »Keine Ahnung. Ich schätze, es ist irgendein Heilapparat. Sobald das Bleiglas wieder in der Kuppel steckt, soll den Plänen zufolge das Rad mit dem farbigen Glas zusammenwirken. Das ist aber nur eine Vermutung meinerseits. Ich kann die Sprache in den Plänen nicht lesen. Wenn du mehr wissen willst, musst du den König bei seiner Rückkehr fragen. Aber wenigstens wissen wir, dass wir die Pläne genau befolgt haben.«

»Und das war nicht leicht, weil viel von ihnen fehlt«, beeilte sich Shaene hinzuzufügen.

»Das ist nur allzu wahr. So, wir nehmen es wieder ab, wickeln es in Öltücher und sperren es in den Abstellraum, bevor noch etwas mit ihm passiert«, sagte Omet und wischte sich den Hände an der Hose ab. »Das ist der einzige Teil des Projekts, der bisher gelungen ist, und wir sollten unseren Erfolg nicht aufs Spiel setzen.«

»Richtig«, stimmte Shaene ihm zu. Er packte den oberen Rand des Rades, bevor Omet und Rhur so weit waren. Seine verschwitzte Hand glitt an dem kalten Metall ab und setzte es unbeabsichtigt in Gang.

Mit einem metallischen Kreischen lief das Rad über die Führung und folgte ihr einige Schritt rund um den Turm in der Bergspitze, während die Handwerker rufend und fluchend hinter ihm herrannten. Dabei fing es das Sonnenlicht über dem Gipfel ein und warf helle, sich rasch verändernde Flecken auf den Boden, die für einen Augenblick in verschlungenen Mustern aufblitzten und dann wieder verschwanden.

Sobald sie die Kontrolle über das Rad zurückerlangt hatten, starrten die drei Arbeiter schweigend zu Boden.

»Was war das?«, fragte Shaene, als er die Sprache wiedergefunden hatte.

Omet schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«