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»Gern, wenn er damit einverstanden ist. In diesem Fall habe ich nur noch eine einzige Bitte an dich.«

Rhapsody trat tiefer in den Schatten des Zeltes. »Ja?«

»Wenn ich den Lichtfänger zusammengebaut habe und glaube, die Zeit ist reif, ihn auszuprobieren, oder wenn ich der Meinung bin, ich brauche deine Hilfe bei der Auswertung, wirst du dann kommen?«

Rhapsody sog tief die Luft ein. »Weißt du, mir ist unwohl bei deinem Projekt. Ich glaube, du solltest vorsichtiger mit einer Kraft umgehen, die du nicht verstehst.«

Achmed nickte knapp. »Ja, du hast Recht, aber du solltest wissen, dass ich nichts im Leben auf die leichte Schulter nehme. Daher glaube mir bitte, dass ich solche Dinge nie einsetzen werde, wenn es nicht zwingend notwendig ist.«

»Ja«, meinte Rhapsody rasch. Sie streckte die Arme aus, zog ihn an sich und umarmte ihn heftig.

»Wann immer du mich brauchst, komme ich.« Sie küsste ihn auf die Wange und drückte ihn noch fester. »Ich wünsche euch eine gute Reise. Und gönne dir ein wenig Freude, Achmed. Ich weiß, dass du sie erst dann haben wirst, wenn du sie fest in dein Leben einplanst.«

Achmed kicherte und erwiderte die Umarmung.

Als die Bolg abreisten, war der Lärm der Einwohner zu einer wahren Kakophonie geworden. Eine weitere Division des yarimesischen Heeres musste eingesetzt werden, um den Korridor durch die Straßen aufrechtzuerhalten. Die Bolg ritten aus dem Zelt hinaus, ohne einen Blick zurückzuwerfen, und ließen den Herrn und die Herrin der Cymrer sowie den Herzog und den riesigen Sergeant-Major hinter sich.

Bald nachdem die Bolg außer Sichtweite waren, lief ein Murmeln durch die Menge, das von immer mehr Stimmen aufgenommen wurde, bis es in den Straßen widerhallte: »Reißt das Zelt ein!«

»Wo ist das Wasser?«

»Zeigt uns die Entudenin!«

»Wasser! Gebt uns Wasser!«

Ihrman Karsrick erbebte. Er wandte sich in Furcht und Wut an das Herrscherpaar.

»Genau das hatte ich befürchtet«, zischte er. »Sie werden uns die Glieder einzeln aus dem Leib reißen.«

»Macht Euch nicht lächerlich, Ihrman«, sagte Ashe gereizt. »Haltet eine Rede. Sagt ihnen, wir hoffen, dass das Wasser innerhalb eines Mondzyklus zurückkehren wird, und sie deshalb noch etwas Geduld haben müssen.«

»Das werde ich nicht tun«, gab der Herzog zurück. »Ich bin nicht sicher, dass es wieder fließen wird, und möchte nicht als noch größerer Narr dastehen, als ich es in ihren Augen jetzt schon bin, weil ich die Bolg nach Yarim geholt habe.«

»Das Leben steckt voller Unsicherheiten, Ihrman«, sagte Rhapsody. »Sie haben nichts verloren, falls das Wasser nicht zurückkehrt.«

»Ihr seid herzlich eingeladen, es ihnen selbst zu sagen, Herrin.«

Rhapsody seufzte und wandte sich an Ashe. »Vielleicht sollte ich das wirklich tun.« Ihr Gemahl dachte kurz nach und nickte schließlich. Sie drückte seine Hand und kletterte vor dem Arbeitszelt auf die höchste Stelle in der Steinmauer um den Brunnen.

Ashe beugte sich zu Karsrick hinüber, als sie ihren Platz erreicht hatte und sich aufrichtete.

»Schaut ihr zu und lernt von einer Meisterin«, sagte er.

Rhapsody schloss die Augen und stimmte einen sanften Gesang an. Sie setzte ihre Fähigkeiten als Benennerin ein und webte die Worte in ihr Lied, die sie auf dem Marktplatz hörte und fühlte. Wieder und wieder, mit wachsender Lautstärke, sprach sie den wahren Namen der Stille aus, bis der Lärm auf dem Platz verebbte.

Sie öffnete die Augen und betrachtete die Leute mit einem direkten, ruhigen Blick.

