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Der Tod der Kaiserin, der sie ihre Adelstitel verdankten, gab ihnen die Gelegenheit, ihre Herrschaft auszubauen.

»Das Reich existiert nicht mehr«, bemerkte Tryfalian, der Graf von Keltar, der drittgrößten sorboldischen Stadt. »Ihr habt gehört, wie der Seligpreiser es gesagt hat. Die Dynastie der Dunklen Erde ist zu einem Ende gekommen. Jeder Mann mit auch nur einem Tropfen kaiserlichen Blutes in den Adern ist gewogen worden, und niemand war würdig genug. Es gibt keine Kaiserin und keinen Kaiser mehr, der Sorbold regieren könnte. Das Reich ist aufgelöst. Was nun noch übrig bleibt, sind siebenundzwanzig Staaten, jeder mit einer eigenen Regierung. Die Ordnung besteht nur noch darin.«

Seine Augen blitzten, als er den Blick über die Versammlung schweifen ließ. »Und so sollte es bleiben.«

»Was sagt Ihr da?«, wollte Fhremus, der Kommandant des kaiserlichen Heeres, wissen. »Wollt Ihr vorschlagen, Sorbold in siebenundzwanzig Teile zu zerstückeln?«

»Nicht in siebenundzwanzig. Es gibt neun größere Stadt-Staaten: Keltar, Jakar, Nicosi, Baltar, Remaldfaer, Kwasiid, Ghant, Telchior und natürlich Jierna. Die übrigen sind zu klein, um auf eigenen Beinen zu stehen und ein Heer zu unterhalten ...«

»Ihr schlagt vor, das Heer aufzulösen?«, rief Fhremus über das halbe Dutzend Grafen aus den kleineren Stadtstaaten hinweg, die lautstark ihre Einwände geltend machten, weil Tyrfalian soeben ihre Bedeutung geleugnet hatte.

»Nicht auflösen, Fhremus, sondern nur neu aufstellen und einteilen.«

»Ihr seid verrückt!« Der Stuhl des Kommandanten knarrte vernehmlich, als der Mann aufsprang, aber der Seligpreiser bewegte ihn mit einem Klopfen auf die Schulter sanft dazu, sich wieder hinzusetzen.

»Eigentlich hat es bei uns bisher recht gut funktioniert«, warf Viedekam ein, der Abgesandte der südlichen Küstenregion, die als neutrale Zone bekannt war. »Penzus unterhält wie jeder andere Staat der Neutralen Zone sein eigenes Heer, seine eigene Kriegsmarine, seine eigene Steuer- und Abgabenstruktur, die sich erheblich von der anderer Staaten unterscheidet, besonders von den Binnenländern. Die Autonomie hat sich für alle Mitgliedsstaaten als gut erwiesen, da jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen kann.«

»Ich bin sicher, angesichts des Reichtums und Einflusses der neutralen Zone auf die übrige Welt werdet Ihr weiterhin diese Unabhängigkeit als vorteilhaft ansehen«, schnaubte Tristan Steward verächtlich und zog böse Blicke von den Grafen, Viedekam und Ashe auf sich. »Es war das Beispiel der neutralen Zone, das Roland dazu gebracht hat, sich unter eine Oberherrschaft zu begeben, damit wir nicht nur ein loser und Zusammengewürfelter Verband aus einander widersprechenden Gesetzen und Zielen sind. In den drei Jahren seit der Vereinigung der orlandischen Provinzen haben wir aus unserem gemeinsamen Vorgehen wirtschaftlichen Aufschwung und vor allem Stärke gezogen, während die Provinzautonomie erhalten blieb. Sorbold hat ein ähnliches System. Warum wollt Ihr es aufs Spiel setzen?«

»Vielen Dank, Herrscher von Roland«, sagte Nielash Mousa schmeichlerisch und hob die Hand, um die wütenden Entgegnungen der Adligen im Keim zu ersticken. »Vielleicht sollte zuerst gefragt werden, ob es eine Fraktion in Sorbold gibt, die gern auf den Vorschlag antworten möchte, der von Tryfalian auf den Tisch gelegt wurde.«

»Erlaubt mir eine Erwiderung«, sagte Ihvarr, der östliche Herrscher sanft, doch unter seiner Maske der Ruhe brodelte eindeutig die Wut. »Talquist und ich können Euch versichern, dass eine Nation von der Größe und Bedeutung Sorbolds unter einem solchen Plan im Chaos versinken würde.«

»Warum?«, erwiderte Damir, der Graf von Jakar. »Als Provinz im äußersten Westen hatten wir in den letzten zwanzig Jahren wenig mit Jierna Tal zu tun. Wir sind bereits autonom.«

»Möglicherweise«, gab Talquist zu, der Herr der westlichen Gilden und Schifffahrtsverbände. Wie Ihvarr war er stämmig, hatte breite Schultern und eine von der Sonne gebräunte Haut. »Und Ihr seid ein gerechter und angesehener Herrscher, Damir. Aber obwohl ich Euch mit Arbeitern für Eure Salz- und Sulphurminen versorgt, Eure Güter transportiert und Eure Stadt erbaut habe, hatte ich ein Handelsabkommen mit der Kaiserin. Bei allem Respekt: Ich habe nicht für Euch, sondern für die Krone gearbeitet. Wenn ich mit Euch und jedem anderen der zwölf Grafen, mit denen ich in Geschäftsbeziehungen stehe, Handelsabkommen schließen, Wechselkurse bestimmen, Sicherheitsvorkehrungen treffen und alle anderen Arten von Verträgen schließen müsste, würde ich wahnsinnig werden.«

»Ich ebenfalls«, fügte Ihvarr hinzu.

