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Lobgesänge an die drei anderen Elemente, erkannte Achmed und sah sich nach dem vierten, dem Äther um, doch er bemerkte keinen ihm geweihten Alkoven.

Am Kopf der Prozession wurde ein Zeichen gegeben. Die vier kleinen Laternen wurden gelöscht. Es war Zeit, die Basilika zu betreten.

Langsam wandte sich der Trauerzug nach rechts und ging durch den großen Torbogen. Nielash Mousa schritt als Seligpreiser von Terreanfor voraus in die eigentliche Kathedrale, die außer dem Seligpreiser und dem Hauptpriester kaum jemand zu sehen bekam. Der Patriarch, die Priester, die Katafalke, die Trauernden und Würdenträger folgten ihm.

Als sie durch die Öffnung in die gewaltige Basilika traten, wurde das Lied der Erde lauter und deutlicher. Es nahm die gedämpften Töne der Minen an, das ferne Schlagen der Hämmer, das hohle Pfeifen aus unzähligen Höhlen, den Klang der Wurzeln, die sich mit der Zeit immer tiefer gruben. Innerhalb von Terreanfor hatte dieses Lied eine Stimme; es war eine tiefe, sanfte Melodie, die wie die ruhigen Mönchschoräle in einem dunklen Kloster klang.

Bei diesem Gedanken erzitterte Achmed unwillkürlich.

Die unangenehme Erinnerung verschwand sofort wieder; sie wurde zermalmt von der überwältigenden Feierlichkeit dieser vollkommenen Finsternis.

Im schwachen Schein des Flammenquells, der aus dem Vorzimmer drang, erkannte er, dass die riesige Kathedrale voller Statuen war, die aus der lebenden Erde selbst gemeißelt waren. Hinter Säulen, die bis zur ungeheuer hohen, kaum zu erkennenden Decke reichten, stand eine ganze Menagerie von Tieren – lebensgroße Skulpturen, die Elefanten, Löwen, Gazellen und Tirabouri darstellten und die sich in der Dunkelheit zu bewegen schienen. Ihre Augen waren in steinernem Schweigen erstarrt. Eine nähere Untersuchung ergab, dass die Säulen wie Bäume gestaltet waren, in denen am Rande der Lichtfelder Vögel aus Lebendigem Gestein hockten, die in den reichen, tiefen Farben der Erde erstrahlten.

Als Achmed an einem gigantischen Dickhäuter vorbeiging und die lebensechten Furchen in der Steinhaut bewunderte, dachte er an die frühen Tage, als er, Grunthor und Rhapsody aus dem Bauch der Erde hervorgekommen waren und diese neue und unvertraute Welt betreten hatten, einen Ort, der für jene, die nach ihnen die Insel verlassen hatten, zuerst zur Zuflucht und dann zur Eroberungsbeute geworden war, bevor sie ihn durch ihren närrischen Krieg und die kleinlichen Händel zugrunde richteten. Sie hatten vieles von der Geschichte ihres untergegangenen Heimatlandes und etliches von dem, was danach kam, im cymrischen Museum zu Ha-guefort erfahren, das von dem Historiker Stephen Navarne liebevoll eingerichtet worden war. Er war einer der wenigen seines Blutes, den Achmed wirklich mochte.

Stephen hatte den dreien stolz die Stiche der fünf großen, zu Ehren der Elemente erbauten Basiliken gezeigt. Geduldig hatte er alle bei ihrem Namen genannt, auch wenn in vielen Fällen seine Übersetzungen des Alt-Cymrischen nicht genau waren: Abbat Mythlinis, die Kathedrale in Form eines großen Schiffswracks, das am Rande des Meeres nördlich von Avonderre in den Sand gebaut worden und allgemein unter der Bezeichnung All-Gott, Herrscher der See bekannt war; weiterhin Vrackna, die kreisrunde Basilika von Bethania, die wie die Sonne aussah und eine weitere, größere Feuerquelle aus dem Herzen der Erde umgab, die All-Gott, Feuer des Universums hieß; Ryles Cedelian, die Wind-Kathedrale, in deren Turm achthundertsiebenundsechzig Glocken hingen und den Boden mit ihrer Windmusik heiligten und bekannt waren als All-Gott, Geist der Luft, auch wenn Achmed wusste, dass die wörtliche Übersetzung Atem des Lebens hieß; und schließlich Lianta’ar, die größte aller Basiliken, die im heiligen Stadtstaat Sepulvarta stand und von einem Turm gekrönt wurde, der bis in den Äther reichte und unter dem der Patriarch seine Gottesdienste abhielt – All-Gott, das Licht der Welt. Er dachte daran, was Stephen über Terreanfor gesagt hatte, als er begeistert auf die Gipfel des Nachtberges gezeigt hatte. Dabei handelte es sich um die einzige Darstellung der Kathedrale in seiner Sammlung, da Terreanfor selbst natürlich verborgen war.

