»Zweieinhalb Jahre. Beinahe drei.«
Die Herrin der Cymrer erhob sich abrupt und hielt sich die Hand vor den Mund.
»Entschuldige mich«, sagte sie rasch und stürmte wieder ins Badezimmer.
Ashe wartete einen Moment, dann ging er zur Tür und rief die Wachen.
»Sagt dem Quartiermeister, er soll sich mit dem Wagen beeilen«, befahl er.
Die holperige Fahrt durch die felsigen Randgebiete von Yarim Paar war eine reine Qual. Jede Furche, in die der Wagen geriet, brachte weitere Krämpfe und Übelkeit mit sich, und Rhapsody wurde immer blasser und zitterte immer stärker. Als sie das Vorgebirge oberhalb der Stadt erreicht hatten, konnte sie nicht mehr aufrecht sitzen. Sie lag nun zusammengerollt unter einer schweren Decke auf der Bank des Wagens und wurde bei jedem Schlingern heftig durcheinander geschüttelt.
Ashe verzweifelte immer mehr und versuchte, seine Panik vor Rhapsody zu verbergen. Stumm wiederholte er die Worte der Seherin immer wieder und versuchte, Trost in ihnen zu finden, doch er fand keinen.
Rhapsody wird nicht sterben, wenn sie deine Kinder zur Welt bringt. Die Schwangerschaft wird nicht leicht, aber sie wird Rhapsody weder umbringen noch sie verletzen.
Wenn du mich angelogen hast, Tante, werde ich mir dein Blut holen, dachte er verbittert und versuchte sich zu sagen, dass Seherinnen nicht lügen konnten, doch auch das tröstete ihn nicht. Schließlich hatte seine eigene Großmutter, Manwyns Schwester, ihn vor mehr als hundert Jahren darüber belogen, dass Rhapsody noch lebte.
Als sie den Kamm des Hügels erreichten, von dem aus man Yarim Paar überblicken konnte, schaute Ashe hinaus und klopfte gleichzeitig gegen das Fenster, das sich zur Fahrerbank hin öffnete.
»Halt bitte hier an.«
»Ja, Herr.«
Während der Befehl zum Anhalten nach vorn und hinten durch die Karawane lief, kniete sich Ashe auf den Boden neben Rhapsodys Sitz und fuhr ihr mit der Hand zärtlich über Haare und Gesicht. Ihr Körper war noch immer kalt und zitterte, und ihr Blick war glasig. Er senkte die Lippen an ihr Ohr, küsste es und sagte leise: »Kannst du mich hören, Aria?«
Sie nickte schwach.
»Ich habe hier anhalten lassen und möchte dich für einen Moment mit nach draußen nehmen, damit du frische Luft bekommst.« Rhapsody gab darauf keine Antwort.
Vorsichtig nahm er sie in den Arm und trat die Wagentür auf. Dann trug er sie aus der Dunkelheit des Wageninneren die Stufen hinunter in die blendende Sommersonne.
Der Wind, der über die Anhöhe fegte, verfing sich in Ashes Nebelumhang, blies Tropfen in die heiße Luft und trieb Rhapsody die Haare vor die Augen. Rhapsody hielt die Augen geschlossen, doch sie verstärkte den Griff um seinen Arm ein wenig.
Er brachte sie zum Rand eines felsigen Vorsprungs und blieb dort stehen.
»Aria. Sieh hinunter, wenn du kannst.« Zuerst gab Rhapsody keine Antwort, doch nachdem der Wind ihr noch ein wenig ins Gesicht geblasen hatte, schlug sie zuerst das eine Auge auf, dann das andere und schaute über die Stadt Yarim Paar, die sich unter ihr auf der flachen, roten Ebene erstreckte. Im Mittelpunkt der fernen Stadt strömte ein strahlender Nebel aus Blau und Weiß aus dem kleinen, glänzenden Obelisken, der gestern noch tot gewesen war, ausgedörrt in Jahrhunderten der Hitze und Trockenheit. Das Licht der Sommersonne fing die Wassertropfen ein und zerlegte sie in die Farben eines Regenbogens, der vom Boden bis hoch in die Luft reichte und in einem goldenen Schaft Sonnenerhellter Wolken verschwand.
Das Wasser, das nun aus der Entudenin floss, hatte sich über den Beckenrand ergossen, strömte durch die Straßen und verwandelte den trockenen roten Lehm in dunklen Schlamm. Der Lärm von fröhlichem Gelächter, von feierlicher Musik und lautem Geschrei war gedämpft, aber deutlich aus der Ferne zu hören. Er hallte von den Felsen wider, auf denen sie standen; es waren freudige Schwingungen in der ansonsten so stillen Wüste.