»Mit-Orlandier, Leute von Yarim, der Firbolg-König und seine Handwerker haben ihre Arbeit hier beendet. Sie haben die Bohrungen in Übereinstimmung mit der Mondphase eingestellt, weil der Zyklus der Entudenin zu ihren Lebzeiten dem des Mondes folgte. Ob das Wasser in die Entudenin und nach Yarim Paar zurückkommen wird, liegt nun in den Händen des All-Gottes. Wenn es kommt, ist die Trockenheit abgewendet, und das Leben wird einfacher und besser. Wenn nicht, wird es euch nicht schlechter ergehen als vor der Ankunft der Bolg. Wir müssen den Ratschluss des Schöpfers und der Erde abwarten. Bis dahin sollten wir uns in Geduld üben.«

Ihre Stimme klang melodisch und klar, und ihr Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen. Ashe lächelte. Sie nutzte ihre Gabe des Wahrsprechens, um den ungestümen Mob anzusprechen, und sie war erfolgreich. Die Menge war verzaubert und beruhigte sich. Die Musik und die tiefe Schönheit des Feuers, das in ihr brannte, lullte die Menge ein.

Die Musik in Rhapsodys Stimme veränderte sich. Nun wob sie einen Vorschlag in ihr Wahrsprechen.

»Geht in eure Häuser oder an eure Arbeit zurück. Wenn der Quellfels erwacht, werdet ihr es nicht verpassen. Aber eure Wagen stehen verlassen auf der Straße, eure Herde sind erkaltet und eure Häuser vernachlässigt, während ihr hier auf etwas wartet, das vielleicht noch lange nicht kommt.«

Die Menge stand weiterhin still da und nahm die Magie in ihren Worten auf, dann zerstreute sie sich allmählich.

Rhapsody kletterte die niedrige Steinmauer herunter und ergriff Grunthors Arm.

»Geh mit uns zum Gerichtsgebäude«, sagte sie freundlich und lächelte ihren Freund an. »Der Herzog wird dafür sorgen, dass du zum Abendessen das Beste bekommst, was die Küche zu bieten hat – damit meine ich aber nicht die Küchenjungen.«

»Oooch.« Der Riese erhaschte aus den Augenwinkeln einen Blick auf das Gesicht des Herzogs und setzte ein breites Grinsen auf. »Das wäre fein, Herzogin. Vielleicht krieg ich sogar ’ne Palastführung.«

Ganz vorn in der Menge, nahe dem Seilkorridor, hatte eine Frau in der fließenden, blassblauen Robe der Shanouin-Priesterinnen gestanden und jede Bewegung der Bolg beobachtet, während sie ihre Ausrüstung zusammenpackten und die Wagen zur Abreise bereitmachten. Viele andere Zuschauer waren bereits fortgegangen und wandten sich fröhlichen Lustbarkeiten zu, doch sie war in der vordersten Reihe geblieben und hatte wegen ihrer kleinen Statur um gute Sicht kämpfen müssen. Als der Stahlbohrer herausgebracht und für die Reise eingewickelt worden war, war sie näher herangekommen und hatte sich zwischen die yarimesischen Soldaten gequetscht, um besser sehen zu können. Die Soldaten, die von Gesetzes wegen verpflichtet waren, die Shanouin zu schützen, warfen ihr zwar böse Blicke zu, trieben sie aber nicht zurück in die Menge, wie sie es mit jemandem gemacht hätten, der keine Wasserpriesterin war.

Als die Bolg schließlich abreisten, folgte sie ihnen zusammen mit den meisten Zuschauern zum Stadtrand und sah ihnen nach, bis sie außer Sichtweite waren. Doch während die anderen Einwohner auf den Platz zurückkehrten und den Worten ihres Herzogs lauschten, war sie bis zu den äußeren, felsigen Gebieten von Yarim Paar weitergegangen und betrachtete die Wagen und Pferde, bis sie vom fernen Horizont verschluckt wurden.

Sie griff zwischen die Falten ihrer Robe und holte die Cwellanscheibe hervor; sie fing das Licht der Sonne ein und glänzte wie ein Leuchtfeuer.

Die Priesterin hielt die Scheibe noch etwas länger vor die glänzenden schwarzen Augen und steckte sie dann zurück in die lange Robe.

Schließlich stürzte sie sich in das freudige Getümmel, das einsetzte, als die Stadt nach dem Abzug der Bolg in den roten Straßen wieder Atem holte.

16

Der Palast in Jierna Tal — Sorbold

Die Abendlampen waren gelöscht worden. Die nächtlichen Kegel aus stechendem Weihrauch und süßem Sandelholz brannten in ihren goldenen Gefäßen entlang der Korridore vor dem höhlenartigen Schlafgemach der Kaiserinwitwe nieder, während die Nacht auf einer warmen, feuchten Brise still herbeikroch. Die schweren Seidendamastvorhänge vor dem offenen Fenster knisterten leise im Wind. In ihrem prunkvollen Zimmer beobachtete Ihre Durchlaucht Leitha, Kaiserinwitwe und Tochter von Verlitz, dem Vierten Kaiser der Dunklen Erde, den Nachthimmel von den Seidenkissen ihres gewaltigen Bettes aus, so wie sie es jeden Abend zu tun pflegte. Der Vollmond erhellte den grauen, mit sichtbaren Wolken und verstreuten Sternen angefüllten Himmel so stark wie die Mittagssonne. Es war ein seltsamer und in seiner Klarheit erhabener Anblick.