Das ist die einzige nicht-orlandische Basilika, die Kirche des All-Gottes in Gestalt der Erde, genannt Terreanfor... Die Basilika ist in den Hang des Nachtbergs gegraben worden. Selbst bei Tag fällt kein einziger Lichtstrahl auf ihre Mauern, geschweige denn ins Innere. Sorbold liegt in einer Trockenzone; es ist das Reich der Sonne, und deshalb wird der Nachtberg als ganz besondere Stätte verehrt. Obwohl Sorbold eine Diözese unserer Kirche und dem Glauben an den All-Gott verschrieben ist, sind dort noch Reste der alten sorboldischen Religion aus heidnischen Tagen wirksam. Man glaubt, dass Teile der Erdkruste nach wie vor lebendig sind und dass der Nachtberg einer dieser Orte des Lebendigen Gesteins ist. Die Erddrehung selbst heiligt immer wieder den Boden der Basilika. Es ist wirklich ein zutiefst magischer Ort.

Als Achmed nun unter den hoch aufsteigenden Steinbäumen und an den gewaltigen, aus Lebendigem Gestein gemeißelten Kreaturen entlangschritt, musste er der Einschätzung des verstorbenen Herzogs zustimmen.

Als die Prozession an dem Garten der Tiere vorbeigegangen und in das innere Heiligtum eingetreten war, wo die Statuen nun Soldaten darstellten, bemerkte Achmed ein weiteres Licht vor ihm, doch dieses war kalt und brannte nicht wie Feuer. Eine nähere Untersuchung ergab, dass einige der Felsen, die in die Erd-Kathedrale ragten, aus sich selbst heraus schimmerten. So etwas hatte er nur bei seiner Reise durch die Erde gesehen. Das Element des Äthers, dachte er. Endlich.

Als er und Ashe gerade unter den erhobenen Klingen zweier Steinsoldaten hindurchgingen, welche den Mittelgang flankierten, hielt die Prozession an.

Weit vor sich erkannte er kaum die Bewegungen der Leichenträger, welche die in Leinen gehüllten Körper auf die Altäre aus Lebendigem Gestein legten, aus denen hauptsächlich das Lied der Erde austrat. Die Schwingungen des Liedes, das zwar beruhigend war, aber einen Unterton des Schmerzes hatte, umgaben ihn, als zuerst der Patriarch und dann der Seligpreiser mit den Leichengesängen auf Alt-Cymrisch begannen, der Umgangssprache Serendairs, die nun tot war und nur noch bei religiösen Zeremonien gebraucht wurde.

O unsere Mutter Erde, die auf uns unter dem ewigen Himmel wartet, gib uns Schutz, erhalte uns, gib uns Rast.

Achmed wusste nicht, wie lange die Zeremonie dauern würde. Es waren entweder nur Augenblicke oder ganze Ewigkeiten vergangen, als sich die Prozession wieder in Bewegung setzte.

Der Seligpreiser führte die Geistlichen, Leichenträger und Trauernden tiefer in die dichte Finsternis, an den Altären aus Lebendigem Gestein vorbei, die im selben milden, volltönenden Klang der Erde um sie herum schwangen.

Tief in seiner Seele verspürte Achmed ein schmerzhaftes Ziehen, ein Verlangen, innerhalb dieser dunklen Wände zu bleiben, die im Licht vor reinem, ungeschmälertem Leben grün und rosa, purpurn und blau schimmern würden. Hier lag eine tiefe, elementare Kraft verborgen, die zu seinen beiden Abstammungslinien sprach, zu der dhrakischen Liebe seiner Mutter zur tiefen Erde und zu seinem unbekannten Vater als Höhlenbewohner. Er musste sich dazu zwingen, mit Ashe Schritt zu halten, den er in der Dunkelheit kaum mehr erkennen konnte.

Der Zug gelangte an eine hohe, gerade Treppe, die sich in die Finsternis hinter den Altären erstreckte. Während sie die Stufen hochgingen, wurde die Luft wärmer und leichter. Ein grauer Dunst erfüllte allmählich den Raum vor ihnen.

»Das muss die Treppe zu den Grablegen sein«, murmelte Ashe, als sich die Finsternis langsam zerstreute.