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Er sah sie mit einem Blick an, der ihr das Herz brach. »Ich verdiene dich nicht. Wirklich nicht.«

Sie lachte. »Ich weiß, aber nun hast du mich am Hals, mein Freund.« Sie stand langsam auf und ging zum Schrank, packte ihre Habseligkeiten zusammen und nahm den Mantel vom Ständer neben der Tür. Aus dem Alkoven holte sie ein Paar Stiefel und zog sie an; die Satinschuhe steckte sie in die Taschen. Sie ging zur Tür und öffnete sie gerade, als er sagte:

»Rhapsody?«

Sie drehte sich ein letztes Mal nach ihm um. »Ja?«

Seine Stimme war so leise, dass sie ihn kaum hören konnte. »Liebst du mich noch? Auch nach der ganzen Zeit bei den Rowans?«

Sie sah ihn an; ihre Augen schimmerten und leuchteten wie die Tiefen des Meeres. »Für immer.«

Er seufzte; ein Lächeln legte sich wieder über sein Gesicht. »Dann wird sich alles Weitere ergeben.«

»Das tut es sowieso«, meinte sie nur. »Weißt du, ob es draußen schneit? Vielleicht sollte ich etwas Wärmeres anziehen.«

Er drehte sich um, ging zum Fenster und schaute hinaus in den klaren, mit Sternen übersäten Nachthimmel. »Nein, ich glaube nicht...«

Als er sich wieder umdrehte, war sie verschwunden. Sie hatte ihm den Schmerz erspart, sie gehen zu sehen; selbst in ihrer letzten Handlung hatte sie an ihn gedacht.

Er schloss die Augen und wartete, bis die letzte feine Schwingung der geschlossenen Tür erstorben war. Dann sah er wieder aus dem Fenster in den Nachthimmel.

»Auf Wiedersehen, Emily«, sagte er.

49

Die Wahrzeichen des cymrischen Zuges zusammen mit Llauron zu sehen war so, wie sie zum ersten Mal zu sehen. Dass sie diesmal zu Pferde waren, machte einen Teil des Unterschiedes aus. Llauron hatte ihr einen Apfelschimmel geliehen und seinen hoch geschätzten weißen Madrianer für sich selbst behalten. Rhapsody hatte lächeln müssen, als der alte Mann aufstieg. Anwyns Söhne bevorzugten exquisite Pferde. Anborns schwarzer Hengst war eines der schönsten Tiere, die sie je gesehen hatte. Llaurons Ross war beinahe genauso beeindruckend. Sie reisten als Erstes zum Haus der Erinnerung und fanden eine Ruine vor; nur einige der Grundmauern standen noch. Rhapsodys Herz zog sich zusammen, als sie es sah. Sie dachte an die wunderbare Bibliothek und die historische Bedeutung dieses Außenpostens, um deretwegen sie sich beim ersten Besuch des Hauses die Zeit genommen hatte, das Feuer zu löschen, das während der Schlacht aufgeflammt war. Der zerstörerische Feuerball, der die dämonischen Gewächse vernichtet hatte, welche Ylorc auf der Suche nach dem Erdenkind durchdrungen hatten, hatte auch das Haus der Erinnerung in Schutt und Asche gelegt. Wenigstens war damit das Grauen der Opferungen getilgt worden; nichts als geschwärztes Holz und Asche waren übrig geblieben.

Besorgt sah sie Llauron an, dessen Familiengeschichte eng mit diesem Außenposten verbunden war, doch der Mann schien recht gelassen zu sein. Er bückte sich, fuhr mit der Hand über einen Haufen aus grauem Holz und schwarzer Asche, in welchem die Überreste von Ledergebundenen Büchern steckten, und ließ den Staub durch seine Finger rieseln. Nach kurzem Nachdenken sah er zu ihr hoch und lächelte sanft.

»Eine Schande, nicht wahr? Es war ein so wunderbares Museum.« Llauron warf die Asche zu Boden und stand auf, wobei er sich die Hände an seiner grauen Robe säuberte. »Da sich nun das nächste cymrische Zeitalter abzeichnet, wird es nötig sein, neue Außenposten und neue Museen zu errichten, nicht wahr, meine Liebe?«

Rhapsody erwiderte sein Lächeln. »Vermutlich.«

Llauron wurde wieder ernst, während sie über die rußigen Pflastersteine schritten, welche die Überreste des Hofes mit Ausnahme seines Mittelpunktes bedeckten, in dem der große Ableger der Sagia, der Eiche der tiefen Wurzeln von Serendair, gesund und stark inmitten all der Zerstörung stand. »Du weißt, Rhapsody, dass es in deiner Macht steht, diesem Land das größte Vermächtnis zu hinterlassen, das es je erhalten hat. Das ist eine großartige Gelegenheit für ein Mädchen niedriger Herkunft; es ist die Möglichkeit, die Geschichte so zu beeinflussen, wie es keiner der cymrischen Fürsten je getan hat.«

