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»Hrekin«, spuckte Achmed aus. »Du bist die Iliachenva’ar. Man sollte doch glauben, dass dir das bei ihnen Glaubwürdigkeit verschafft. Hör endlich auf, dich deswegen zu grämen. Ich habe eine Weisheit für dich. Hör gut zu: Wahrheit ist subjektiv. Llauron hat dir das bewiesen. Was genau hast du zu Stephen gesagt?«

Rhapsody dachte kurz nach. »›Ich bringe Neuigkeiten. Eine Herausforderung nach dem Gesetz von Buda Kai wurde von dem filidischen Tanisten Khaddyr ausgesprochen. Der Kampf wurde bei zunehmendem Mond im Einklang mit den Gesetzen des Glaubens ausgetragen. Khaddyr hat gesiegt. Der Fürbitter Llauron ist tot. Nun trägt Khaddyr den Stab des Fürbitters.‹«

Achmed schlug entschieden mit der Hand auf den Tisch. »Da hast du es. Der Fürbitter Llauron ist eindeutig tot. Wenn du stattdessen seinen vollen Namen ausgesprochen hättest, wäre es eine andere Sache, aber niemand würde bestreiten, dass das, was du gesagt hast, der Wahrheit entspricht.« Er lehnte sich nach vorn, um seinen Worten größeren Nachdruck zu verleihen. »Und selbst wenn das jemand täte, liegst du falsch. Deine Macht als Benennerin kommt von deinen Studien und deiner Ausbildung, nicht aber von deinem Eid. Wenn dein Lehrer nicht vor der Beendigung deiner Ausbildung gestorben wäre, hätte er dir genau das gesagt. Der Eid, den du abgelegt hast, schützt deine Kunst vor falschem Gebrauch; er verleiht dir aber keine Macht. Du hast die Macht immer noch. Es ist nur dein Gefühl für Ehre und Pflicht, das dich davor schützt, sie zu missbrauchen.«

Die beiden Bolg sahen sie an, während sie wegschaute und überdachte, was er gesagt hatte; dann wechselten sie einen raschen Blick.

»Du kannst es doch ausprobieren, Herzchen«, meinte Grunthor kurz darauf. »Geh zu den Lirin und sieh zu, wie du ihnen helfen kannst. Für diesen besonderen Kampf hast du ’ne Menge Waffen in der Hinterhand.«

Schließlich hob Rhapsody den Blick und sah ihn an. »Willst du jetzt also doch, dass ich gehe? Nachdem ich endlich heimgekommen bin?«

Achmed zuckte die Achseln. »Geh oder bleib; es ist ganz allein dir überlassen. Aber ich glaube nicht, dass du schrecklich begeistert davon sein wirst, wie sich die Dinge hier entwickelt haben. Ich musste die Schule, die Hebammenschulung und die landwirtschaftlichen Programme für den Export auflösen.

Wir befinden uns mitten in den Kriegsvorbereitungen. Im ganzen Reich finden Aushebungen statt, sowohl von Männern als auch von Frauen. Die Kinder und Alten dienen als Versorgungstruppen. Die Schmieden arbeiten Tag und Nacht. Vermutlich war es während des Großen Krieges hier genauso; es war derselbe Wahnsinn, der zur Vernichtung der dhrakischen Kolonie führte. Ich bin mehr als glücklich, an einem friedlichen Bündnis teilzuhaben, aber ich bin auch an allen Fronten auf Krieg vorbereitet. Deine Vision hat mir klar gemacht, dass ich das sein muss. Ich werde dir das cymrische Hörn geben; dann ist es deine Entscheidung, ob du sie damit rufen willst oder nicht. Du kannst bleiben, wenn du willst, aber du musst begreifen, dass ich keinerlei Ablenkung von den Kriegsvorbereitungen dulde, nicht einmal von dir. An der Oberfläche und in den Augen der Welt scheinen wir tot zu sein. Es ist mein Wille, dieses Erscheinungsbild aufrechtzuerhalten, aber keinesfalls ihm zu entsprechen.« Er stand aus seinem Sessel auf und hielt den Blutsteinbehälter hoch.

»Vielen Dank dafür«, sagte er kühl. »Und jetzt entschuldige mich bitte. Ich muss ihn einsetzen.« Er schaute immer noch das kleine Blutbehältnis an und deutete auf Grunthor.

»Bring mir das Hörn.«

Sobald diese Worte ausgesprochen waren, erfüllten sie Rhapsodys Ohren und hallten leise in ihr wider. Die Worte wiederholten sich, dehnten sich, die Stimme wurde tiefer, wechselte ein wenig den Dialekt und wurde zu der Sprache, die man in dem alten Land gesprochen hatte. Ihr Essmesser fiel ihr aus der Hand, klapperte auf den Tisch und schlug auf den Steinboden.

