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»Sanft, Jungs«, rief der Abgesandte den Seeleuten zu. »Habe heute schon einmal im Wasser gelegen.«

»Und brauchst immer noch ein Bad, Terrenz«, rief einer der Männer vom Schiff aus ihm zu. »Du stinkst nach Bilgenwasser und Fräulein Carmondys Parfüm.«

»War eine harte Nacht«, erwiderte der Abgesandte liebenswürdig.

Gutmütiges Fluchen und Gelächter beschäftigten die Mannschaft der Hafenmeisterei für eine Weile. Der Seneschall wandte sich kurz von der Reling ab und schaute den Kapitän an, der mit dem Ersten Maat kicherte und auf die Ankunft der Männer wartete. Der Kapitän drehte sich lachend nach dem Seneschall um.

»Ihr solltet die Papiere bereithalten, Euer Ehren«, sagte er und bedeutete der Mannschaft, das Fallreep herunterzulassen, auch wenn das Beiboot noch kaum das Wasser berührt hatte und sich gerade erst zum Ablegen bereitmachte. »Der Abgesandte des Hafenmeisters wird sie überprüfen wollen, wenn er an Bord kommt.«

»Ich habe keine solchen Dokumente«, sagte der Seneschall gelassen.

Das Lächeln verschwand aus den Gesichtern des Kapitäns und des Maates. Sie starrten beide den Seneschall an. Es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie glaubten, ihn missverstanden zu haben.

»Wie bitte, Euer Ehren?«, meinte der Kapitän.

»Ich sagte, ich habe keine Papiere«, wiederholte der Seneschall lauter, damit das Knattern der Segel ihn nicht übertönte.

Der Kapitän verließ die Reling und kam hinüber zum Seneschall. »Ich bin mir sicher, Ihr sagtet bei unserer Abreise, Ihr hättet alle nötigen Papiere dabei«, erklärte er und lief rot an. Der Seneschall zuckte mit den Schultern. »Vielleicht habe ich das gesagt. Wenn ich es gesagt habe, habe ich gelogen. Ich bitte zutiefst um Entschuldigung. Ich kann mir keinen Rattenschwanz von Dokumenten leisten, die meinen Weg von Argaut bis hierher offen legen.«

»Was? Wie bitte?« Das Gesicht des Kapitäns nahm eine dunkelrote Färbung an. »Euch wird es nicht mehr als eine Geldstrafe kosten, aber man wird mein Schiff beschlagnahmen.«

»Darüber würde ich an Eurer Stelle nicht verzweifeln, Kapitän«, sagte der Seneschall und nickte Clomyn und Caius zu.

»Ich habe Euer Wort als hoher Würdenträger Argauts erhalten, Herr, und ich bin entsetzt, dass ...« Die nächsten Worte des Kapitäns gingen in den Geräuschen der abgeschossenen Armbrüste unter. Jeder der Brüder hatte dreimal geschossen, bevor der Maat Luft holen konnte. Der Kapitän erreichte die Reling gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie die letzten drei Seeleute auf dem Kutter auf die Planken fielen. Er schaute entsetzt nach unten auf das Beiboot. Der Abgesandte lag auf dem Rücken und einer der Ruderer auf dem Bauch. Pfeile steckten ihnen in Kehle und Hals. Auf dem Boden des Bootes lag der letzte Ruderer mit einem Pfeil im Rücken. Er konnte die Beine nicht mehr bewegen und schlug mit den Armen hilflos in das Bilgenwasser. Caius lachte laut und kniff Clomyn ins Ohr.

»Stümper! Pfuscher! Sieh dir das an!«

Sein Bruder schulterte die Waffe erneut, zielte und schoss. Der Seemann fiel zurück und lag still. Caius schüttelte den Kopf und gluckste vor gespielter Missbilligung.

»Zwei Pfeile für einen Mann? Was für eine Verschwendung! Eine Sünde, sage ich dir. Eine Sündel«

»Ich kann dir einen Pfeil in die Stirn schießen und wieder herausziehen; dann ist meine Quote in Ordnung«, brummte sein Bruder.

»Hievt das Boot an Bord«, befahl Fergus der Mannschaft der Basquela. Die Seeleute starrten den verblüfften Kapitän und den entsetzten Maat an, sprangen dann rasch an die Reling und zogen das lange Boot an Seilen heran.