»Bedenkt doch die Vorteile, die Eure Schifffahrtslinien bei einer solchen Übereinkunft hätten, Talquist«, sagte Kaav, der Graf von Baltar. »Ihr könntet mit den Führern der Küsten-Staaten verhandeln und sie davon überzeugen, einen größeren Teil ihrer Streitkräfte zum Schutz der Schiffsrouten einzusetzen; außerdem wären sie verständnisvollere Gesprächspartner als die Kaiserin, die ein ganzes Reich verteidigen musste, das aus mehr Land als Meer bestand.«

»Wären dann meine Arbeiter etwa ungeschützt?«, wollte Ihvarr wissen. »Dem würde ich niemals zustimmen. Wer wird dann Kupfer, Anthrazit und Silber fördern, Kaav? Wer wird Eure Güter transportieren? Denn ich werde sicherlich keine Handelsbeziehungen mit Euch haben, wenn Ihr mein Vermögen nicht mit Euren Truppen schützen könnt.«

»Wo wollt Ihr diese Truppen finden?«, fragte Fhremus verbittert. »Bedenkt, dass die Macht des sorboldischen Heeres von zwei Dingen abhängt: einem gemeinsamen Zweck und der Liebe zum Heimatland, um die Treue zur Kaiserin erst gar nicht zu erwähnen, möge ihre Seele frei mit den Wolken schweben. Ich widerspreche diesem Plan, weil er uns spalten wird, Staat gegen Staat, Heer gegen Heer – und getrennt sind wir schwach.«

»Keineswegs«, entgegnete Tryfalian verärgert. Er schaute zuerst Fhremus, dann die ausländischen Würdenträger, die sich im äußeren Kreis versammelt hatten, böse an. »Ich warne Euch, solch verschwörerische Worte nicht mehr in Gegenwart derer zu schwingen, die daraus ihren Vorteil ziehen könnten.«

Beliac, der König von Golgarn, hatte sich bisher in einem gewissen Dämmerzustand befunden, wurde nun aber plötzlich hellwach. »Das nehme ich Euch übel!«, rief er und erhob sich von seinem Stuhl.

»Wir sind hier in dieser verdammten Hitze zusammengekommen und hören Eurem endlosen Geschwätz zu, weil Golgarn Euer Verbündeter ist, nicht Euer Feind. Ich bin angereist, um meiner alten Freundin, der Kaiserin, und ihrem Sohn die letzte Ehre zu erweisen und dem neuen Herrscher meine Unterstützung anzubieten. Und deswegen beleidigt Ihr mich!«

»Entschuldigung, Majestät«, sagte Nielash Mousa rasch. »Eine Beleidigung war nicht beabsichtigt, das versichere ich Euch. Wir sind für Eure Anwesenheit und die aller wahren Freunde Sorbolds dankbar.«

Er wandte sich an den inneren Kreis. In seinen Augen lag ein Blick deutlicher Verzweiflung.

»Ich habe einen Vorschlag«, sagte er zu der Gruppe der Adligen, Soldaten und Kauf leute. »Die Waagschalen können sowohl Menschen als auch Ideen wiegen. Als am Ende des cymrischen Krieges der erste Kaiser bestimmt wurde, trat ein Kolloquium ähnlich wie dieses zusammen. Es wurde von denselben Parteien und denselben Sorgen bestimmt. Ein Symbol für jede Partei wurde auf der Waage gegen den Ring des Staates ausbalanciert. Die Waage schlug zu Gunsten des Heeres aus, dessen Ziel ein einziges, vereintes Sorbold war, und der Kaiser wurde aus dessen Reihen erkoren. Da es schon beinahe Mitternacht ist, glaube ich, dieser Vorschlag könnte uns zu einem guten Ergebnis führen.«

Steinernes Schweigen antwortete ihm. Nach kurzer Zeit aber nickten einige Köpfe widerstrebend, und die verschiedenen Parteien wählten ihre Symbole aus und planten die nächsten Schritte. Achmed wartete, bis sich der innere Kreis aufgelöst hatte. Er erhob sich von seinem Stuhl und schob ihn unter den Tisch. Ashe, der neben ihm gesessen und Tristan Steward zu seiner Linken gehabt hatte, fuhr sich mit der Hand durch das rot-goldene Drachenhaar, das im Fackelschein metallisch glänzte, und legte dann die Stirn auf den Tisch.