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Rhapsody legte ihr Messer beiseite, nahm das Stück Papier und hielt es gegen das Feuer. Sie runzelte die Stirn, während sie die winzige Handschrift las. Schließlich warf sie das Papier wieder Achmed zu.

»Er war ein großer Lügner. So etwas habe ich nie zu ihm gesagt.«

Die Bolg tauschten einen raschen Blick. »War?«, fragte Achmed.

Rhapsody setzte sich in ihrem Sessel zurück und seufzte. »Habt ihr keine Nachrichten über Llauron von der Postkarawane erfahren?«

»Nein. Was ist passiert?«

»Khaddyr hat ihn nach dem Recht von Buda Kai herausgefordert, um seine Nachfolge anzutreten. Es war ein Kampf auf Leben und Tod, dessen Sieger der neue Fürbitter ist. Llauron hat verloren.«

»Interessant ausgedrückt«, bemerkte Achmed. »Ich habe bemerkt, dass du nicht die Worte ›er ist tot‹ gebraucht hast. Was also willst du damit wirklich sagen?«

Rhapsody schob den Rest ihres Abendessens fort und steckte das Messer wieder in den Stiefel.

»Ich bin für eine Weile in Elysian gewesen und habe versucht, mich von dem zu erholen, was ich gesehen habe. Ashe kam gestern dort an und hat mir gesagt, es sei nur ein Streich gewesen. Llauron habe die ganze Zeit gewusst, dass er herausgefordert werden würde, und war darauf vorbereitet. Es war für ihn eine Möglichkeit, das zu bekommen, was er haben wollte. Er hat es so aussehen lassen, als wäre er getötet worden. Ich finde es überraschend, dass er damit sogar Lark hinters Licht geführt hat, denn sie kennt sicherlich all die Kräuter, die er genommen haben muss, um einen todesähnlichen Zustand hervorzurufen. Es war schrecklich. Ich war sein Zeuge und Bote und bin danach sofort zu Herzog Stephen gegangen, weil er das nächste Staatsoberhaupt war. Ich habe ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass Llauron herausgefordert wurde und im Kampf starb. Nun ist Khaddyr der neue Fürbitter.« Sie hustete, als bei der Erinnerung bittere Galle in ihr aufstieg.

Grunthor schüttelte ungläubig den Kopf. »Warum hat er das getan?«

»Weil er schon immer seine menschliche Gestalt hinter sich lassen und in eine elementare schlüpfen wollte in eine Drachengestalt, so wie es auch Ashe kann, zumindest teilweise, denn er trägt in der Brust einen Sternensplitter, den ihm Fürst und Fürstin Rowan eingesetzt haben. So wie Ashe vom Abgrund des Todes zurückgeholt wurde und dadurch sein ererbtes Drachenblut erwachte und in den Vordergrund trat, wollte auch Llauron dem drohenden Tod seiner sterblichen Hülle entgehen und in eine elementare Gestalt überwechseln, indem er sein Wyrmblut zum Leben erweckte. Er wusste auch, dass ich dem nie zugestimmt hätte, wenn mir klar gewesen wäre, dass er überleben würde. Er hat das Ganze geplant, seit er uns begegnet ist. Er hat mich benutzt, und ich habe ihm in die Hände gearbeitet.«

Grunthor gab ihr eine Flasche und sah zu, wie sie tiefe Schlucke daraus nahm. Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, rülpste dann laut auf Bolg-Art und erntete dafür ein Grinsen von beiden Männern. Schließlich lehnte sie sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch.

»Außerdem hoffte er, der F’dor könne kühner werden oder sich sogar zeigen, wenn er von seinem Tod erführe. Ich hasse es, dich enttäuschen zu müssen, aber alle Freudenfeste, die du vielleicht wegen der Nachricht seines Todes feiern möchtest, sind möglicherweise verfrüht. Mir ist klar, dass du ihn nicht gemocht hast.«

»In dieser Hinsicht hast du Recht«, sagte Achmed und machte es sich mit seiner eigenen Flasche gemütlich. »Aber das ist kaum ein Anlass zum Feiern. Der Gedanke, einen weiteren Wurm wie Elynsynos irgendwo dort draußen im Äther zu haben, erscheint mir nicht gerade wie eine Quelle des Trostes. Aber ich vermute, jetzt ist er eher ein Verbündeter als in menschlicher Gestalt.«

Rhapsody kniff die Augen zusammen. »Warum?«

Der Bolg-König hielt mit der behandschuhten Hand das Blutstein-Gefäß gegen die glitzernden Kristalllaternen der Bibliothek. »Da nun die Sorgen des Lebens von ihm genommen sind, bleiben ihm nur die Dinge, die für ihn am wichtigsten sind. Was sind seine beiden Hauptziele?«

»Den F’dor zu finden und zu töten sowie die Wiedervereinigung der Cymrer, wobei er am liebsten Ashe als Herrscher einsetzen würde.«

»Richtig. Endlich stimmen seine Ziele mit unseren überein, zumindest teilweise. Es ist mir völlig egal, wer Herrscher über die Cymrer wird; ich vermute, Ashe ist so gut wie jeder andere.«

Der Schock auf Rhapsodys Gesicht entlockte ihren beiden Freunden ein lautes Lachen. Nachdem sie die Fassung wieder erlangt hatte, setzte sie sich aufrecht hin.