Bring mir das Hörn.

Die Worte eines Königs, der nun mit der Phiole voller Blut vor ihr stand, sie anschaute, flüchtig wurde wie Rauch in einem unfühlbaren Wind, ersetzt durch dieselben Worte in einem tieferen Tonfall, erstickt vor Schmerz und Angst. Die Worte eines anderen Königs. Eines Königs, der dort gestorben war, wo sie nun saß.

Bring mir das Hörn.

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Rhapsody hielt sich am Tisch fest, während die Stimme in ihrem Geist tiefe Wurzeln schlug. Sie biss die Zähne zusammen, drehte den Kopf unter großen Anstrengungen Grunthor zu, der besorgt von seinem Stuhl aufgesprungen war, und schloss die Augen. Die Worte wanden sich durch ihren Geist und Mund.

Bring... mir das ... Hörn! Um der Götter willen ...

Beide Bolg fuhren unter dem Klang der Stimme zusammen. Es war eine Stimme, die sie nicht erkannten; die Stimme eines Mannes, der in Todesqualen keuchte. Schmerz zerfurchte Rhapsodys Stirn, und sie packte den Tisch noch fester.

Anborn! Bareth! Irgendjemand... o Götter...

Achmed streckte rasch die Hand aus und ergriff Grunthors Arm, als dieser auf Rhapsody zutreten wollte. »Lass sie«, sagte er knapp. Der Bolg-Riese schüttelte wütend seine Hand ab, tat aber nichts.

Nein, keuchte Rhapsody. Mein gutes Volk ... bitte ... helft mir. Bringt mir das Große Siegel.

Ich muss ... ich muss ...

Sogar Achmed bekam Angst, als Rhapsody sich auf den Rücken rollte, auf dem Tisch zum Liegen kam, mit glasigen Augen die Decke anstarrte und keuchte.

Das Siegel, sagte sie mit Gwylliams Stimme. Bitte ... das Große Siegel ... und Wasser, bitte, irgendjemand ... gebt mir Wasser.

Die Bolg sahen einander an. Grunthor packte den Stuhl vor ihm so fest, dass der hölzerne Rücken zerbrach. Wie oft er auch Zeuge dieser Visionen wurde, so waren sie doch etwas, das er nie ertragen konnte, ohne die Fassung zu verlieren.

Ein glasiger Ausdruck der Verwunderung legte sich über Rhapsodys Gesicht. Das kann nicht sein, sagte sie traurig. Sie verdrehte die Augen und starrte blind auf das gewölbte Firmament über ihr, in dem die kupfernen Schuppen des Drachenfreskos zwischen den kristallenen Sternen an der kobaltblauen Decke funkelten. Der Drache hielt die silbernen Klauen ausgestreckt.

Ah, Anwyn. Schließlich hast du mich doch besiegt, sagte Gwylliams Stimme sanft und belustigt. Welch eine Ironie des Schicksals deine Schwestern aufbieten. Ich sterbe hier, unter dem grausamen Bild des großen kupfernen Wurms, den ich an dieser Stelle habe anbringen lassen, um deine Mutter zu ehren.

Selbst in meinen letzten Augenblicken bin ich dazu gezwungen, dich zu sehen dieses Leben mit dem Bild von dir vor Augen zu verlassen.

Die Farbe wich aus Rhapsodys Wangen; ihre Haut verblasste von rosigem Rot zu totengleichem Elfenbein. Als ihr Atem immer rauer wurde, bekam Achmed Panik. Er legte die Phiole beiseite, schoss um den Tisch herum, gefolgt von Grunthor, zog sie herunter und schlug ihr mit der linken Hand ins Gesicht.

»Es reicht, Rhapsody«, sagte er ruhig. »Genug hör auf mit dieser Vision.«

Sie sah an ihm vorbei, als ob sie hinter den Schleier des Hoen schaute. Ihre Lippen waren blutleer, blass und ausgetrocknet.

Alles umsonst, sagte sie dumpf. Alles Licht floss aus ihren Augen. All meine... großen Taten, meine großen Träume. Umsonst. Hague, du hattest Recht. Du hattest Recht.

Achmed schüttelte sie sanft und versuchte, die Macht ihrer Vision zu brechen, doch sie hatte sich fest in Rhapsody verankert. Hinter ihm atmete Grunthor flach und versuchte, ruhig zu bleiben.