Rhapsody hob den Kopf, stellte sich aufrecht, suchte dabei Halt an ihrem Mann und lächelte. Sie atmete tief ein, sagte aber nichts, sondern richtete den Blick auf den Regenbogen in der Wüste. Wo die Sternfarben die Erde berührten. Ashe zog sie enger an sich und richtete sie auf.
»Siehst du, Aria? Siehst du, was dein Glaube hier erschaffen hat?«
Rhapsody lehnte sich gegen ihn, legte den Kopf an seine Schulter und beobachtete die gemeinsame Feier der Menschen und der Erde im Leben spendenden Sprühnebel des Quellfelsens. Sie schwelgte in ihren Liedern.
»Unser Glaube und die Kenntnisse der Bolg um den richtigen Weg. Und Achmeds Weigerung, sich von der Bigotterie des Volkes von Yarim abschrecken zu lassen.«
»Vielleicht ist das alles, was für ein Wunder nötig ist: Glaube und das Wissen, was zu tun ist, sowie die Weigerung, sich abschrecken zu lassen.« Er legte die Hand auf ihren Bauch. Einen Augenblick später spürte er ihre Hand auf der seinen.
»Ich bin sicher, du hast Recht.«
Er geleitete sie zurück zum Wagen. Sie stützte sich auf seinen Arm, ging aber allein. Sobald sie sich wieder gesetzt hatte, warf er einen letzten Blick auf das alte Wunder unten in der vom Wind gepeitschten Ebene und rief dann dem Kutscher zu: »Bring uns zurück nach Navarne – jetzt aber sanfter.«
»Vorsichtig, Shaene, sonst zerbricht das Glas, bevor es abgekühlt ist. Es ist noch nicht kalt genug.«
»Halt den Rand, Sandy«, brummte Shaene und packte die gewaltigen Zangen mit den Lederlappen. Seine dicken Arme zitterten unter der Anstrengung. Er hob den Zylinder aus soeben geschmolzenem Glas an den Rand der Schmiede und hielt ihn über den Stein, auf dem er zu einer Scheibe geglättet werden würde.
Achmed versuchte, seine Ungeduld im Zaum zu halten.
»Die Farbe ist jetzt schon falsch«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Das Rot ist zu hell; es ist beinahe rosa.«
»Wir sollten es ein paar Stunden unter Hitze setzen«, schlug Omet vor, während er sich zwischen den König und die Handwerker neben den Brennöfen stellte, die in der Nähe der Eisenschmieden errichtet worden waren. Sowohl die Männer als auch die Bolg troffen vor Schweiß und waren völlig erschöpft.
»Die Farbe ändert sich während des Abkühlens. Sie wird dunkler.«
Achmed wandte sich enttäuscht ab und trat gegen einen beinahe leeren Topf mit zerstoßenem Kobalterz am Rande des offenen Feuers. Ein Streifen aus blauem Licht schoss durch die Flammen, als sich das Mineral entzündete und eine Sekunde später bereits wieder erlosch.
Shaene zuckte unter dem Geräusch zusammen, ließ die Zangen fallen, und der Glaszylinder prallte von der Steintafel ab. Der dabei entstehende berstende Laut hallte durch die höhlenartigen Räume der Schmiede und wurde von einem entmutigten Seufzen der Glashandwerker begleitet.
»Es reicht!«, rief Shaene. Er warf die Zangen gegen eine Steinwand, wo sie auf ein hölzernes Regal fielen und Töpfe sowie Handwerkszeug umstießen. Sein gutes Benehmen schmolz dahin wie das Glas im Ofen. »Ich ertrage das nicht länger, nicht für alles Gold in Gwylliams Schatztruhe! Dieses Unternehmen ist verflucht! Verflucht!«
»Beruhige dich, Shaene«, sagte Omet und schaute zwischen dem blassen Handwerker und den enger werdenden Augen des Bolg-Königs hin und her.
Ein heiseres Husten lenkte ihre Aufmerksamkeit ab. Achmed drehte sich um und sah, dass ein Firbolg-Wächter neben der Schmiede stand und ihm ein Zeichen gab.
»Mach dich an die Arbeit, Shaene, oder ich sage deiner Mutter, dass du wieder einen Koller bekommen hast«, spuckte er aus und ging hinüber zu dem Soldaten.
»Was ist los?«
»Bote, Sorbold.«
»Ein Bote aus Sorbold? Von der Postkarawane?« Der Soldat schüttelte den Kopf. Achmed kratzte sich an der Stirn und wischte sich den Schweiß fort. »Na gut, ich bin sofort unten.«
Als der König eintraf, wartete der Mann bereits in der Großen Halle und starrte die Kuppeldecke an. Er trug die Livree der Kaiserin und die Rüstung eines Gebirgssoldaten. Sobald er den König näher kommen hörte, drehte er sich um und verneigte sich flüchtig.