»Wie lange war ich fort?«, fragte sie verwundert. »Wollt ihr etwa sagen, dass die Wiedervereinigung der Cymrer eine gute Sache ist?«

Achmed sah sie ernst an. »Das hängt davon ab, welche Gestalt sie annimmt. Die Länder, über die Gwylliam und Anwyn geherrscht haben, werden nie wieder unter einem einzigen Regenten stehen. Sorbold und Ylorc haben inzwischen ihre eigenen Führer, und es würde in einem Blutbad enden, wenn jemand versuchen sollte, sie zu entmachten. Roland ist in verschiedene Provinzen zersplittert. Gwynwald und Sepulvarta befinden sich mitten im Machtwechsel Letzteres sobald unser Freund, der Patriarch, des Lebens Weben hinter sich lässt. Auf dem gesamten Kontinent herrscht Chaos, und das macht ihn zu einem ausgezeichneten Jagdgebiet und Rückzugsort des F’dor. Je mehr Bündnisse geschmiedet werden, desto besser, wenigstens von meinem Standpunkt aus gesehen. Wenn die alten cymrischen Loyalitäten wiedererweckt werden, sind sie möglicherweise tief und altehrwürdig genug, um jede neue Bedrohung abzuwehren, die der F’dor für ein einzelnes Heer oder einen einzelnen Führer darstellen könnte.« Er trank aus der Flasche und stellte sie dann mit einem lauten Geräusch auf dem Tisch ab. »Außerdem ist Ashe ein so unfähiger Narr, dass er lediglich ein Strohmann sein wird und der Rest von uns sich selbst überlassen bleibt.«

»Du gehst davon aus, dass die Cymrer Ashe auf dem Konzil wählen?«, fragte Rhapsody. »Es gibt eine ganze Menge königlicher Häuser, einschließlich all der Herzöge von Roland, die ebenfalls einen Anspruch auf die Herrschaft haben, Gwylliams Sohn Anborn sowie Edwyn Griffyth gar nicht zu erwähnen, falls Letzterer noch lebt. Es könnte unangenehmer sein, einen Anführer zu wählen, als für sich zu bleiben.«

»Für sie vielleicht. Soweit es mich angeht, ist der größte Feind das Chaos.«

Rhapsody nickte. »Mit Tyrian ist es dasselbe. Es war nie Teil des cymrischen Reiches, aber die Lirin waren mit Anwyn und der Ersten Flotte verbündet, was schließlich ihren Untergang herbeiführte. Sie bilden ein zerfallenes Königreich. Die Leute aus Tyrian sind von den Lirin des Meeres, der Städte und sogar jenen in Manosse getrennt, mit denen sie früher einmal starke Bande hatten. Ich weiß nicht, ob man sie in ein cymrisches Bündnis aufnehmen kann, aber es wäre sicherlich einen Versuch wert. Vielleicht wünschen sie eine Verbindung zu ihrem eigenen Besten.« Sie warf einen Blick auf die dunklen Regale, die endlosen Reihen von Manuskripten, Schriftrollen und Elfenbeinröhren, die uralte Handschriften enthielten.

Achmed starrte sie an. »Du bist also auf dem Rückweg?«

»Bist doch hier zu Hause«, protestierte Grunthor.

Rhapsody seufzte. »Ich weiß es nicht mehr. Es war mein Plan, die Wiedervereinigung voranzutreiben. Ich habe mit Oelendra und Rial ausführlich darüber gesprochen. Aber da ich keine Benennerin mehr bin, weiß ich nicht, welche Fähigkeiten ich dazu mitbringe und ob ich überhaupt noch glaubwürdig bin. Ich bin dort eine Außenseiterin, ein Halbblut. Vielleicht ist es das Beste, wenn sie es unter sich selbst abmachen.«

»Du sagst, du bist keine Benennerin mehr?«, fragte Grunthor.

Sie lächelte ihn traurig an. »So ist das nun einmal. Ich habe gelogen, und es war eine Lüge in einem wesentlichen Bereich. Ich habe in einer wichtigen Angelegenheit etwas Falsches behauptet: in der Angelegenheit von Llaurons Leben und Tod. Ich habe meinen Eid verletzt. Alles, was ich von nun an sage, ist lediglich eine Behauptung, die jedermann aufstellen kann. Ohne die Kräfte, die ich aus dem Singen und Benennen gezogen habe, bin ich für die Lirin von nur geringem Nutzen. Meine Glaubwürdigkeit war bei ihnen mein größtes Kapital.«