»Was geht hier vor?«, wollte der Kapitän wissen und schritt auf den Seneschall zu. »Lasst ab! Was macht Ihr ...«

Der Seneschall packte den Mann an der Gurgel und drückte ihn mit großer Kraft gegen den Mast. Wut brannte in seinen Augen, als er zudrückte und die Knöchel unter das Schlüsselbein des Kapitäns bohrte. Der Mann keuchte und schlug hilflos um sich. Er blinzelte in dem Versuch, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

Der Seneschall zerrte den Kapitän zurück und schlug seinen Kopf immer wieder gegen den erzitternden Mast. Er hörte nicht auf, bis Blut das Hauptsegel streifte und fleckte und das Hirn des Mannes das Spantenwerk überzog.

Mit einem heftigen Ruck zog er den Leichnam des Kapitäns zu der Seite der Reling, die zum offenen Meer hin lag. Er ergriff den Kasten, der den geliebten Kompass des Kapitäns und dessen Schiffskarten enthielt. Rasch wand er ein Stück Seil darum und band sie dem Toten um den Hals, dann warf er den Köper über Bord. Er sah zu, wie der Leichnam auf die Wellen traf und versank. Dann wandte er sich an die Mannschaft. Er richtete seinen dreieckigen Hut und wischte sich die grau-grüne Substanz vom Mantel.

»Ich hasse es, ausgefragt zu werden«, sagte er lässig.

Fergus schaute angeekelt zur Seite.

»Darf ich fragen, Euer Ehren, warum Ihr auch den Kompass über Bord geworfen habt? Wie sollen wir jetzt navigieren?«

Der Seneschall seufzte. »Es ging mir darum, dass der Kapitän auch in der Unterwelt seinen Weg findet«, antwortete er leichthin. »Außerdem brauchen wir dieses Spielzeug nicht. Faron wird uns mit Hilfe der Schuppen führen.«

Die Seeleute sahen einander zweifelnd an. »Ja, Herr«, meinte Fergus.

»Und jetzt«, fuhr der Seneschall fort, während er zum Ersten Maat hinüberschritt und vor ihm stehen blieb, »habe ich noch eine Frage an dich. Möchtest du zum Kapitän aufsteigen?«

Der Mann reckte die Schultern und sah dem Seneschall direkt in die Augen.

»Nein«, sagte er ruhig und fest. »Ich weiß, dass Ihr mich am Ende doch töten würdet, ob ich Euch diene oder nicht. Also werde ich lieber nicht Kapitän.«

Die Muskeln des Seneschalls spannten sich vor Wut. »Ich werde dich am Ende nicht töten; das siehst du falsch«, sagte er mit einem Brodeln in der Stimme. Er drehte sich um, verließ den Maat und nickte den Zwillingen zu.

Die Pfeile verließen innerhalb eines Herzschlags die Armbrüste. Der Körper des Maats schlingerte kurz und stürzte über Bord.

»Ich werde dich am Anfang töten«, sagte der Seneschall. Er wandte sich an seinen Vogt. »Wo ist Quinn?«

»Hier, Herr«, ertönte die leise und brüchige Stimme des Seemanns. Der Seneschall bedeutete ihm, näher zu treten.

»Es scheint so, dass du nun das Kommando hast, Quinn. Lichte den Anker, nachdem das Beiboot geborgen und der Kutter weitergesegelt ist.«

Die blauen Augen des Seemanns blinzelten. »Weitergesegelt, Herr?«

Der Seneschall wandte sich wieder dem Kutter zu. Er ging zur Reling und betrachtete das Schiff, das Schlagseite hatte.

»Lass die Segel killen«, rief er Quinn zu, der eilig den Befehl weitergab. Die Mannschaft packte rasch die Segel und ließ den Wind heraus. Dann wickelten sie die flatternde Leinwand so schnell wie möglich zusammen.

Der Seneschall schloss die Augen und zog Tysterisk. Das Schwert weidete sich an dem Windstoß, und ein Rausch der Macht durchfuhr es; es war der angekettete Wind selbst. Er öffnete die Augen und schaute auf die Segel des Kutters, die sich allmählich mit Wind füllten.

Die Basquela blieb vor Anker und schaukelte auf den flachen Wellen, als der Kutter allmählich vor dem Wind segelte und auf den Kanal zuhielt. Aus der Ferne sah es so aus, als habe das Hafenmeisterschiff zufrieden die Basquela verlassen und setze die Patrouille im äußeren Hafengebiet fort.

Der Seneschall schaute sich in dem gewaltigen Hafen um, in dem viele Schiffe ein- und ausliefen. Einige steuerten das Trockendock an, andere waren bereits vertäut, wieder andere waren damit beschäftigt, von weiteren Schiffen des Hafenmeisters überprüft zu werden. Die Schreie der Möwen, das Gleißen der Sonne, das Pfeifen des Windes, unter dem der Kutter segelte – alles lief normal in Port Fallon.