Rhapsody schluckte die sarkastische Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge lag. »Und was ist das für eine Gelegenheit, Llauron?«

Das Funkeln in Llaurons blauen Augen verschwand. »Den Baum zu beschützen.«

Rhapsody warf einen Blick auf die junge Sagia-Eiche und erinnerte sich daran, wie krank und hoffnungslos sie ausgesehen hatte, als sie sie vor so langer Zeit zum ersten Mal gesehen hatte. Llauron selbst hatte ihr die Salbe gegeben, die sie bei der Heilung verwendet hatte; sie hatte die vergifteten Wurzeln damit eingerieben und sie mit einem Heillied geschützt. Nun erhoben sich die glänzenden Äste weit über ihren Kopf; weiße hölzerne Arme waren tief in den klaren Winterhimmel gereckt und mit weißen Blüten übersät. Sie lächelte und deutete auf die kleine Schäferharfe, die in der untersten Astgabelung steckte und unablässig ihren Refrain spielte.

»Ich glaube, das habe ich schon getan«, sagte sie.

Das Lächeln des Fürbitters kehrte zurück. »Verzeihung, meine Liebe, ich habe mich falsch ausgedrückt. Natürlich hast du diesem Baum schon deinen Schutzmantel umgelegt. Aber ich meinte den Großen Weißen Baum.«

Sie schüttelte überrascht den Kopf. »Den Großen Weißen Baum?«

»Ja.«

Ein plötzlicher winterlicher Windstoß kräuselte ihr den Mantel und fuhr mit kaltem Atem über ihre zitternden Arme. »Ich verstehe nicht, Llauron. Beschützt du als Fürbitter diesen Baum nicht selbst?«

»Doch.« Die Stimme des alten Mannes wurde sanft und tief wie zu jenen Tagen, als er sie in Geschichte oder Baumkunde unterrichtet hatte. »Und damit werde ich bis zum Ende meiner Tage fortfahren. Aber es scheint mir, dass deine Dienste diesem jungen Schössling einen besonderen Schutz verliehen haben, meine Liebe, den selbst der Große Weiße Baum nicht genießt einen Schutz vor den Verheerungen des Feuers.«

Er lächelte, während er eine weit ausholende Geste machte. »Sieh dich um. Jahrhunderte voller Geschichte, was sowohl das Gebäude als auch seinen Inhalt angeht, sind in wenigen Augenblicken zu bloßem Ruß und Schutt geworden. Aber der Baum steht noch immer unversehrt da; er weist nicht einmal eine Brandspur oder einen Fleck auf. Das ist wirklich sehr bemerkenswert und beispiellos. In den verschiedenen Kämpfen des cymrischen Krieges und etlichen schlimmen Gewittern und Blitzeinschlägen hat der Große Weiße Baum Schaden gelitten und wäre einmal sogar beinahe in der Schlacht um den Äußeren Kreis vernichtet worden. Sogar ich als vereidigter Wächter kann ihn nicht so schützen wie du.« In seinen Augen blitzte es.

»Du, meine Liebe, scheinst in der Lage zu sein, das Feuer in seine Schranken zu weisen und ihm den Anspruch auf all das zu verweigern, was unter deinem Schutz steht und was du liebst. Ich beobachte dich schon seit langer Zeit, Rhapsody, und habe gesehen, wie das Feuer auf jede deiner Bewegungen reagiert. Ich habe gesehen, wie es aufspringt, um dich zu begrüßen, wie es zu einem stetigen, schwachen Brennen niedersinkt, wenn du es willst. Das ist eine große Gabe, die zweifellos in den besten Händen ruht. Ich als dein alter Lehrer bitte dich nur um einen einzigen Gefallen. Gewähre diesen Schutz dem heiligsten Lebewesen auf unserem Kontinent: dem Baum selbst. Er ist das Kennzeichen des letzten der fünf Orte, an denen die Zeit ihren Ursprung hat. Was könnte wichtiger sein?«

»Llauron...«

»Rhapsody, du erinnerst dich an die Legenden über die Insel Serendair, die ich dir erzählt habe, als du bei mir gelernt hast, nicht wahr?«

Ihre Kehle wurde trocken. »Ja.«

»Diese Insel war einst ein Ort tiefer Magie, Rhapsody, und das Mutterland vieler verzauberter Wesen ein Ort, wo die alte Macht schwer in der Luft hing. Die Welt ist seit dem Untergang der Insel ein viel einfacherer Ort geworden. Weißt du warum?«